Entlang der Wiener Straße

Eine Wegbeschreibung.
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Am südlichen Ende der Wiener Straße liegt mittig in der Stra­ße ein Weg zwischen den Parkplätzen. Denen wird in Zukunft die dort gepflanzte Baumreihe Schatten spenden, doch dem Flaneur ist das ein schwacher Trost. Die Flaneurin bin ich auf meinem Weg in das Zentrum der Stadt. Am Wegende beinahe in der Kreuzung stehen zwei Bänke, um … mir fällt kein Grund ein, mich hier niederzulassen und so setze ich meinen Spa­zier­gang auf der Suche nach einem lauschigen Plätzchen fort, um die Schuhe auszuziehen und meine Zehen ins Gras stecken zu können. Dass sich die Straßengestaltung an parkenden (und fahrenden) Personenkraftwägen orientiert, führt die verkehrsberuhigenden Maßnahmen, dank der sich nicht mo­to­risierte Verkehrsteilnehmer nun leichter auf der breiten Fahr­­bahn von einem sichereren Teilabschnitt zum Nächsten wa­gen können, ad absurdum. Denn die Lärm- und Abgas­emis­sio­nen, die sich hier jetzt nicht weniger breitmachen, lassen den Kaffee in den Gastgärten auch nicht besser schmecken.
Dann geht es über die Unionkreuzung in den der Innenstadt am nächsten liegenden Teil der Wiener Straße. Mit einem Blick hinein in den Straßenverlauf prägen dort zwei unterschiedliche Seiten das vor mir liegende Stadtbild: Rechter­hand eine ge­­wachsene Blockrandbebauung mit der charakteristisch für den Einzelhandel genutzten Erdgeschosszone, wie man sie auch in der hinter mir liegenden Strecke hinaus bis zum Bul­ga­ri­platz findet. Links davon das Werkstättengelände der Ös­ter­rei­chischen Bundesbahnen. Dieses Areal, das von einer Häu­ser­zeile an der Wiener Straße teilweise begrenzt wird, ist ein ty­pi­­sches Industriegebiet, das vom ursprüngli­chen Rand der Stadt über die Zeit hinweg durch Wachstum, Ein­gemein­dun­gen und Ausdehnung beinahe in die Mitte der Stadt gerückt ist. Was diese unterschiedlichen Straßenseiten gemeinsam ha­ben, ist die Tatsache, dass viele der Räume in den Ge­bäu­den leer stehen, mit dem noch ungenutzten Poten­tial ihrer Gestal­tung.
Eine einsame Videowall an der Unionkreuzung hinter mir lassend, ist das Fastfood Lokal an der Ecke der nächste markante Eindruck auf meinem Weg in Richtung Zentrum. Hier trifft sich die jugendliche Szene des Viertels auf Pommes, Co­la und Doughnuts. Ein Orientierungspunkt in der Gegend; ein wiedererkennbarer Ort inmitten von neu eröffneten und bald darauf wieder verschwindenden Wettcafes und Telefonshops. Genau das aber, die bunte Mischung an Geschäften, ausländischen Lebensmittelläden, Internetcafes mit integrierten Greiß­lern und alteingesessenen Gasthäusern, sie prägen tatsächlich das vielschichtige Flair der Wiener Straße.
Beim „Theater Phönix“ nebenan, am erweiterten Bürger­steig, der so etwas wie einen kleinen Vorplatz vor dem Lokal der be­kanntesten kulturellen Einrichtung südlich der Bahn­tras­se formt, stehen so viel Autos wie Bäume im Wald … nein, falsche Szene; aber auch hier nehmen im Gastgarten sitzenden Besucher des Theaters in Kauf, was nicht zu ändern scheint, denn der Verkehr ist an der Einfahrtsstraße in die In­nen­stadt nun mal Hauptprotagonist.
Einige Schritte weiter wird der Gehsteig wieder schmäler, die Autos schneller und die Geschäftslokale leerer. Die alten Bäu­me, die hier am Straßenrand stehen, machen den Ort tagsüber zu einem angenehmen Passierweg, abends jedoch fehlt es an ausreichender Beleuchtung, unter deren Schein man sich als einsamer Passant sicher fühlen kann. Die Straße teilt sich und driftet neben mir ab, hinein in ein Loch unter dem Bahndamm, um auf der anderen Seite in den Blumauer­platz zu münden. Ich nehme die Nebenfahrbahn bis zur Unter­füh­rung. Wenn es neben mir zu tosen beginnt, werden meine Schrit­te von alleine schneller und es geht abwärts über die Treppen in den Fußgängerdurchgang neben der Fahrbahn. Die erhöhte Trasse, die an dieser Stelle das Ende der Wiener Straße und von der anderen Seite auch das des Innenstadt­zen­trums markiert, war schon seit jeher die einschneidendste Barriere zwischen den Stadtteilen nördlich und südlich der Bahn. Die derzeitigen Perforierungen dieses Walls ringen ihm weit nicht das ab, was er ertragen würde, alles andere was mit ihm passieren könnte, spielt sich nur in unseren Köpfen ab. Doch hier, in einem seiner Durchbrüche, bleibt es bei Graf­fitis und Plakaten an den Pfeilern der Unterführung.
Heraus aus dem Tunnel und dem „Backstage“-Bereich der Stadt, steigt die Straße etwas an und hebt meinen Blick. Bag­ger reißen den Asphalt des „Stadt-Theaters“ für die nächste Baustelle der Kultur auf. Der Wall mimt zusammen mit den drei Türmen des Bahnhofsviertels, der ÖBB Direktion, dem Volks­garten und dem bereits im Bau stehenden sechsspurige Ausläufer des geplanten Westrings eine Kulisse. Alles reiht sich kreisförmig um den Platz, der vom Verkehr bestimmt ist. Noch auf der anderen Seite der Straße schlendere ich, in Ge­danken an die zukünftige Szenerie des Ortes, meinem Ziel ent­gegen, einem Stückchen Wiese im Volksgarten, der dem Nach­barviertel als Grünraum dient – dort wo sich auch der geplante Haupteingang eben dieses nächsten Linzer Kultur­wahr­zei­chens befinden wird. Das Hupen der Autos reißt mich aus mei­nen Gedanken. Gerade noch Zuschauerin der Szene wer­de ich zur Akteurin … und überquere die Straße.

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11/07
FotoautorInnen: 
Arbeitsgruppe Nach_wie_Vor_Linz 07

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