Ist nicht schad drum! Oder wie ich mir einen guten Abriss vorstelle.

Die Sparda Bank wird in den nächsten Jahren abgerissen. Um das Gebäude ist wahrscheinlich nicht wirklich schad. Ich bedaure aber dieses stille, verschwiegene Verschwinden so vieler interessanter Bauwerke und das – wie mir scheint – kaum ausgeschöpfte Potential der wertvollen Zwischenzeit vom Auszug der Nutzer zum Abriss, bzw. der Baulücke bis zum Neubau. Im Widerspruch zur zwingenden Ökonomie vergehen oft Jahre des Leerstandes und des Niemandslandes.

Sparda Bankgebäude Wienerstraße
Ich kenne weder den Architekten noch das Ent­ste­hungsjahr. Das Bauwerk ist eines dieser zahlreichen Linzer Beispiele aus den 60er oder 70 er Jahren, die gut, aber nichts Besonderes sind, für ihre Zeit stehen und dank ihrer Viel­zahl und ih­rem Charakter schon so etwas wie ein Ensemble darstellen. Die­se drüc­ken eine heutzutage unerhört rationale Architekturauffassung aus und stehen für den damaligen Fortschrittsoptimismus und die damalige Zuversicht.
Der spröde Charme der Sparda Bank ist typisch und heute nicht mehr mach­bar. Die Architek­tur­sprache ist gekonnt; das Bauwerk hat eine angenehme Rhythmik in der Fassade und die verschieden großen Baukörper gehen auf die städtebauliche Situation – insbesondere auf die angrenzende Bahn­tras­se – ein. Prägend am Haus scheint jedoch die Farbe: Eine etwas – im besten Sinne – verdreckte Komposition aus Gelb, Braun und Weiss. Hierfür müssen zumindest 20 luftverschmutzte Jahre vergehen. Abgesehen von der nötigen Zeit lassen sich solche Farbtöne in einem perfekt standardisierten RAL-Farb­system leider gar nicht gezielt herstellen.
Die Kantine – formal wunderbar in den 70er Jahren erstarrt geblieben und wohl schon so et­was wie eine „coole Location“ – sollten sie übrigens auch zumindest einmal ausprobiert haben bevor sie endgültig verschwunden ist.

Souveräner Umgang mit alter Substanz ge­fordert
Die europäische Erfahrung zeigt, dass weder herausragende Ästhetik noch ge­schichtliche Bedeu­tung Gebäude der Moderne vor einem Abriss schützt. Auch denkmalgeschützte Bauwerke fallen regelmäßig einem Abriss oder all­zu pragmatisch (kurzfristig) denkenden Akteuren zum Opfer.
Nachdem die Architektur der 50er Jahre in den vergangenen Jahren bereits eine Neubewertung er­fahren hat, steht dies für die 60er und 70er Jahre noch weitgehend aus. Im öffentlichen Bewusst­sein genießt die Architektur dieser Zeit nur eine geringe Wertschätzung und scheint vor allem von vielfältigen „Bausünden“ geprägt zu sein. Sie wird daher permanent zur Dispo­si­tion gestellt, ohne in ihrer baulichen Qualität und auch als Gesell­schafts­entwurf gewürdigt zu werden. Dem Abriss folgt dann so oft das Verstopfen der entstandenen Lücken mit einer „geschwätzigen“ Investoren­archi­tektur, die in keiner Weise das kurzsichtig, aber nachhaltig Zerstörte adäquat zu ersetzen, ge­schweige denn zu übertreffen vermag. Ziel meines Erachtens ist eine neue Würdigung dieser Bau­werke; losgelöst vom spezifischen Ge­schmack ih­res Entstehungskontextes sowie der überwiegend ablehnenden Rezeption der späten 70er und der frühen 80er Jahre. Eine zeitgemäße Be­trachtung und vielleicht sogar eine neue Wertschätzung kön­nen nicht zu­letzt zu einem positiveren Umgang mit dem zunehmend sanierungsbedürftigen Erbe dieser Architekturepoche beitragen. Hier sind neue und frischere, kleinere und „weiblichere“ Strate­gien im Umgang mit alter (wertvoller) Subs­tanz gefragt. Mit weniger Berührungsangst, mehr Mut zum Experi­ment, mehr Weitblick und Geschichts­bewusstsein müssen all die Lösungen zwischen den Extremen „Abriss“ und „Todsanieren“ erfunden werden. Stadt und Architektur ist ein äu­ßerst lebendiger und fließender Prozess; fertige Gebäude und unsere auf (fertige) Bilder trainierte Gesellschaft suggeriert nur Anderes.
Es wäre schade, die Sparda Bank wegzureißen, nur um sie durch eines dieser zahlreichen nichtssagenden, allzu glatten Bauwerke zu ersetzen, das nur kurzfristig für ein paar Wenige gewinnbringend oder „billiger“ ist, aber wo­möglich in 30 Jahren schon selbst bedenkenlos zu einem Ab­riss­kandidaten wird. Die hohe Geschwindigkeit und das riesige Bauvolumen, das zurzeit in Linz zu recht durchschnittlichen Resultaten führt, lässt so etwas befürchten.

Zwischenzeit nutzen
Warum wird die besondere Zeit des leeren Ge­bäudes und der leeren Bau­lücke nicht viel konstruktiver genutzt?! Ich träume davon, mit dem zermah­lenen Schutt des Unfallkrankenhauses Linz für ein Jahr eine Landschaft zu formen, die einzig­artig urban ist und ab Baubeginn einfach wieder verschwindet oder in einer anderen Baulücke ein­fach neu entsteht. Und ich träume davon, dass Ab­risshäuser für Obdachlose, Jugendliche, die Kunst, für Veranstaltungen oder einfach alle, die für kur­ze Zeit Raum brauchen, offen stehen. Dass diese Häuser in ihren letzten Monaten oder Jahren öf­fent­liche Häuser werden und Spielräume darstellen. Und ich frage mich wa­rum Häuser nicht auch „beerdigt“ werden?
All das wünsche ich mir für mehr oder weniger alle Abbruchhäuser. Ich ge­höre zu denen, die in diesen Häusern herumstreunen und Abbruch­häu­ser und Rohbauten für das Schönste und Stimu­lierenste in der Stadt überhaupt betrachten. Wa­rum diese Orte nur Bauarbeitern und wenigen An­deren über­­lassen? Mit geringem logistischem Aufwand und Entschlussfreudigkeit könn­te so – sehr lebendig – zusätzlich Stadt entstehen fernab teurer und schwerfälliger Jahrzehnte-Projekte. Ne­ben Spaß, Identifikation, Abenteuer und Poe­sie wä­ren solche Zwischennutzungen ohne Zweifel auf vielen Ebenen umwelt­freundlich.
Der baldige Ausnahmezustand in Linz 2009 ist der beste Rahmen für solch einen unkonventionellen Städtebau. Ein Dutzend abzureißende Ge­bäude soll­ten einmal unter anderen Vorzeichen verschwinden.
Ein Dutzend Freiflächen könnten – nicht nur für Parkplätze – zwischengenutzt werden.
Das Sparda Bank Gebäude würde sich dank der hervorragenden Lage bes­tens für so ein Expe­ri­ment eignen.

Plündern erlaubt
Einer der spannendsten und „öffentlichsten“ Nach­mittage meines Lebens war im Februar 1998: Ir­gendjemand hatte die großartige Idee das jetzige Wiener Museumsquartier vor dem endgültigen Umbau noch einmal für alle und vollständig zu öffnen. Es war der Startschuss für den teilweise Abriss und die Sanierung. Man konnte zum letzten Mal einen Blick in alle Ecken und Räume werfen und als Draufgabe alles mitnehmen, was ging. Es war ein öffentlicher Tag des Plünderns! Alle und jede/r machte sich schlecht aus­gerüstet da­ran, die Inneneinrichtungen zu zerlegen. Viel zu kleine Ta­schenmesser, Steine und irgendwelche Artefakte, die nur annähernd zum Abbrechen ge­eignet schienen, mussten herhalten, die wertvoll erscheinenden Teile, Leuchten, Marmortafeln oder Schalter abzumontieren, um sie nach Hause zu schleppen. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum. Gier in der Luft aber noch halbwegs zivilisiertes Miteinander. Werkzeug wurde nur für kurze Zeit geliehen. Nach einem Tag war die Ausstattung und vieles mehr – was sonst in der Mulde gelandet wäre – fein säuberlich als Tro­phäen über hunderte von Wohnungen in ganz Wien verstreut.

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11/07
FotoautorInnen: 
Gregor Graf

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