Die ideale Reisegeschwindigkeit ist zu Fuss
Ob mit dem Hausboot unterwegs in Irland, ob schlendernd zum Linzer Hauptbahnhof, weil das Büro und der verhasste Chef ohnehin noch warten können und es wichtigeres im Leben gibt, oder auf einem Wochenendausflug am Gemüsemarkt in der österreichischen Provinz – der Linzer Autor Christian Krall lädt in seinem neuen Buch „Apriljahrsbucht 2: Erstens muss der Zeltplatz sicher sein“ den Leser mit einer Vielzahl von Bildern, Sprach/Erzählstilen zu einer berührenden und sehr poetischen Zeitreise ein.
Man muss wahrlich Zeit haben und eine Ahnung für die Richtigkeit des Satzes „die ideale Reisegeschwindigkeit ist zu Fuß“, um seinen Wahrnehmungen und Reflexionen folgen zu können. Dann jedoch erschließt sich sehr bald ein reichhaltiger Schatz. Die vielschichtigen Bilder wirken nach und tragen etwas Bleibendes in sich, obwohl sie so unaufdringlich daherkommen. Verpackung (Sprache) und Inhalt bilden eine Einheit. Die Relationen, weil in sich stimmig und fern der kollektiven ‚Casting‘- und Scheinwelthysterie bringen Kunst in ihrer ureigensten Form zum Ausdruck: Anregend, berührend und beseelt.
Gleich im ersten Satz des Buches macht er uns neugierig mit seiner engen Verknüpfung von Innen- und Außenwelt und einer beeindruckenden Sprachgewalt. „Ich hatte viel lieber Lust, hinaus über die Straße ins Pub zu gehen. Oder durch den irischen Regen hinunter an den riesigen nassen Strand. Aufstehen, hinausgehen. Den Blick durch die viele große Luft links und rechts mit den Farben der bunt gestrichenen Häuser herum spielen lassen ...“ Das Buch hat seine großen Stärken vor allem dort, wenn fast nebenbei (es ereignet sich scheinbar gerade nichts wirklich Aufregendes, die Vermittlung wird dabei eher in einer Art Telegrammstil gehalten) plötzlich eine unvergleichbare Verdichtung stattfindet. „... – die Nacht vor der raumhohen, zimmerbreiten Fensterglaswand schweigsam wie ein Tiefseeaquarium, die Lichter der Stadt, Leuchtfische in ihrem schwebenden Schlaf ...//“
Bemerkenswert sind auch seine behutsamen Annäherungen an die wundersame, mystische Welt der grünen Insel. Für einen Touristen immer nur ansatzweise zugänglich, ob es nun der rätselhafte Unterschied zwischen Restaurant, Bar, Lounge und Coffeshops ist oder ob es sich um praktische Einrichtungen des Alltags wie einen Wasserhahn handelt. Die unterschiedlichen Zugänge dürfen in ihrer Rätselhaftigkeit bestehen bleiben und werden als Bereicherung für den eigenen Blickwinkel wahrgenommen. Gelegentlich fällt es dem Autor aber auch schwer, Abstand zu halten, er will eingreifen – vor allem, wenn es darum geht, Kunst, die nur museal oder dekorativ verwendet wird, in ein anderes Licht zu rücken. Bei einer Bed&Breakfast -Wirtin fallen ihm alte Bände von Dickens auf, die sichtbar zweckentfremdet herumstehen und er „alle moralischen Kräfte“ (wie er es nennt) bündeln muss um nicht eines mitzunehmen und dem eigentlichen Verwendungszweck zuzuführen. Sein Sohn Mr. Mic/ehemals Mikki meinte schon vorher: „Die Bücher da auch zur Hand und unter die Augen zur Lese zu nehmen, sei – wie im B&B Haus mit einem der Porzellanschwäne zu spielen, die zu Hunderten dort Regale, Simse und Wände zieren“. Und ein paar Zeilen weiter oben heißt es „Aber das ist mancherorts manchmal bekanntlich Kultur > wir alle, zugegeben, nippen daran.“
„Ergründe es nicht! Geh deine Ansichtskarten holen, mehr ist es ja nicht. Stell dich am Postschalter hinter dem elegant durchhängenden Kordelzaun an und genieße die amtliche Ruhe. Gewöhne dich dran, dass es immer zwei Wasserhähne im Waschbecken gibt, einen für kalt und einen für warm. Ergründe es nicht. Nimm die größere Seele, nicht die kleine.“
Es ist auch die liebenswerte Ironie zwischen den Zeilen, die das Lesen zu einem wirklichen Hochgenuss machen. Alles in allem ein sehr gelungenes Buch, das von seinen Lesern bestimmt gefunden wird und sie gespannt auf eine Fortsetzung (Apriljahrsbucht 3 ist im Entstehen) warten lässt.
Christian Krall-Wartlsteiner: Apriljahrsbucht 2: Erstens muss der Zeltplatz sicher sein
Passagen Verlag, 2007
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