Erlebnis Mobilität

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Es geht um Unterwegs Sein als gelebte Zeit, oder anders ge­sagt, um eine raum-zeitliche Insze­nie­rung von Bewegung. Wir kennen das von Fahrten durch besondere Landschaften, Ein- und Ausfahr­ten von Tunnels, aber auch von Spaziergängen durch mittelalterliche Städte, auf Kreuzwegen, dem Weg von Athen auf die Akropolis, oder Strecken­abschnitten einer Fahr­radtour, die alle durch ihre besondere, räumliche Inszenie­rung zu Bekanntheit gelangten.

Die Theoretiker Appleyard, Lynch und Meyr be­schäftigten sich in den 60er Jahren mit diesem Verhältnis von Bewegung und visueller Wahr­neh­mung. Es war die Zeit der euphorischen Mas­senmotorisierung zu der ihr erstes Buch „The View from the Road“ entstand. Sie thematisierten den Zusammenhang zwischen Bewegung und Raum­struktur, mit dem Ziel, daraus Kriterien für die Gestaltung der neuen, modernen Stadt zu ge­winnen. Das Einfamilienhaus im Grünen mit Au­tomobil waren der Inbegriff für Fortschritt, Wohl­stand und Freiheit. Mit der Energiekrise 1973 be­kam diese Euphorie einen ersten Ein­bruch. Die kon­tinuierlichen, räumlichen Strukturen der Stadt hatten sich inzwischen geändert und begannen sich aufzulösen (diese Fragmentierung der Städte ist nach wie vor im Gang). Seit der Ökologiebewegung der 80er Jahre ist auch der Elan ver­loren gegangen, sich mit den raumwirksamen Folgen der Mobilität auseinanderzusetzen.

Das Auto und seine Anforderungen tauchen nur noch als Not­wendigkeit mit gesetzlich vorgeschriebenen Sachzwängen auf, die die Gestalt der Straßen bestimmen. Stadtplanung befindet sich seither unter dem Diktat der Verkehrsplanung. Ein­zel­ne Verkehrsteilnehmer werden möglichst von einander ge­trennt – zum gegenseitigen Schutz natürlich! Dass vor allem dem wenig ge­liebten Auto dadurch freier Spielraum im Stra­ßen­verkehr eingeräumt wird, wird unangefochten als Not­wen­digkeit hingenommen. Als Ergeb­nis haben wir heute räumlich entkoppelte, zerstreute Städte mit einem absurden Flächen­ver­brauch für Verkehrsinfrastrukturen. Funktionale, soziale und ökonomische Zusammenhänge können nicht mehr über nachbarschaftliche Nähe, son­dern nur noch über Transport hergestellt werden.

Was also liegt näher, als über eine Reintegration des Autos nachzudenken, räumlich und organisatorisch neue Raumver­bindungen mit ihm einzugehen und Schnittstellen anders zu organisieren? Beispiele dafür kommen in jüngerer Zeit aus der dicht besiedelten Randstadt in den Niederlanden. Dort hat man die Flächen für Verkehrsin­fra­struk­tur längst als räumliches Reservoir für das Ver­dichten der Städte entdeckt. Die Konzepte reichen von hybriden Gebäuden, die weder eindeutig Straße oder Gebäude sind, über das Bebauen von Ver­kehrs­inseln bis hin zu Gebäude­struk­tu­ren an Knotenpunkten mit mehrgeschossigen Ver­­kehrsinfrastrukturen. Auch hierzulande findet man Lösungsansätze für eine intensivere Nut­zung von innerstädtischen Verkehrsflächen, in­dem zum Bei­spiel deren funktionale Trennung aufgehoben und die für das Auto reservierte Flä­che re-integriert wird. Als Resultat entsteht eine öffentliche Stadtstruktur, die von Auto- und Rad­fahrern, als auch von Fußgängern gleichzeitig ver­wendet wird. Die Nutzung des Straßenraumes wurde intensiviert und steht nicht mehr unter dem Primat des Autos.

Statt Trennung geht es also um Integration von Ver­kehrs­infra­strukturen in neue Raumkonzepte, statt Freisetzung des Au­tos geht es um seine Zü­gelung, statt Zerstreuung geht es um Verdichten von Raum und Zeit. Statt Extensivierung geht es um Intensivierung von Mobilität – das technologische Nach­rüsten der Automobile mit zum Bei­spiel automatischen Ab­stand­shaltern ist ebenso zu erwarten wie intelligente Straßen mit dynamisch gesteuerten Verkehrsströmen. Für öffentliche Verkehrsmittel ist die intensivere Nutzung der benötigten Fahrt­zeiten dank Handy und Lap­top bereits seit längerem Fakt.

An den innerstädtischen Knotenpunkten der Ver­kehrswege, wie zum Beispiel der Blumau in Linz, wird die fortschreitende Zerstückelung der Stadt besonders gut sicht- und erlebbar. Die funktionale, soziale und ästhetische Verödung des öf­fent­lichen Raumes sind Folgen davon. Gerade des­halb sollten jedoch diese Orte Ausgangs­punk­te für neue, oder wiederentdeckte Strategien ei­ner sinn-vollen Gestaltung von Stadt werden, in der Fortbewegung in zusammenhängenden, neu­en, inszenierten Raumstrukturen stattfindet – Mo­­bilität kann ein Erlebnis sein.

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11/07

City Approach – Hypothetical Design, in: Appleyard, Lynch, Myer, The View from the Road. 1964

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