Ist Linz subversiv?

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Im Oktober wurde von Linz 09 das Programmbuch 1/3 präsentiert. Es wurde damit „eine erste Vorschau auf 88 bereits feststehende Programmpunkte im kommenden Jahr sowie im Kultur­hauptstadtjahr“ gegeben. spotsZ hat eines der 88 Projekte ausgewählt und befragt Harald Schmutzhard und Barbara Pitschmann von Social Impact über die „Subversivmesse“ – und über Subversion und Macht.

Kannst du über die Definition von Subversion et­was sagen, über euer Selbstverständnis, bzw. auch über konkrete Programmpunkte, die geplant sind?
HS: Wir verwenden eine positive Definition von Sub­version. Als Mittel, die hegemoniale Macht zu hin­terfragen, geht es um eine produktive Auswei­tung von Grenzen, um neue Aktionsfelder.
Es geht darum, eine Arbeitsweise zu propagieren, die aus dem Selbstverständnis von Social Impact heraus demokratisch wie emanzipatorisch ist. Einer unserer Wunschkandidaten für die Messe sind „The Yes Men“, die durch so genannte Imper­so­nifikationen interessante Ergebnisse erzielen. Sie haben etwa in Neu Delhi eine Presse­kon­fe­renz als Vertreter von Coca Cola abgehalten, wo sie verlautbart haben, dass der Konzern eine Mil­lion Dollar an Entschädigung für Grundwasser­ver­­schmutzung zahlt. Coca Cola hat dann tatsäch­lich eine Summe gezahlt – um negatives Image ab­zuwenden. „The Yes Men“ arbeiten immer mit sehr professionellen Inszenierungen, sei es als Pro­­duktvertreter für „Manager Rescue Systeme“ oder als Vertreter der Nationalen Energie Agen­tur, die Methoden verlautbaren lässt, wie man aus menschlichen Körpern Energie erzeugen kann. Da­rüber hinaus wird bei der Messe aber auch der klassische Hacker vertreten sein oder diverse Tools von programmierbaren sms-Sprayern oder Mo­dedesign zur schnellen Vermummung.

Wie seht ihr das Verhältnis Subversion und Macht, bzw. wo sind die Grenzen des Formates „Subver­siv­messe“.
HS: Machtverhältnisse werden erst durch Grenz­über­schreitung sichtbar gemacht. Subversion un­ter­läuft diese Machtfelder und stellt eine Gegen­stra­tegie zu Handlungseinschränkungen dar. Vie­les läuft oft abseits der herkömmlichen Normie­run­­gen, z.B. Überwachung und Zurückdrängung der Privatheit seit 2001. Und Subversion ist si­cher nicht allgemeingültig … Aber es gibt in un­ter­­schiedlichen Bereichen unausgesprochene Gül­­tig­­keits­regeln, die oft von jemand anderem einsuggeriert sind – und genau da ist Subversion ein wichtiges Instrument. Subversion bietet keine neu­­en ei­genen Strukturen und will kein neues Sys­tem ins­titutionalisieren, sondern sorgt in gewisser Wei­se für eine Pluralisierung von Gegen­ge­wal­­ten.

Subversivität und Messe scheinen ein Wider­spruch zu sein. Das Verborgene, das Untergraben von Macht­­strukturen – wird das nicht plötzlich ganz nett öffentlich zu konsumieren sein?
BP: Wenn ich von der rein destruktiven Auf­fas­sung von Subversion ausgehe, also der „umstürzlerischen Tätigkeit im Verborgenen“, dem Verrat, dann ist das tatsächlich ein Widerspruch, denn eine Messe macht öffentlich. Dadurch, dass die Sub­version aber mittlerweile (vor allem durch poststrukturalistische Ansätze) eine positive Auf­wertung erfahren hat und die Kraft zugesprochen bekam, unter anderem für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung sorgen zu können, dass Ge­gen­kultur durch Subversion entsteht, ist es wichtig und spannend, ausgesuchte Praxen einen brei­tem Publikum auf eine niederschwellige Art und Weise zugänglich zu machen. Außerdem ist der Plan, dass im Rahmen der DIY Workshops und Worklabs, die wir auch anbieten werden, nicht nur nett konsumiert, sondern fleißig angeeignet und „selbstermächtigt“ wird.

HS: Subversion ist für mich ein positives Ins­tru­ment der Umwertung. Es ist wichtig, aufzuzeigen, dass subversive Methoden notwendig sind und in der Praxis funktionieren. Wir nützen das Mes­se­format durch das Anbieten von Leistungen und die Möglichkeit, Produkte zu erwerben auf subversive Weise, weil wir gerade dadurch eine neue Linie in das Konsumverhalten einschleusen. Das hat eine andere Relevanz als eine Ausstellung et­wa, befindet sich an einer Schnittstelle von Kunst und Alltag und ist überdies kommunikativer. Die Messe wird neben der klassischen Produkt­prä­sen­tation Vorträge und verschiedene Methoden und Strategien der Subversion präsentieren. Das ist alles im Sinne eines Selbstverständnisses der eigenen Praxis, der Weiterbildung und langfristiger internationaler Vernetzung.

Mir ist auf eurer Homepage eine Formulierung auf­gefallen, nämlich dass sich Social Impact mit der „Entwicklung von Narrationen“ befasst. Das fand ich lustig, weil das Programmbuch von Linz 09 auch eine Strategie des „Geschichtenerzählens über Linz“ verfolgt wird. Ich nehme an, dass sich die Art des Geschichtenerzählens unterscheidet.
HS: Es geht bei Social Impact um keine Ge­schich­te an sich, sondern um das Entwickeln bildhafter Illus­trationen, Sichtbarmachungen sozialer Kon­­fli­k­te und von Bildentwürfen zu verschiedenen Ver­­­hal­tensmethoden. Etwa, wenn beim Projekt „bor­­der rescue“ Karten mit recherchierten, sicheren Fluchtrouten über die Grenzen gemacht wurden („illegale Einwanderung“, Anm.), und damit illustriert wird, was ist, wenn das wirklich ge­macht wird oder von mehreren Personen ge­macht wird. Es geht darum, eine andere Narration aufzuzeigen, die auch möglich wären – aus einem Be­­­wusst­sein heraus, die Umwelt beeinflussen zu kön­nen, Gesellschaft mitzugestalten. Sonst gäbe es ja nur Verdrängung und Rosamunde Pilcher.

Im Kapitel des Programmbuches von Linz 09, bei „Linz Macht“, wo auch die Subversivmesse beigeordnet ist, ist u.a. zu lesen „Warum die Konfron­ta­tion suchen, wenn die Umarmung auch gelingt?“ Lassen sich subversive Strategien nicht auch durch ein Megafestival umarmen, sozusagen als kleines Schmuckstück des Untergrunds?
HS: Das betrifft eine Feigenblattdiskussion, die ich nicht nur bei 09, sondern ganz allgemein se­he; und auch speziell, was die Rolle von Social Impact innerhalb der Kunst anbelangt. Mein An­satz ist: Veränderung des Environments ist machbar. Eine Umarmung durch 09 sehe ich darin, wie Projekte nach außen kommuniziert werden, zum Teil in Form von Werbetexten. Dass sich da die In­tentionen von Linz 09 nicht unbedingt mit den Intentionen der Kunst- und Kulturschaffenden dec­ken, darin liegt das Problem. Das sind schwierige Prozesse. Der Präsentationstext zu „Kommen und Gehen“ etwa entspricht gar nicht dem, was die Intention des Projektes ist: Durch die Ge­stal­tung von Ortstafeln soll auf Themen der Vielfalt der kulturellen Identitäten innerhalb einer Stadt hingewiesen werden. Dass dann Begriffe wie „das kultivierte Europa“ auftauchen, gefällt mir nicht.

BP: Das betrifft auch die Vereinnahmung vom „Chic des Subversiven“ die du ansprichst. Also wenn z.B. Adbusting Aktionen von der kommerziellen Werbung übernommen werden, oder Mo­de­labels ihre Kollektionen in Form einer gefakten Demo präsentieren, dann ist das eben die falsche Seite, die sich diese Taktiken aneignet. Ich find das aber nicht weiter tragisch, es zeigt eher, wie wirksam und spannend diese Taktiken sind – und daher müssen subversive Strategien immer wieder überdacht und neu erfunden werden. Das mit der Umarmung sehe ich eigentlich umgekehrt, denn durch die Institution Messe geben wir der Weitergabe von Wissen, das zum Teil in den Grau­bereich der Legalität fällt, den nötigen Deckman­tel, z.B. jenen der Kunst. So wurde etwa das Pre­kär Camp (D), das in einem explizit politischen Rahmen passierte und bei dem unter anderem ein Nähworkshop von der Gruppe „Yomango“ statt­finden sollte (bei dem z.B. Taschen mit Zusatz­features zum „Fladern“ genäht werden), bereits im Vorfeld verboten, sämtliche Computer und Ma­terialien wurden beschlagnahmt. Wenn ein derartiger Kurs im Kontext „Kunst“ passiert, würde sich die Polizei diesbezüglich schon schwerer tun.

Könnt ihr zur finanziellen Situation von Social Im­pact was sagen? Ich habe den Eindruck, dass es noch vor kurzer Zeit diesbezüglich sehr schlecht bei euch ausgesehen hat und dass drei Projekte bei Linz 09 eine Wertschätzung bedeuten, die sich längerfristig finanziell positiv niederschlagen wird können?
HS: Social Impact hatte 2005 einen Höhepunkt in den Aktivitäten, 18 Ausstellungen, bzw. Ausstel­lungs­beteiligungen und fünf Projekte über das Jahr, was zum Teil auf eine gute Repräsentation in Graz 2003 zurückging. Demgegenüber stand eine miserable Förderung seitens der öffentli­chen Hand. 2000 bis 3000 Euro Jahressubvention von Stadt und Land bei einem Jahresbudget von EUR 80.000,- bedeuteten, dass ich 2006 fast zu­sperren konnte – und dass Social Impact lange Zeit nur ehrenamtlich durch mich vertreten war. Linz 09 war insofern ein Glücksfall, als dass wir Mitte 2006 in einer Situation des Sein-oder-Nicht-Seins 25 Ideen abgeliefert haben. Vier dieser Ide­en sind Anfang dieses Jahres ins Vorprojekt­sta­dium gekommen und drei wurden genommen. Das bedeutet, dass es für jedes Projekt eine Pro­jektleitung gibt und dass im Bedarfsfall aufgestockt wird.
Was das für die Zukunft für Social Impact bringen wird, wird sich zeigen. Ich denke auch, dass das jetzt einmal ein positiver Schub ist – anderer­seits sind wir mit unseren Projekten schon so was wie Nestbeschmutzer, weil wir etwa mit dem Grenzprojekt „border rescue“ oder mit „Austria. Waits for You!“ tatsächlich Politikern, der Politik auf die Zehen steigen.

Ist Linz schön?
HS: Muss ich darauf antworten?
BP: Ja, Linz ist schön, ungefähr 2 mal so schön wie Scharnstein, würd ich mal sagen.
HS: Linz war als dreckige Industriestadt viel schöner als das, was man jetzt „geschleckt“ als Fas­sade er­richten will.

Viel mehr Informationen zum Programmbuch und zu Linz 09: www.linz09.at

Social Impact
Als Transfer zwischen Kunst und Sozialem, so könnte man das Tätigkeitsfeld von Social Impact in aller Kürze abstecken. Um gesellschaftliche Verantwortung von Kunst und gesellschaftspolitische Relevanzen wechselseitig in einen Diskurs zu verfrachten, werden bei Social Impact Nar­rati­onen entwickelt, „bildhafte Illustrationen, die bestimmte In­halte oder Themen sichtbar machen“. Dabei wird auf wis­senschaftliche und künstlerische Recherche- und Ana­lysetechniken zurückgegriffen. Es werden jene Medien aus­­gewählt, die für den jeweiligen Prozess die größtmöglichen Effizienz versprechen, z.B. Web, Aktionen, Insze­nie­rungen, performative Praxen, partizipative Prozesse, Vor­träge. Die Fülle an bereits verwendeten Medien reicht von Flugblättern bis bedruckten Plastiktaschen, von Kinower­bespots und Videoinstallationen bis zu großformatigen Foto­grafien oder einer Kollektion von Sommerbekleidung. Ganz neu startet mit Anfang Dezember auf www.nohoney.at eine Vertriebsplattform für junge KünstlerInnen. An­ge­bo­ten werden Kunstobjekte und Kleinserien die sich mit Linz, Heimat, Identität und regionalen „Besonderheiten“ auseinandersetzen. Jeden Monat erscheint ein neuer Ar­tikel – von Bekleidung über Schmuck, von grafischen Ar­beiten bis zu Gimmicks mit Hintergedanken.    •
www.social-impact.at

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12/07
FotoautorInnen: 
Social Impact

Linz09 – Der Partyplopper, ©Terri Frühling

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