Aus der Ferne – Getrennt oder zusammen?

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Der oben angeführte Titel ist ein Satz, den ich in letzter Zeit häufig höre, wenn ich mit dem Zwölf­jäh­ri­gen Essen gehe und mit meinem Portemonnaie in der Hand der Rechnung harre. Zuletzt im Buf­fet eines Linzer Hallenbades. Da quittierte ich die Frage – einfach, weil es mittlerweile nervt – mit der Antwort: „Der Bub da zahlt selber, wenn er nicht genug Geld dabei hat, schicken’s ihn in die Kü­che zum Ab­wa­schen.“ Der Zwölfjährige in seiner Badehose und dem Handtuch um die Schultern blickt mich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Abscheu in den Augen an – schwupp! – wieder eine Rate auf dem Spar­buch, das er bei Volljährigkeit und zum Zweck einer guten, teuren The­ra­pie übertragen bekommt. Die Kellnerin – könnte auch schon meine Tochter sein – blickt mich eben­falls an, als hätte ich den Verstand verloren, da aber frage ich: „Und wieso kommen sie überhaupt auf die Idee, mich zu fragen, ob ich für die Konsumation meines Sohnes aufkomme? Warum sollte ich das nicht tun?“ Bitte, Gastro­nomieverantwortliche, erklärt mir, warum ich in letzter Zeit so häufig gefragt werde, ob ich das Essen meines Sohnes mitzahle. Ja, ich tue es, und zwar tue ich das noch solange er mit mir und nicht mit seinen Freunden unterwegs ist – können wir uns darauf einigen? Vielen Dank. Bei der Gelegenheit: die eng­li­sche Übersetzung der in gastronomischem Zu­sam­menhang gestellten Frage „Getrennt oder zusammen?“ ist nicht und ich betone nochmals – ist NICHT – apart or together? Eigentlich gibt es gar keine gute und richtige Übersetzung, unter anderem deshalb, weil es in vielen Ländern außerhalb Öster­reichs üblich ist, sowieso alles zusammen zu zahlen und sich die Rechnung dann mal zu teilen oder halt das nächste Mal oder was auch immer. Österreich aber ist ein Land, dessen Gesellschaft und politisch Verantwortliche auf die beiden Wör­ter „getrennt“ oder „zusammen“ irgendwie abfahren. Und solange man in der Position ist, noch ge­fragt zu werden, ist man in der wirklich guten Position. Eine Mutter, die zufällig so alt ist wie ich und deren jüngsten Sohn, der zufällig so alt ist wie der Zwölfjährige und die beide, Mutter und Sohn, zu­fällig nicht in Österreich geboren wurden, hat man nämlich nicht gefragt. Da war klar, dass getrennt wird, klar für jene, die die Mutter in einer Pressekonferenz publikums- und quotenträchtig auf eine Bühne zerrten und klar für jene, die draußen darauf warteten, die Mutter festzunehmen. Die Psycho­therapie für den Jungen und für die Mutter zahlt hier wohl niemand, im Gegenteil mutet man der Mut­ter zu, in ein Land zu einem Mann zurückzufahren, der sie nachweislich misshandelt hat.

„Sie holen wieder Menschen ab“ – so meine Mutter kürzlich, die sich noch gut daran erinnern kann, wie das ist, wenn man abgeholt wird. Und ich bin zum ersten Mal froh, dass meine Großmutter nicht mehr lebt – die als Alleinerzieherin und Feindsenderhörerin auch genau wusste, wie das ist, wenn man ab­ge­holt wird – und die solche Szenen nicht hätte miterleben dürfen. Wer meint, solche Verglei­che sei­en an den Haaren herbeigezogen, der irrt gewaltig. Eine gute Mutter zu sein, noch dazu eine, die in ers­ter Li­nie auf sich selbst gestellt ist, beim Geldverdienen und Kindererziehen, das war nie und zu keiner Zeit einfach (unter anderem deshalb, weil stets Männer die Vorgaben gemacht haben, was „eine gute Mut­ter zu sein“ bedeutete). Eine, die eine gute Mutter sein will, und die sich und ihre Kinder deshalb ver­steckt hält, dafür zu bestrafen, ist so dermaßen unmenschlich, dass einen die Vor­stellungskraft dafür verlässt.

Als zumindest in frühen Jahren katholisch sozialisierter Mensch möchte man da doch gleich mit Schlag­wörtern wie christlich-sozial! oder Menschlichkeit! oder Weihnachten! kommen, aber mit welchen Problemen diese Fraktion beschäftigt ist, weiß ich auch seit kurzem: Im „Krippenshop“ auf dem Weihnachtsmarkt im Volksgarten nämlich kann man, gleich nachdem man die „Krippenshow“ (Blitze, Donner, Carmina Burana und eine Stimme, die von einer Geschichte erzählt, die vor 2007 Jahren stattfand) mit offenem Mund begleitete, unter anderem Folgendes in der Abteilung „Krippen­zubehör“ kaufen: ein etwa zwanzig Zentimeter hohes Klohäuschen, mit einem Herzchen in der Tür. So also funktioniert Österreich im Jahr 2007.

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12/07

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