Diese Säule ist besetzt!

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Am 19.10.2007 haben 10 AktivistInnen der KAPU, gekleidet in Bauarbeiter-Anzüge, unangemeldet die privatisierte und verglaste Litfasssäule einer privaten Werbefirma am Linzer Haupt­platz besetzt.
Rund um die bestehende Litfaßsäule wurde eine zweite, hölzerne Säule hochgezogen und die neue Plakatsäule mit Plakaten von anstehenden Aktionen und Veranstaltungen von Initiativen der freien Szene (STWST, Schl8hof, Treibsand, MAIZ, Ann&Pat, KAPU) zugeklebt, zusätzlich als eine Art „Bekennerschreiben“ auch ein optisch auffälliger und großflächiger Infotext zur Aktion und deren Hintergründe affichiert.

Vorgeschichte und Anlass: Im Jahr 2005 privatisierte die Stadt Linz die öffentlichen Litfaß­säu­len im Linzer Stadtzentrum. Anlass war der angebliche „Wildwucher“ von Plakaten und die Be­schwerden kommerzieller Veranstalter, die sich durch freie Initiativen, die kurzfristig ihre Ver­anstaltungen und Aktionen via Plakate ankündigten, in ihrem Geschäft bedroht sahen.
Die Stadt Linz und die Werbefirma boten den Linzer Initiativen an, Plakate kostenlos plakatieren zu lassen – die Auflagen der Firma sind aber in der Regel nicht zu erfüllen (vor allem die mehrwöchige Anmeldefrist ist für die kurzfristig agierenden Initiativen in der Praxis nicht einhaltbar) und wenn freie Kulturvereine es doch schaffen, werden deren Poster in der Regel am Stadtrand, aber kaum bis gar nicht im Zentrum plakatiert.
Das Linzer Zentrum bietet also keine Plakatmöglichkeiten mehr für freie Initiativen (deren Dy­namik oftmals im schnellen und kurzfristigen Handeln und Reagieren besteht), lediglich kapitalstarke und kommerzielle Kulturveranstalter können ihr Kulturprogramm dort veröffentlichen.

Der öffentliche Raum im Linzer Zentrum wurde privatisiert und von freier Kultur bereinigt und – durchaus im Rahmen anderer städteplanerischer Aktivitäten vor dem Kulturhauptstadtjahr – präpariert für glatte, kommerzielle Massenkultur ohne Ecken und Kanten.

Die Aktion wurde durchgeführt, um dem Problem der zunehmenden Privatisierung des öffentlichen Raumes und der Verdrängung von unerwünschten Gruppen aus demselben Nachdruck zu verleihen. Ziel ist es, eine öffentliche Diskussion über die Nutzung und „Verwertung“ öffentlichen Raumes anzuzetteln. Konkret geht es natürlich auch um die Schaffung von Plaka­tier­möglichkeiten für freie Initiativen und ihre Aktionen, die geschützt sind vor dem Zugriff profes­sioneller Plakatierer, die im Auftrag der Großveranstalter arbeiten.

Die KapuaktivistInnen sind sich der potentiellen Kriminalisierung ihres Projektes bewusst, sehen dieses aber als notwendige Kunst- und Politaktion, um ein gesamtgesellschaftlich relevantes Problem zu thematisieren.

Sie nehmen die Kriminalisierung und ihre Folgen in Kauf und erhoffen sich im Gegenzug eine mediale und öffentliche Aufmerksamkeit für freie Kunst- und Kulturarbeit, für den gegenwärtigen Mediendiskurs (auch Poster sind Medien!) und für den Umgang mit öffentlichem, urbanem Raum. Sie verlangen von einer angehenden Kulturhauptstadt, dass sie auch und gerade im Zentrum unbequeme Kultur- und Lebensformen zulässt und die Peripherisierung kommerziell nicht verwertbarer Kultur- und Lebensformen stoppt und dieser entgegenwirkt.

Video (02:30 min) und Fotos der Aktion: www.kapu.or.at/platz

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