Ich möchte schreiend davonlaufen, …
… doch treff ich immer nur mich selbst! Ich frage mich, was das diesjährige Festival der Regionen und das aktuelle Programm des Kunstraum Goethestrasse gemein haben? Abgesehen davon, dass ich versprochen habe, eine Seite über die Veranstaltungen zu schreiben (vom jeweils zwei-wörtrigen emotionsgeladenen und griffigen Titel und abgesehen von meinem eigenen Ärger: wieso ich in einem Telefonat mit der spotsZ-Redaktion mit einem „ja, sicher schreibe ich was“ geantwortet habe, anstatt etwas zu lamentieren über sonstige noch ausstehende Arbeiten und dann mit einem „leider nein, diesmal nicht“ mich entschuldigend aus der Affäre gezogen habe).
Nichts für ungut, aber nun sitze ich in einem kalten Arbeitszimmer, während die Vögel und die Kinder unterm offenen Fenster mich verhöhnen. Ja, es ist ein schrecklich schönes Wochenende. Während ich also zurückgeworfen auf mich selbst, wahlweise meinen Computer oder laut fluchend Gerd anpöble, bin ich schon umherirrende Gefangene in dem vom Kunstraum Goethestrasse gestellten Themenfeld Zorn_Aggression. Anfänglich halte ich mich noch für verärgert, während die Internetsuchmaschine mich mit „Das was den Ärger hervorruft, ist ein Ärgernis“ verhöhnt und mir als Ausweg „Siehe auch → Magengeschwür“ vorschlägt. Das treibt mich ins Stadium der um-sich-schlagenden Wut voran. Der Bildband „Plakate der Österreichischen Nationalbibliothek“ landet laut krachend auf dem Boden und schließlich schellt die Hand auf die Tischkante (am liebsten würde ich ja den Computer schlagen, habe aber gelernt, nicht den Boten zu strafen). So leid tue ich mir schon. Wütend auf mich selbst (das kenn ich übrigens schon aus meinen frühen Kindheitstagen) drehe ich mich wie eine Katze und ihr Schwanz im Kreis, wie Hans Polterauer es mit seiner siebentägigen Performance unter dem Titel Im Kreis gehen für das Festival der Regionen verspricht: Jetzt habe ich mein Wochenende gleich zweifach vermasselt. Martin Fritz kündigt mir in einem Email einen Fluchtweg aus meiner Misslaune ab 23. Juni 2007 an. „Reservieren Sie einen ganzen Tag oder besser ein Wochenende, um all dem nachzuforschen, was unser Programm künstlerisch zusammenführt“, empfiehlt er nicht nur mir. Das Festival der Regionen Fluchtwege und Sackgassen führt heuer entlang der B 138 und der Pyhrnautobahn in den Bezirk Kirchdorf a.d. Krems. Dort beschäftigen sich 28 Projekte mit den Themen Migration, Mobilität, Fortschritt und Rückzug. Die im „gesegnetem“ oberösterreichischen Land gestrandeten Trümmer eines Flüchtlingsbootes (Strandet, Christoph Draeger) machen da nicht nur auf die Migrationsproblematik an den Grenzen Europas aufmerksam, sondern thematisieren auch den Sehnsuchtsgehalt, der im Thema verborgen liegt: Wo man hin oder von wo man weg will, was man zu erreichen glaubt und was einen tatsächlich erwartet. Mit den Sackgassen nach der Flucht, mit Fremdenangst und Ausgrenzung beschäftigen sich die Fotoarbeit Zellen von Veronika Hofinger und Sie ... (Nika Radic) und die Furchtbaren Wege zur Endstation Konzentrationslager Mauthausen zeigt Wolfram Kastner. Aber auch ganz persönliche Wege werden verfolgt, Expeditionen außerhalb der Norm mit Johanna Kirsch und Abenteuerfahrten in die alltäglichen Arbeitsbedingungen der weiblichen Bevölkerung (mitgefahren: Nina Höchtl). Dass in Zeiten einer erfolgsorientierten Leistungsgesellschaft Irr- und Abwege nicht nur geografisch verfolgbar sind, beweist die Show des Scheiterns in der Landesgalerie Linz, wo das „Sich-Verrennen“ als kulturelle Technik verstanden wird. Das sind nur wenige der Ausblicke, die uns die insgesamt 37 Beteiligten geben. Von denen sich vermutlich nur Rudi Geissler wünscht: Besuchen Sie uns nicht!
Zwischenzeitig hat sich meine Laune gehoben, was wohl daran liegt, dass ich auf meinen Balkon gewechselt habe. Etwas beruhigt, weil sonnentrunken, kann ich mich nun Zorn_Aggression erneut widmen. Der Kunstraum Goethestrasse wandelt ab 14.06. auf den Spuren der Todsünde und zeigt 8 künstlerische Positionen. Dabei widmet man sich der Aggression in ihrem alltäglichen Auftreten, also abseits von den Ausnahmezuständen der Gewalt, wie sie im Krieg oder beim Terror auftreten. Aggression als Vertreter des Destruktionstriebes (nach S. Freud) setzt sich zum Ziel, Einheiten zu zerstören. In diesem Sinne untersucht der Kunstraum die Affekthandlung im zwischenmenschlichen Zusammenleben, sozusagen in der „Crashzone“ zwischen dem Einzelnen und den Anderen. Grenzziehungen und Auswege stellt uns also das kulturelle Geschehen ab Juni. Im Übrigen plädiert Konrad Lorenz, den Aggressionstrieb auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Niveau umzuleiten. Hierbei empfehlen sich Sport, Wissenschaft und Kunst. Dieser Erkenntnis widme ich meinen nun folgenden Radausflug zum nächsten See.
Kunstraum Goethestrasse: Zorn_Aggression mit Arbeiten von Miriam Bajtala, Amanda Dunsmore, Judith Hopf, Robert Hinterleitner, Peter Leimer, Marko Mäetamm, Michael Pühringer, Stefanie Wuschitz und Janina Wegscheider. 14.06. bis 31.07.
2007, Goethestr. 22 und im Leerstand Goethestr. 33, ehemaliges Linzer Bettenhaus. www.kunstraum.at
Festival der Regionen: Fluchtwege und Sackgassen vom 23.06. bis 08.07.2007. Programm und Orte unter www.fdr.at
Zorn und Aggression sind als Phänomene, die unsere Zeit prägen, immer deutlicher im alltäglichen Umfeld spürbar. Acht Beiträge der Ausstellung Zorn_Aggression/anger_aggression reflektieren mit unterschiedlichen Methoden die Alltagswahrnehmung – weitgehend unter Verzicht auf Ausnahmezustände der Gewalt, wie Krieg oder Terror. Der KunstRaum Goethestrasse xtd richtet in zwei Räumen das Augenmerk auf emotionale Verdichtung, unerwartete Momente und Situationen, in denen Energien in Form von Zorn und Aggression frei werden.
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