Gehörlosentheater und Musik?

Der Gehörlosentheaterverein „Manus Deaf Theater“ vereint in seinen Theaterproduktionen Schauspielkunst, Gebärdensprache, Bild und Musik zu faszinierenden Bilderwelten für ein gehörloses wie hörendes Publikum. Dagmar Schinnerl über „Manus“, die Rolle der Musik im Gehörlosentheater und das im Rahmen von sicht:wechsel laufende Stück „Asche in Gold“.

Bereits zum dritten Mal greift der oberösterreichische Theaterverein mit der Aschenputtel-Collage „Asche in Gold“ einen Märchenklassiker auf und lässt damit hörende und gehörlose ZuseherInnen gemeinsam in eine unkonventionelle Inszenierung eintauchen. Für das Publikum bleibt es bei dieser besonderen Theaterform aber nicht nur beim Zusehen – auch Musik spielt eine wesentliche Rolle und macht das Gesehene hör- und spürbar.

Gehörlosigkeit und Musik – diese beiden Begriffe mögen im ersten Moment vielleicht widersprüchlich klingen. Bei genauerer Betrachtung wird man je­doch feststellen, dass Musik mehr ist als Hören und jeder Mensch – unabhängig vom eigenen Hörvermögen – Musik wahrnehmen, gestalten und emp­finden kann. Besonders die taktile Wahrnehmbarkeit von Musik, die Hören­den oft nicht bewusst ist, macht es für Gehörlose spannend, Musik als Theatermedium zu erleben. Wissenswert ist auch, dass gehörlose Men­schen grundsätzlich über die gleiche Musikalität wie hörende Menschen ver­fü­gen. Allerdings kann diese Musikalität von gehörlosen Menschen in­ner­halb einer hörenden Umwelt oft schwer zum Ausdruck gebracht werden.

Im Sommer 2003 hatten die Regisseurin Doris Schüchner und die Psycho­login und Musikerin Anna Hofstätter die Idee, einen Gehörlosen­theater­ver­ein zu gründen und suchten Kontakt zur Linzer Gehörlosengemeinschaft. Dort stieß die Projektidee auf große Resonanz und fand auch beim Landes­ver­band der Gehörlosenvereine Oberösterreichs Unterstützung. Die Grund­la­ge für die gemeinsame Theaterarbeit von hörenden und gehörlosen Künst­lerInnen war geschaffen und schließlich wurde im selben Jahr der Verein „Manus Deaf Theater“ ins Leben gerufen, der sich zum Ziel gesetzt hat, Ge­hörlosentheaterprojekte zu organisieren und umzusetzen. Im Mai 2005 ging Manus Deaf Theater erstmals mit einer Produktion an die Öffentlichkeit: „Hänsel und Gretel“ wurde unter anderem als „außergewöhnliches, berührendes Theaterexperiment“ gefeiert. Nicht nur die künstlerischen Quali­tä­ten („außergewöhnliches Regietheater“) der Produktion wurden positiv be­wertet, sondern auch die Bedeutung dieser Theaterarbeit für die Integration gehörloser Menschen in die Kulturszene Oberösterreichs. 2006 folgte „7 auf einen Streich“. Mit „Asche in Gold“ wird nun zum dritten Mal ein Märchen aufgegriffen. Diese Inszenierung ermöglicht einerseits durch den bekannten Inhalt und andererseits durch die bildhafte und musikalische Umset­zung ein Eintauchen in die Gebärdenwelt. Außerdem stellen die gehörlosen SchauspielerInnen Situationen, Räume, Gegenstände und Emotionen durch mimische und gestische Improvisationen dar.

Um auf die Rolle der Musik im Gehörlosentheater zurückzukommen: Für den Verein „Manus Deaf Theater“ stellt auch und vor allem Musik eine gro­ße Bereicherung in der Zusammenarbeit von gehörlosen und hörenden Künst­lerInnen dar. Aus der gemeinsamen Interaktion rund um die Musik entsteht etwas völlig Neues – etwas, das vielleicht am ehesten als visueller Gesang be­zeichnet werden könnte. Dazu ist ein großes Maß an gegenseitigem Ein­füh­lungsvermögen notwendig. Für den Musiker Franz „Flieger“ Stögner ist es in der Konzeption und Komposition der Bühnenmusik eine Heraus­for­de­rung, die Musik so zu gestalten, dass sie für Gehörlose – z.B. durch das Ein­beziehen vieler tieffrequenter akustischer Elemente – bestmöglich wahrnehmbar wird. Die Cellistin Anna Hofstätter reagiert in der musikalischen Begleitung der Handlungen auf der Bühne auf die Bewegungen und Im­pulse der gehörlosen KollegInnen. Die gehörlosen SchauspielerInnen musizieren bereits in ihrer Sprache – Rhythmus, Melodie, Spannungsbögen und Form spielen in der Gebärdensprache eine sehr große Rolle. Darüber hinaus ist Musik ein wichtiges Medium für das hörende Publikum. Besonders in Szenen, in denen die Gebärdensprache im Vordergrund steht, wird die Musik zum Informationsträger und funktioniert – vor allem für die Vermitt­lung von Stimmungen und Emotionen – als eine Art Dolmetscher. „Asche in Gold“ verspricht jedenfalls eine sehr spannende Produktion mit starkem Re­a­litätsbezug zu werden, in der es in erster Linie um die individuelle Ent­scheidung für die Lust am Leben geht.

Welche Bedeutung hat Musik für dich bzw. speziell im Gehörlosentheater?
Erika (gehörlose Schauspielerin, Vereinsobfrau): In meinem Inneren bin ich voller Musik – schon als Kind wollte ich immer tanzen. Tanz wurde deshalb bereits früh zu meinem Hobby. Ob auf der Bühne Musik und Tanz exakt zusammenpassen ist für mich nur zweitrangig. Am wichtigsten für mich ist das Gefühl für die und in der Musik.
Anna
(Cellistin): In dieser Arbeit habe ich gelernt, dass Musik nicht allein Hör- sondern sehr stark auch Fühlbares ist. Mir ist es sehr wichtig zu akzeptieren, dass Gehörlose einen völlig anderen Zugang zur Musik haben als Hörende und ich ihnen meine Wahrnehmungswelt nicht aufdrängen kann.
Doris (Regisseurin): Von Anfang war Musik ein klarer Bestandteil unserer Theaterarbeit. Nicht nur weil wir uns zum Ziel gesetzt haben, Gehörlosentheater auch für hörende Besucher zugänglich zu machen, sondern weil uns die Musik als Emotionsträger auch für Gehörlose als nutzbar erschien.

01., 02., 07., 08. und 09. Juni 2007 jeweils um 19.30 h, Theater Maestro, Bismarckstraße 18
Kartenreservierung: manus@gmx.at, 0699/106 15 119
www.theatermanus.at

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06/07
FotoautorInnen: 
Otto Pölzl

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