Benutzerfreundliche Kunst

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„Schaurausch“. Eine Ausstellung des O.K. Centrums für Gegenwartskunst in Kooperation mit Linz 2009 und dem Linzer City Ring. Die Zielsetzung der Kultur­hauptstadt, nämlich „Inter­nationalisierungs­schub“ und „Kultur für alle“ nehmen Gestalt an. Judith Pouget gibt sich skeptisch.

Schaurausch. Was fällt mir dazu ein? Konsumrausch. Kaufrausch. Rausch auf jeden Fall. Ein Zustand des Nicht-Denkens, der Nicht-Rationalität, des (zu­­­­mindest im Nachhinein meist unangenehmen, weil Kopfweh und Übelkeit nach sich ziehenden) Kontrollverlusts als Folge des Konsums bestimmter Substanzen. Und das sind wir schon wieder am Anfang – nämlich beim Konsum. Denn beim „Schaurausch“ soll es darum gehen, Kunst zu konsumieren – so steht es zumindest im Pressetext. Nun bin ich nicht der Mei­nung, dass man KUNST immer in Großbuchstaben schreiben, mit einem Hei­­ligenschein versehen und innerlich vor ihr auf die Knie fallen muss. Aber: Lässt sich Kunst konsumieren? Ist der Konsum von Kunst nicht ein Wi­derspruch per se? Kunst erfordert Auseinan­der­set­zung, Nachdenken, ein In-Beziehung-Setzen des Wahrge­nommenen zur eigenen, subjektiv geprägten Realität – sie erfordert also eine ge­wisse Aktivität. Konsum dagegen ist Passivität: das Sich-Einverleiben von Fertigem, Vor­gegebenem, in dem man keinen Sinn mehr suchen muss – weil sein einziger Sinn darin liegt, zur Ver­fügung zu stehen: als Gebrauchsartikel, als Luxusgut oder als Stoff für Small-talk unter Adabeis. Der Rausch hält sich dabei in Grenzen; der Kater danach kann jedoch ganz schön übel sein.
Aber man muss ja nicht alles so wörtlich nehmen – und auch nicht über alles so genau nachdenken. (Vor allem Zweiteres ist dem Konsum meist gar nicht zuträglich.)

Beim „Schaurausch“ im Mai gestalten über 30 nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler insgesamt 50 Schaufenster als Kunstobjekte. Laut Konzept der Veranstalter verwandeln sie damit die Linzer Innenstadt in eine lebendige Kunstmeile; „der Stadtbesucher wird zum Flaneur, der sich auf eine künstlerische Entde­ckungs­reise begibt.“ Die Kunst soll ihren Elfenbeinturm verlassen, sich an un­gewöhnliche Orte begeben, sich einer an­de­ren Wahr­nehmung aussetzen als im Museum. Für Linz 09-In­ten­danten Martin Heller ist „Schaurausch“ nicht nur „die ers­te ku­ra­tierte Kooperation mit einer wichtigen Kultureinrichtung vor Ort“, sondern auch eine Mög­lich­keit, „Appetit [zu] machen auf 2009 und der Kul­tur­haupt­stadt ein Gesicht [zu] geben“. (Hat Linz ohne 09 kein Gesicht?)

Kernstück der Ausstellung sind einige spektakuläre Großprojekte an exponierten Geschäftsfassaden und in den zentralen Einkaufszentren. So zum Beispiel die Arbeit des Vorarlbergers Stefan Sagmeister: Er verkleidet die Fassade über dem Linzer Casino mit dem Schriftzug „Money does not make me happy“ und belegt außerdem die gesamte Vorderseite der Par­fu­me­rie­ket­te Douglas mit einer Notiz aus seinem Tagebuch – Blow Ups, die Wer­besprache imitieren, ohne Werbung zu sein. Ein weiteres Großprojekt ist die Ausstellung der Künstlerin und Mode-Fotografin Elfie Semotan: In der leer stehenden Ein­kaufspassage unter dem Casino zeigt sie in zweieinhalb Meter hohen Leuchtkästen Fotos von Ver­käu­fer­in­nen aus Linzer Geschäften – nicht als amateurhafte (Werbe-)Models, sondern als „ur­bane Menschen“. Als „öffentliche Kunstfigur“ präsentiert sich die Ober­öster­reicherin Claudia Czimek in einem Schaufenster von C&A, wo sie unter den Augen der Pas­san­­ten scheinbar wertlosen Konsum-Müll wieder auferstehen lässt: Sie passt unterschiedlichste Alltagsprodukte ihren Vor­stellungen und Phan­­ta­sien an und macht daraus wieder etwas Wertvolles und Einzig­arti­ges.
Mit der Konsum- und Wegwerfgesellschaft setzen sich auch eine Reihe weiterer Arbeiten auseinander: In den Händen der Belgierin Hilde Kentane verwandeln sich Plastiktüten und Verpackungen in dreidimensionale Tier­ob­jek­­te wie bunte, wohlgenährte Ratten oder Trüffel­schwei­­ne; der Instal­la­ti­ons­­künstler und Bildhauer Mar­tin Dickinger erschafft durch die An­häu­fung und Ver­viel­fältigung von Elemen­ten aus der Warenwelt eine Pa­rallel­welt aus Papier­ma­ché.
Das Spiel mit illusionärer Raumwahrnehmung nutzt die Brasilianerin Lucia Koch in ihrem Werk „Fundos“ (Hin­ter­gründe). Auf die Schaufenster aufgezogene Fotografien von Verpackungs­material täuschen das Auge und geben dem Besucher das Gefühl, den Raum dahinter auch physisch betreten zu können; fotografischer und architektonischer Raum überlagern sich, und das „begehbare Schaufenster“ entpuppt sich erst bei näherem Hinsehen als Behälter für Teigwaren oder Or­an­gensaft (zu sehen an der ehemaligen Scha­chermayer-Fassade).

So weit ein Vorgeschmack darauf, was die „Schaurauschigen“ im Mai erwartet. Rechtzeitig zur Ausstellung wird auch eine Doku­men­tation erscheinen, die alle Kunstwerke und Aus­stel­lungs­orte für den Be­trachter aufbereitet – mit Abbil­dun­gen der Schaufens­ter ohne Kunst und Fotos der Kunstwerke zum Einkle­ben. Die Texte dazu sollen einer „benutzerfreundlichen“ Metho­de folgen: „3 Sekunden zum Einstieg, 30 Se­kun­den um Überblick zu gewinnen und 3 Minuten, um sich zu vertiefen“. Eine nette Idee, die genau das auf den Punkt bringt, was der „Schaurausch“ – laut Pressetext – ermöglichen soll: nämlich „eine Kunst-Konsumation ge­wis­sermaßen im Vor­bei­gehen“.

Für die Wirtschaft soll die Ausstellung ein Pro­be­lauf sein, „sich hautnah im Kontext mit Kultur präsentieren zu können“; UnternehmerInnen und Mit­ar­bei­ter­Innen sollen zu „Kunstvermittlern“ werden, und Kulturreferent Erich Watzl sieht mit dem Schaurausch gar das kulturpolitische Anliegen er­füllt, „Kul­tur und Wirtschaft auf gleicher Augen­höhe“ partnerschaftlich umzusetzen.

Bei derlei Aussagen bleibt kein Auge trocken. Und wohl auch keine Frage of­fen, worauf das gan­ze Konzept der „Kulturhauptstadt“ letztendlich abzielt: Kunst und Kul­tur? Oder doch Kon­sum im Vorbeigehen?

Eröffnung 10. Mai
Die Eröffnung von „Schaurausch“ findet um 18.00 h im Thalia, Landstr. 41, statt.

Schaurausch-Aktionstag 11. Mai
Mit Eröffnung der Schaufenster und zahl­­rei­chen Ver­nissagen erwartet die Stadt­be­su­cher­Innen beim „Schau­rausch-Aktions­tag“ gleichzeitig mit der „Linzer Einkaufs­nacht“ ab 18.30 h künstlerische Ak­tionen und Per­forman­ces in den Schaufenstern. Ab 19.00 h findet das Kon­zert „Tem­pel­mu­sik“ in der Ur­su­­linenkirche (Land­­­str. 31) statt, für das sich die Wiener Per­formerin und Kom­ponistin Elisabeth Schi­mana auf akustische Feldfor­schung durch die Linzer Passa­gen und Ein­kaufs­strassen begeben hat.

Samstag 12. Mai
In der Ursulinenkirche (Landstr. 31) präsentiert Elisabeth Schi­mana von 10.00-14.00 h ihre Tem­pelmusik in einer Live-Perfor­mance. Von 10.00-12.00 h findet im Arcotel Nike (Un­ter Donau­län­de 9) ein Kultur­frühstück mit Ella Rai­del statt.

Künstlersonntag 20. Mai
Ebenfalls in der Ursulinenkirche findet ab 09.30 h zum Thema „SCHAUkunst und Kauf­RAUSCH“ – ein Gespräch über Kunst und Kom­merz statt.

Aktionstag 1. Juni
An diversen Orten in der Stadt gibt es weitere Theater- und Performance-Interven­tio­nen.

Aktuelle Informationen: www.schaurausch.at, www.linz09.at

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05/07
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Pressematerial O.K

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