Aus der Ferne – Enough is enough

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Die zwei bis fünf Grad Celcius, die es in Wien immer wärmer als in Linz ist, zahlen sich besonders an schönen Oktobernachmittagen aus, an denen man also in Wien noch locker leckere tunesische Suppe im Freien löffeln kann, während man darauf wartet, Filme junger österreichischer Regisseure und Regisseurinnen zu sehen – so geschehen kürzlich und mir. Ich bin mit dem Zug angereist, weil ich es für vernünftig und entspannend halte und nicht zuletzt, weil man dabei fein nachdenken kann. Darüber zum Beispiel, was in nächster Zeit rund um das und am Gelände des Linzer Hauptbahnhofs geplant ist (Die aufmerksame Leserin bemerkt hier die feine Entwicklung von Wien über Zug zu Bahn­hof, der weniger aufmerksame sollte es spätestens jetzt merken).
Da wäre etwa das Vorhaben, ein Einkaufszentrum zu bauen, und zwar ziemlich genau am Gelände der ÖBB, dort, wo sich jetzt noch Werkstätten und Hallen befinden. Ein Gerücht – etwas, wovon man spricht, ohne Genaueres sagen zu können und zitiert werden zu wollen und trotzdem weiß „man“ schon, wer das bauen wird und in wessen Tiefgarage das Auto geparkt wird.
Eine interessante Geschichte: Die Stadt verkehrsberuhigt die Wienerstraße, wodurch die Mieten erhöht und kleine internationale Geschäfte weiter südlich gedrängt werden. Es werden Bäume ausgerissen, neue gepflanzt, Gehsteige verbreitert, eine 30er Zone eingerichtet – an die sich, mit Ver­laub, allerdings sowieso kaum jemand hält. Es wird einem also städteplanerisch der Mund wässrig gemacht und eine zum Wohnen, Flanieren und zum in Gastgärten sitzen geeignete Wienerstraße versprochen, ein Versprechen, das man dann kaltschnäuzig bricht, in dem man – weil die ÖBB nun mal blöderweise soviel Grund besitzt, den sie ob Sparmaßnahmen abstoßen muss – ein Einkaufs­zen­trum baut. Genau, weil dann können ja die Phönix-Theaterbesucherinnen und die um ihr Geschäfts­lokal gebrachten kleinen Shopbetreiber noch schnell in Geschäften einkaufen, deren Namen man wenigstens aussprechen kann und in denen es nicht gar so fremdländisch duftet. Das nun freiwerdende Gelände war schon des Öfteren Thema von Neuverbauungen, und die klügste Idee war dabei noch die Variante Musiktheater. Das wird nun allerdings auf der anderen Seite der Bahn gebaut – und weil es ja erst knapp 500 Meter weiter östlich ein Einkaufszentrum gibt, knallen wir halt jetzt dort auch eines hin. Nebenbei bemerkt kenne ich schön langsam kaum noch jemand, der genug Geld hat, um es in all den Großkaufmärkten zu lassen.
Anstatt zu überlegen, was städteplanerisch an diesem Standort wirklich Sinn machen würde: Eine Markthalle zum Beispiel, eine, in der man Obst und Gemüse vielleicht mal nicht zum Touristenpreis kaufen kann, eine Halle für einen Flohmarkt, in der sich Linzer und Linzerinnen selbst organisieren kön­nen oder eine für einen Kunstmarkt – für die vielen Linzer Künstler und Künstlerinnen. Man könn­te dort auch Theater spielen und Konzerte abhalten – wer auf dem feinen Fuckhead Konzert war, organisiert vom nicht weniger feinen Robert H., der weiß, wie gut diese Hallen dafür geeignet sind. Es gibt ungefähr 1027 Ideen, wirklich gute, wohlüberlegte und Stadtentwicklung wie Bevöl­ke­rung gleichermaßen zuträgliche Ideen, mit denen man den Platz dort bespielen könnte. Eine Idee aller­dings, die sollte man verwerfen, noch bevor sie formuliert wird: die mit dem Einkaufszentrum nämlich. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als einen weiteren städtebaulichen Kniefall vor den immergleichen Bauherren mit ihren immergleichen Investoren und Architekten.
Um wiedermal mit Tucholsky zu enden und weil es leider schon wieder so gut passt: Kultur hört dort auf, wo Bankdirektors anfangen.

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11/07

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