So ein Theater Die Anbindung der Wienerstraße an das Zentrum von Linz
Keine andere Straße, eine der längsten von Linz übrigens, wird einen derart komplexen Anknüpfungspunkt an das Stadtzentrum von Linz haben wie die Wienerstraße. Die bisherige Situation an der Blumau mit einer endenden Einkaufstraße, einer Krankenhauszufahrt, mehreren Bushaltestellen, der Einmündung in eine Unterführung und einer Straßenbahnhaltestelle ließ neben der Bezeichnung Verkehrsknoten kaum mehr Raum für weitere Qualitäten, wird aber jetzt an Komplexität noch übertroffen durch den Neubau des Musiktheaters, die Anbindung an den zukünftigen Westring, die Erweiterung des Gleiskörpers der Westbahnstrecke und die Anbindung einer Notausfahrt für die Garage des Landesdienstleistungszentrum. All dies wird auf der dem Zentrum abgewandten Hinterseite des neuen Musiktheaters zwischen Bahndamm und Theaterrückseite stattfinden.
Die städtebauliche Platzierung des Musiktheaters mitten auf der Achse der Landstraße schneidet nun endgültig die Verbindung zur Wienerstraße ab. Von nun an wird man aus der Blumau-Unterführung kommend nicht mehr in Sichtverbindung mit der Landstraße treten können.
Im Sinne einer verkehrstechnischen Vernetzung einzelner Stadtteile, bei der auch Blickachsen von Bedeutung sind, setzt die städtebauliche Lösung, die das neue Musiktheater mit sich bringt, einen Schlusspunkt am Ende der Landstraße. Nur nebenbei, hier wird nicht gegen das Projekt Pawsons gewettert, denn jedes andere Projekt des Musiktheaterwettbewerbs hätte angesichts der Bedingungen, die die Westumfahrung mit sich bringt, ebenfalls einen dicken fußgängerfeindlichen Verkehrsknoten am Nebeneingang zum Musiktheater provoziert, der die Verbindung Landstraße – Wienerstraße blockiert. Die Jury entschied sich mit diesem Projekt dafür, die Landstraße als stark frequentierte Linzer Einkaufstraße am Ort des Neubaus würdig enden zu lassen. Eine Verlängerung der großen Einkaufstraße hätte eventuell durch eine andere Standortwahl für das Musiktheater etwa am Bulgariplatz positiv beeinflusst werden können. So ist jedenfalls der Zentrumskern entlang seiner Hauptachse (Landstraße) klar definiert. Hinter dem Gleiskörper wird sich ein eigener Stadtteil entwickeln, der mit dem, was auf der Landstraße geschieht, nur wenig zu tun hat.
Die städtebauliche Situation, die dabei ist, sich hier zu etablieren, kann mit der Situation an der Donau verglichen werden, wo zwei Stadtteile durch ein Hindernis, die Donau, getrennt werden. An der Blumau ist es ein Hindernis von Menschenhand, der Gleiskörper, der die Stadt zerschneidet. Dieser wird durch den Bau des Westrings und den Ausbau der Westbahnstrecke noch breiter, also noch einschneidender. Brücken über die Donau verbinden Urfahr mit Linz und am Gleiskörper der Westbahn verbinden Unterführungen die unterschiedlichen Teile der Stadt. An den Rändern der Barriere – dort schwer bebaubar aufgrund des Hochwasserschutzes, hier wegen Erschütterung, Lärm und Elektrosmog – kulminiert die Stadt. Am Gleiskörper ist dies gut an der Höhenentwicklung (Power Tower, ÖBB Turm am Bahnhof, Wissensturm) nachzuvollziehen. Hier werden urbane Potentiale aufgestaut und evozieren aufgrund grundlegender immanenter Eigenschaften der Barriere spannende räumliche und programmatische Situationen. Dies erklärt vielleicht auch das häufige Vorkommen von Kulturbauten an den Barrieren (Lentos, AEC, Brucknerhaus, Musiktheater, Posthof, ORF Landesstudio OÖ), da diese programmatischen Ausnahmen in der Stadt eben auf solchen Ausnahmeflächen leichter zu realisieren sind, als beispielsweise Wohnbau. Eine besondere Qualität der linearen Barrieren stellen die sich bietenden Achsen und Ausblicke dar, die durch das Ausbleiben urbaner Struktur innerhalb der Schwelle entstehen.
Ähnlich einer mittelalterlichen Stadtmauer, die zwangsweise zu einer Verdichtung innerhalb führt, haben die Barrieren Donau und Bahntrasse in städtebaulicher Hinsicht disziplinierenden Charakter. Sie auferlegen der Stadt ein Ordnungssystem – und das ist gut so. Diese linearen Brüche im Stadtgefüge definieren auf subtile Weise das Erscheinungsbild weit entfernter Stadtteile durch die Vorgabe grundsätzlicher Linien. Ebenso wie an die Topographie werden Verkehrssysteme und Infrastruktur an diesen Hauptrichtungen ausgerichtet.
Eine Homogenisierung der Stadt wird durch diese Grenzkörper vermieden. Im Sinne einer vielfältigen Stadtgestalt, bei der einzelnen Stadteile mit unterschiedlichem Charakter wahrnehmbar sind, kann dies nur begrüßt werden.
Nichtsdestotrotz sollte darauf geachtet werden, dass die unterschiedlichen Viertel miteinander in Kommunikation treten können. An den Verbindungsstellen treten naturgemäß starke Personenströme auf, da sich das Verkehrsaufkommen aus der Fläche auf den Verbindungsstrang zusammendrängen muss. Deshalb ist die Gestaltung dieser Stränge von großer Bedeutung, wobei nicht nur die Querschnittsfläche für das Funktionieren in urbanen Zusammenhängen, im Gegensatz zu einer rein verkehrstechnischen Betrachtung, von Bedeutung ist: Wesentlich für die Verbindung zweier Stadtteile ist die Qualität der fußläufigen Wege, die diese verbinden, denn durch sie wird direkte Kontaktaufnahme gewährleistet, während der motorisierte Verkehr längerer Distanzen bedarf und deshalb eher dem Hinterland dient. Bis jetzt ist die Qualität der fußläufigen Verbindung an der Blumau jedoch für den Passanten eher abschreckend. Die Unterführung wird als kurze Stollenpassage in der Stadt wahrgenommen, deshalb ist die fußläufige Frequenz an diesem stark verkehrskontaminierten Strang, in dem Autos und Fußgänger in einem zusammenhängenden Raum unterirdisch geführt werden, zu gering.
Die Verlegung der Straßenbahntrasse unter dem Bahnhofsareal hindurch gab zwei zusätzliche Fahrbahnspuren in der Unterführung frei. Diese wurden sofort dem motorisierten Individualverkehr zugeschlagen. Die Ausnahmesituation einer Baustelle verbunden mit der Sperrung von zwei Fahrspuren und der störungsfreie Betrieb dabei bestätigen die Annahme, dass eine Spurreduktion möglich und verkehrstechnisch auch durchführbar ist – und damit zu einer größeren Attraktivität der fußläufigen Unterquerung der Bahntrasse beitragen kann. Gelingt es, das gewonnene Volumen mit zusätzlichen Funktionen aus der Programmatik der angrenzenden Umgebung zu belegen, so wird dies zu einer höheren Fußgängerfrequenz führen. Auf diese Weise würde die Wienerstraße tatsächlich bis an das Musiktheater heranreichen und nicht wie jetzt an der Kreuzung zur Anzengruberstraße zum Niemandsland verkommen.
Verschiedene Querschnittsmodelle zeigen die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Belegung mit fußläufig erschlossenen Funktionen im bestehenden Querschnitt bei einer Reduktion der Fahrbahnen. Denkt man an den Aufwand, der in der Stadt im Zuge von Untertunnelungen unternommen wird, so sollte man auch die Möglichkeit einer großflächigen Ausweitung unter dem Gleiskörper in Betracht ziehen. Hierbei könnte es gelingen, die Wahrnehmung der Unterführung als Gebäude zu etablieren, welches man bei der Verbindung durchschreitet – „ein Durchhaus“. Die dafür vorzusehenden Programmatiken zur Füllung des gewonnenen Volumens unter schwierigen Bedingungen – immerhin fährt da oben der Zug drüber – werden uns z.B. an den S-Bahnbögen des Wiener Gürtels vorexerziert. (Jugendsubkultur, Gastronomie, Gewerbe).
Weiters könnte ein Volumen über der Bahntrasse für eine Frequenzanhebung sorgen – eine Möglichkeit, die sehr interessante Blicke auf die Stadt erschließen würde.
Eine Kombination aus unterirdischer Erweiterung zu einem Gebäude und Überbauung des Gleiskörpers würde an der Theaterrückseite einen echten Anziehungspunkt für Ströme aus der Wienerstraße generieren. Hier würde auch auf der anderen Bahnseite die Stauung der urbanen Masse und deren Anhäufung in einer großen Struktur stattfinden. Dies könnte unter Einbeziehung des Gebäudes der Spardabank geschehen – die Anbindung an bestehende urbane Strukturen ist komplex und führt zu interessanten Räumen, wobei auf eine räumliche Trennung zum motorisierten Verkehr unbedingt geachtet werden sollte.
Ein weiteres Szenario der Querschnittveränderung sieht den Ausschluss des motorisierten Verkehrs in der Unterführung vor, somit würde eine Fußgängerzone vom neuen Musiktheater zur Wienerstraße Richtung Unionkreuzung führen. Diese Variante müsste von Verkehrsplanern im Detail überprüft werden, birgt jedoch großen gestalterischen Spielraum für eine Neuinterpretation der gesamten Wienerstraße bis zum Bulgariplatz.
Alle kommenden Entwicklungen an der Blumau haben das Potential, am Ort einen hochfrequenten Knotenpunkt zweier vernetzter, vielfältiger Stadtteile entstehen zu lassen. Nun gilt es, unter dem Aspekt einer gesamtheitlichen Stadtentwicklung, die Maßnahmen der Verkehrsplanung hinter eine städtebaulich sinnvollen Vernetzung zu stellen. So könnte aus einer Neuinterpretation einer vertrackten Verkehrssituation die Chance entstehen, der Stadt mehr Profil im Sinne multipler Stadtprogrammatik zu verleihen.
Oben: Ausbau der fußläufigen Unterführung zu Gebäude Mitte: Ausbau der fußläufigen Unterführung mit Teilüberbauung des Gleiskörpers Unten: Ausbau der fußläufigen Unterführung mit Überbauung des Gleiskörpers
Entwicklungsszenario Unterführung Adaptierung im bestehenden Querschnitt
Entwicklungsszenario Aufweitung der Unterführung Richtung Bahnhof
Entwicklungsszenario Erweiterung und Neuerrichtung des Bahndammes Richtung Osten – Erweiterungsfläche unter dem Gleiskörper
Querschnitt Bestand
EinbahnStadtauswärts
Keine Straße
Spurreduktion beidseitig (Profil Einmündung Unionstr.), Erweiterung des Querschnittvolumens unter dem Bahndamm
Austausch Fahrbahn, Fußgänger Anschlüsse im Grundriss verändert, bauliche Veränderung Brückenstatik
Spurreduktion einseitig: Gebäudeeinbau in der Unterführung, Passage
Spurreduktion beidseitig (Profil Einmündung Unionstr.), Gebäudeeinbau zweiseitig (Passage)
Spurreduktion (Baustellenszenario) Gebäudeeinbau einseitig
Spurreduktion einseitig: Gebäudeeinbau in der Unterführung, Passage, Überbauung
Spurreduktion beidseitig Gebäudeeinbau zweiseitig, Überbauung
& Drupal
spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014