Musik und soziales Ameublement
Raimund Vogtenhuber gestaltet am 10. Mai im Rothen Krebs einen Abend mit experimenteller Live-Musik. Es werden mit verschiedenen Musikern zwei Teile gestaltet: „Musique D’ Ameublement“ eröffnet als Gruppe den Abend, zum anderen gibt es nach einer kurzen Pause die „Audience Audio Sessions“ mit Publikumsbeteiligung. Es geht darum, eine Verbindung zwischen akustischer und elektronischer Musik herzustellen, mit stark improvisatorischem Anteil.
Wie kann man sich die Verbindung akustische/elektronische Musik vorstellen, wie unterscheiden sich die beiden Teile?
Die Audio Audience Session spiele ich zum fünften Mal, mit unterschiedlichen Instrumenten. „Musique D’ Ameublement“ zum zweiten Mal in gleicher Besetzung. Dieses Mal sind Andreas Ledl mit Klarinette und Schlagzeug und Manfred Schweiger mit den Instrumenten Hackbrett, Percussion, Querflöte dabei. Ich trete bei „Musique D’ Ameublement“ als elektronischer Musiker auf und reagiere durch Live Sampling auf die akustischen Instrumente. Den zweiten Teil der „Audio Audience Sessions“ habe ich gemeinsam mit Stefan Kushima entwickelt. Da geht es im Grund genommen um einen ähnlichen Prozess, der aber noch um das Element Publikumsbeteiligung erweitert wird: Ich gebe am Beginn jemandem im Publikum ein Funkmikro in die Hand, das am Ende wieder zurückkommt. Das funktioniert ganz gut, geht sozusagen von alleine – was aus dem Publikum kommt, ist natürlich sehr verschieden. Es wird außerdem noch ein „Performance Desk“ aufgebaut, der vom Publikum genutzt werden kann.
„Musique D’ Ameublement“ ist ein Begriff von Eric Satie. Seine Konzepte wurden teilweise erst in den 1950er Jahren von Varese oder Cage erstmalig umgesetzt, außerdem gilt „Musique D’ Ameublement“ als Urbezug zu „Ambient“. Was hat es bei euch mit dem Bezug zu Eric Satie oder zu Ambient auf sich?
Entstanden ist der Bezug vor einiger Zeit, als wir aufgefordert wurden, für eine Veranstaltung „Hintergrundmusik“ zu machen. Wir wollten dieser Funktion einen experimentellen Charakter geben und haben uns diesen Bezug zu „Musique D’ Ameublement“ geschaffen. Satie hat das 1920 bei einer Vernissage umgesetzt, in dem er das Publikum aufgefordert hat: „Wir bitten Sie dringend, sich so zu verhalten, als ob keine Musik gespielt werden würde“. Während der Darbietung hat er sich dann noch vehement ans Publikum gewendet: „Unterhaltet euch, hört nicht zu“. Es soll ja nicht nur darum gehen, seine Neurosen auszuleben, aber bei Satie ist der Widerspruch schon interessant, ein Konzert aufzuführen, das nicht gehört werden soll. Das stellt unter anderem den Konzertbetrieb in Frage. Für uns ist das mehr als Referenz interessant, die vielleicht wieder zu etwas anderem führt. Etwas zu tun und gleichzeitig nicht zu tun, einen gewissen Stil zu verfolgen und nicht dabei zu bleiben, ist interessant, weil in unserem breiten Mix aus Einflüssen von Ambient, Minimal Music und Jazz ein Milieu entstehen kann, in dem erforscht und entwickelt werden kann. Bei „boeff“, einer experimentell orientierten Rockband, an der ich auch beteiligt bin, haben wir quasi formuliert, dass es unser Stil ist, keinen Stil zu haben, bzw. die Stile von Rock bis Experiment als Persiflage zu verwenden. Wir konnten uns nicht damit anfreunden, eine ganz normale Rockband zu machen und umgehen so die Einschränkungen, die jede stilistische Richtung hat. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch problematisch. In der Rezeption sind wir als boeff dann auch im Kastl „experimentelle Art Band“ gelandet. Ausschlaggebend ist für mich aber nicht, welchem Stil man sich verschreibt – die Stile verbinden sich im Endeffekt wieder in der Komposition eines ganzen Stückes, sondern Musik als Erforschung zu begreifen.
Kannst du noch etwas zu Improvisation und Interaktion mit dem Publikum sagen – das ist ja an sich auch nichts Neues?
Das kann man so sagen. Improvisation hat uns die gewachsene Sessionkultur des Jazz gebracht. In der aleatorischen Musik von John Cage gibt es Zeitfenster, die dem Prinzip Zufall einen Teil offen halten. Oder das Generalbassspiel aus dem Barock: Auch dort wollte man schon nicht alles festlegen. Das sind nur einige Bezüge, die ich aus meinem Studium herleiten kann. Bei den Projekten, die ich zurzeit mache, geht es aber darum gar nicht. Es geht auch nicht darum, die „perfekte Veranstaltung“ zu bringen. Unser Konzept wäre aus technischer und musikalischer Sicht sogar durchaus in Richtung raffinierterer, vorproduzierter Sounds und Kompositionselemente ausbaubar. Bis jetzt ist alles sehr einfach: Ich sehe optisch eine Welle, die von der akustischen Livemusik oder den Zuschauerbeiträgen kommt und reagiere spontan und handwerklich. Durch die Einfachheit des Konzeptes geht alles sehr schnell. Es geht darum, der „Musique D’ Ameublement“, die ja im Hintergrund bleiben soll, einen Part mit Publikumsbeteiligung dazuzugeben, der an sich ja auch wieder eher nebenbei läuft, aus dem Audiencebereich kommt. Das kommt einer wichtigen Intention zugute, die wir verfolgen: Musik und experimentelle Musik auch als soziales Erlebnis zu fassen. Und es geht auch darum, Erfahrungen zu machen und weiterzuentwickeln – und um so eine generelle Einstellung, dass Musik, bei der alles stimmt und passt, fad ist.
Musique D’ Ameublement und Audio Audience Session am 10. Mai im Rothen Krebs. www.roterkrebs.net
Raimund Vogtenhuber ist „composer und media-artist“.
Mehr Informationen: www.elektrovog.at und www.boeff.at.
Musique D’Ameublement: Raimund Vogtenhuber, Manfred Schweiger, Andreas Ledl.
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