Himmel über O-Heim

Zum 14. Mal findet heuer das Ottensheim Open Air statt. Am 29. und 30. Juni gastieren im unteren Mühlviertel heimische und internationale Bands. Zum Pflichttermin vieler junger und älterer Menschen wurde das sympathische Festival aber nicht nur wegen des stets ambitionierten Musikprogramms …

Beginnt man über die Geschichte von Open Air-Konzertveranstaltungen nach­zudenken, erscheint es als offensichtlich, dass es die Rocksäue, Hippies und untalentiertesten Frisbeespieler dieser Erde seit jeher mehr an obskure, land­luftgeschwängerte Orte zieht als in die Stadien oder Residenzplätze der urbanen Zentren. Woodstock und Ottensheim sollen uns als namhafte Bei­spiele dafür dienen können. Oder im Gegensatz dazu das Linzer Stadion, das nicht nur verhältnismäßig provinziellem Fußball, sondern auch ge­schmacks­unsicheren Konzertveranstaltern des Öfteren Heimat bietet (Keep Bon Jovi out of my town!). Es lässt sich also nicht überall gleich feiern unter freiem Himmel.

Das vom Kulturverein Kapu gemeinsam mit dem Jugendzentrum Ottens­heim organisierte Festival definiert sich durch ein paar Wesenszüge, die so ein­zigartig zwar nicht sind, die aber in der über zwei Jahrzehnte kultivierten Form bestechen. Vor allem für Leute, die neben ihrer Lust, im Gatsch zu hupfen, zusätzlich ein reges Interesse an gegenkulturellen Entwürfen von Musikveranstaltungen verspüren, ist „O-Heim“ jedes Jahr einen Ausflug wert. Denn obwohl die Veranstalter auch heuer wieder darauf setzen, nicht nur durch radioerprobte Musik potentielles Publikum zu locken, kann man als UnwissendeR stets davon ausgehen, dass einem in Ottensheim spannen­de Bands aus den unterschiedlichsten Genres erwarten.

Die kanadische Legende NO MEANS NO, benannt übrigens nach einem Anti-Vergewaltigungs-Slogan, gibt ihr einziges Österreich Konzert heuer in Ottensheim. Mit ihrer stilprägenden Mischung aus Punk und rhythmischen Fingerübungen, die wohl dem Jazz entlehnt sind, rocken die betagten Her­ren von NoMeansNo auf sehr hohem Intensitätslevel. Die etwas jüngeren, aus Linz stammenden PORN TO HULA werden auf ähnlichem Niveau ihren Heavy Metal predigen. Zum Gaudium der zu Unterhaltenden greifen sie da­zu auch noch auf den Trick der Masquerade zurück. Derzeit noch weniger bekannte Acts wie MOST, DOLOM, TODESSTERN oder METALLYCE verspre­chen das Publikum ebenso zu überraschen wie die jüngsten Sterne am ös­ter­reichischen HipHop-Heaven, DIE AU und MIEZE MEDUSA. Ihr erstes Aus­landskonzert absolvieren in O-Heim die Balkanbläser von DUVACKI OR­KES­TAR ORIENT. Ihr folkloristischer Turbosound begeistert spätestens seit Bands wie Fanfare Ciocarlia und Gogol Bordello weltweit.
Bevor im Festival integrierten Partyzelt heftig weitergefeiert wird, kann das Publikum auch noch zu den populären Klängen der SOFA SURFERS und BINDER/KRIEGLSTEIN die Hüften ausschütteln. Oder während dessen das weitläufige Festivalgelände erkunden gehen, am Donauufer sitzen, dabei Bier von der ortsansässigen Brauerei trinken und Landluft unter freiem Him­mel schnuppern. Denn das ganze Environment des Ottensheim Open Airs (Location, Eintrittspreis, Bands, Service, entspanntes, ehrenamtliches Per­sonal) erzeugt eine menschenfreundliche Atmosphäre, die von den Ver­anstaltern ganz bewusst in Opposition zu den großen Kommerzfestivals verstanden wird.

Auf den „Puke- oder A-few-million-euros-a-week-Festivals“ herrschen andere Gesetze und dort lässt man sein Publikum, egal ob jung oder alt, auch ganz schön blöd aussehen.
Denn wer, bitte schön, setzt sich freiwillig dem erhöhten Risiko aus, von einem torkelndem Cypress Hill T-Shirt das Zelt zugeschissen zu bekommen, nur weil der Veranstalter trotz des Eintrittspreises von 120 Euro nicht genügend Toiletteanlagen aufstellen will. Dabei sollten die Veranstalter wissen, dass Bube und Mädchen beim Genuss von g’wasserten Bier und schlechter Popmusik des Öfteren irgendwie, irgendwo ausscheiden. Ausscheiden auch im Sinne von „liegen bleiben“; nämlich in deinem zertrampelten Zelt, verirrt.

Fast alles anders beim Ottensheim Open Air. (Es liegt an Ihnen, geschätzte LeserInnen, die wenig möglichen Überschneidungen selbst herauszufinden!). In Ottensheim bemüht man sich jedenfalls seit 14 Jahren „ein geiles Festl“ auf die Beine zu stellen; mit Erfolg, ohne persönlicher Bereicherung. Mit einem Mehrwert für die Gemeinde Ottensheim und all jene, die gerne Open Air Konzerte besuchen und ansonsten die Frisbees zu Hause lassen sollten.

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06/07
FotoautorInnen: 
KAPU

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