es muss was geben

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Seit Jahren verfolgt Andreas Kump eine Idee, die nun endlich Wahrheit geworden ist: Sein Buchprojekt „Es muss was geben. Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz“. Kapitelweise fügt sich aus einem Puzzle vieler kleiner subjektiver Geschichten eine große und in ihrer Gesamtheit wahrhaftige Historie einer Szeneentwicklung und Musikstadt zusammen. Anlässlich des Erscheinens des Buches am 1. Dezember 2007 schreibt Klemens Pilsl.

Andreas Kump ist, obwohl er das wahrscheinlich selber nicht hören mag, ein alter Hase in den di­ve­rsen Linzer Szenen: Zwischen Mod-Kultur, Fan­zine-Kolumnen und KAPU-Betriebsgruppe hat Andi alle wichtigen Nischen miterlebt, inklusive der wirk­lich wichtigen Zutaten wie Fußball (Blau-Weiss, natürlich), Alkohol und G’scheider-werden. Seit 15 Jahren mittlerweile singt Andi bei den Lin­zer Proto-Poppern SHY und verdient seine Bröt­chen in der Regel mit der Textarbeit, der so ge­nan­nten. Stichwort Silverserver-Zeitung. Auch wenn er mittlerweile in Wien lebt, trifft man ihn erstaunlich oft in Linz: Am Fußballplatz, im Beisl oder natürlich bei SHY-Auftritten.
Seit Jahren verfolgt Andreas Kump eine Idee, die nun endlich Wahrheit geworden ist: Sein Buch­pro­jekt „Es muss was geben. Die Anfänge der al­ternativen Musikszene in Linz“ erscheint im De­zember. Jahrelang hat Andi Interviews mit Pro­tagonistInnen der Linzer Musik- und Kulturszene seit den 1970ern geführt, hat Geschichten zum Landgraf, der alten STWST, dem E-Schmid und der KAPU gesammelt, hat Bandhistorien von Willi War­mer, T.O.D oder den 7Sioux ausgegraben und sich, wenn man so mag, alle Seiten angehört. Dann hat er sich an die nicht minder schwierige Arbeit gemacht, diese Interviews zu arrangieren, einander gegenüberzustellen und in logischer Form zusammenzuführen. Und Respekt: Das Ergebnis ist tatsächlich groß! Kapitelweise fügt sich aus einem Puzzle vieler kleiner subjektiver Ge­schich­ten eine große und in ihrer Gesamtheit wahrhaftige Historie einer Szeneentwicklung und Musik­stadt zusammen. Geschichte, die nicht von den Sie­gern, sondern den Erlebenden gemacht wurde und wird. Andreas Kump gelingt es also, die Roots einer „Freien Szene“ oder einer „Pop-Haupt­stadt Linz“ offenzulegen. Ein zeitgemäßer Schritt: Einerseits, weil die Alternativszenen jener Tage nun mal langsam museal werden und auch publizistisch aufgearbeitet werden müssen (und das soll lieber einer wie Andreas Kump als die OÖ Rund­schau machen) und andererseits, weil es für die Zukunft gegenwärtiger AktivistInnen, Kul­tur­ar­beiterInnen, Szeneleute oder KünstlerInnen nur sinnvoll sein kann, die Herkunft der eigenen Zu­sammenhänge zu kennen, ohne sie mit dem Zei­ge­finger vorgetragen zu bekommen. Ein Inter­view mit Andreas Kump.

2001 trat Jürgen Teipel mit „Verschwende deine Jugend“ eine Welle literarischer Aufarbeitungs­wel­len der 70er und 80er Jahre-Szenen los (siehe Manual Andrack, Rocko Schamoni ...). Siehst du dein Buch in diesem Kontext?
Ich habe im Dezember 1999 mit den Interviews für „Es muss was geben“ begonnen. Also zwei Jah­re vor dem Erscheinen von Teipels Buch. Mir ging es einerseits natürlich schlicht darum, die Ent­wicklung der Linzer Musikszene zu dokumentieren, und andererseits wollte ich das Thema vor in­terpretationswilligen Journalisten, Politikern oder vermeintlich Dabeigewesenen schützen. Das tat ich aber auch deshalb, weil mich Geschichte und Ge­schichten faszinieren – alte Stadtpläne, Rei­se­füh­rer, alles was sich in Antiquariaten finden lässt. Zudem noch Subkultur, Punks, Mods, Re­vol­te, der dazugehörige Soundtrack, die gut erzählte Anek­do­te am Aquarium-Stammtisch etc. Es braucht schon ein paar Obsessionen, um 60 Leute zu in­ter­vie­wen und daraus 1000 Seiten Text zu transkribieren.

Dein Buch besteht ja ausnahmslos aus Oral-His­to­ry, aus Interviews mit ProtagonistInnen; du selbst hast dich vollkommen aus dem Buch herausgenommen. Ist es schwer gewesen, nur „die anderen“, die teilweise doch gemeinsame Geschichte erzählen zu lassen?
Ich habe während des gesamten Projektes ge­lernt, mich mehr und mehr zurückzunehmen. Das hat das Transkribieren der Interviews mit sich ge­bracht. Wenn du dir nämlich selbst gute Anek­do­ten abschießt, weil du in einem Interview zwanzig Sekunden besonders gescheit sein willst und den Interviewpartner im Erzählfluss korrigierst, ärgerst du dich später beim Abtippen darüber. In­sofern fiel es mir zunehmend leichter, die gestalterischen Zügel fallen zu lassen. Manchmal ha­ben Leute auch etwas über mich oder meine Band er­zählt. Das musste ich natürlich weg lassen. Als Selbstfeature war das alles ja nie geplant.

Wie haben deine GesprächspartnerInnen auf dein Ansinnen reagiert – manche sind ja inzwischen si­cher verbürgerlicht oder hohe Viecher.
Anfangs waren auch noch Rainer Krispel und Pa­tri­zia Reidl in das Projekt involviert, die z.B. Leu­te interviewt haben, zu denen ich nie einen guten Draht hatte, auf die ich aber niemals hätte verzichten wollen. Alle anderen Gespräche verliefen mehr als amikal. Mit vielen hatte ich über die Jah­re manchmal ja auch nur besoffene Gesprä­che an der Bar geführt, da war das Interview dann gleich mehrfach interessant, weil ich mich zum ersten Mal so richtig mit ihnen unterhielt. Karrieristen sind übrigens keine unter den Interviewten. Das rechne ich diesen Leuten allesamt auch hoch an. Dass in Linz niemand ausgezogen ist, subkulturelle Errungenschaften in ein Businessmodell zu verwandeln oder heute als halblustiger Lokal­po­li­tiker auf LT1 herumsteht.

Haben diese Gespräche auch deine Sicht auf deine Vergangenheit verändert?
Es war interessant, von vielen verwischten Ein­drücken plötzlich wieder deutliche Konturen zu se­hen. Etwa den Häuserkampf in Alt-Urfahr be­treffend, als die alte Stadtwerkstatt abgerissen wur­de und damit einher die städtebauliche Tor­heiten in Urfahr weitergingen, dass es für fünf Pro­vinzhauptstädte gereicht hätte. Das Donautor von Suter und Suter suchte mich als architektonische Pforte zur Hölle quasi neuerlich heim.

Welche alten oder neuen Beziehungen ergaben sich aus den Gesprächen?
Mir hat das Arbeiten mit Andi Ehrenberger großen Spaß gemacht. Die viel zu sonnigen Sonntage vor dem Computer. Layouten und Clash hören. Die Tipps, die mir Agnes Pils und Hansi Falkner immer wieder gegeben haben. Das Interesse und die Wertschätzung, die ein Klaus Stimeder vom Magazin „Datum“ für das Projekt entwickelte, oder natürlich die Gelegenheit, Richard Pils, meinen Verleger, etwas näher kennenzulernen – all das hat dieses Projekt für mich sozial sehr wertvoll gemacht.
Ich habe aber die leise Hoffnung, dass wir da erst am Anfang stehen. Dass das Buch weitere Projekte oder Vernetzungen nach sich zieht. Es gibt eine Website, die noch auszubauen wäre, für die meine Fähigkeiten aber nicht reichen, im filmischen Bereich gibt es eine Anfrage – und ohne dass das Buch erschienen wäre, habe ich bereits mit vielen jüngeren Leuten in der Stadt Kontakt gehabt, was mir sehr taugt.
 
Apropos – wie beurteilst du den aktuellen Stand der (Jugend-)Kulturszenen in Linz? Und siehst du 2009 eher als Chance oder Gefahr für diese?
Ich glaube, dass gerade so eine Stimmung in der Stadt herrscht, die wieder einiges an szene- und spartenübergreifenden Projekten zuließe. Was ja ei­gent­lich lange Zeit die Qualität von Linz ausgemacht hat. Dass es z.B. so ein Label wie 7inch12 gegeben hat, oder die „Sektion SpartakusÅg, die damals das erste Heimspiel nicht allein dem Posthof überlassen hat. Daran gilt es an­zuknüpfen, dann – und nur dann – sehe ich für 2009 Chancen.   

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12/07
FotoautorInnen: 
Udo Danielczyk

„Es muss was geben“ erscheint am 01.12.07 im Verlag Bibliothek der Provinz.

Dynamo Urfahr beim Landgraf-Abschied, 1989

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