Tage in die Jetztzeit der Beweglichkeit versetzt

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Ideen kommen nicht durch sprechen – wer bin ich, was passiert in meinem Kopf vor dem Spre­chen? Im Zentrum des Festivals „Für die Beweglichkeit 2 – Tage der Poesie“ stand der ursprüng­liche kreative Prozess, der sich gattungsübergreifend mit den Begriffen „Tiefenschärfen und Ober­flächen“ beschäftigte. Das Festival befasste sich mit Literatur, Poesie, Theorie, Bildender Kunst und Neuer Musik. Einige Blickwinkel auf das von Christian Steinbacher kuratierte Festival.

Drei Veranstaltungen unterschiedlicher Natur im Rahmen des Festivals „Für die Beweglichkeit“ ha­be ich besucht, Lesung, Konzert und eine dritte „Sa­che“. Formal exponierte Literatur, verbunden mit thematisch korrespondierenden Vorträgen und der Aufführung musikalischer (zum Teil: Auf­­trags-)Werke, ist auch der gestalterische An­satz von Festival-Initiator und -Mastermind Christian Steinbacher. Die heuer zum zweiten Mal stattfindende Veranstaltungsreihe trug die Überschrift „Tiefenschärfen, Oberflächen“ und wurde von einer zeitgleich im Stifterhaus und den Räumen der Künstlervereinigung Maerz gezeigten Aus­stel­­lung mit Exponaten des deutschen Kunst-Soli­tärs Carlfriedrich Claus umrahmt.

Der erste Abend im Maerz umfasste zwei Lesun­gen und ein Konzert. Elfriede Czurda las aus ih­rem „Zyklus mit Falte“, einer aus datierten Einzel­texten bestehenden Sammlung durchaus fein ge­arbeiteter Beobachtungen von Phänomenen, „schlicht Texte abseits konventioneller Grenzzie­hungen“, wie im Programmheft zu lesen steht. Der – nicht nur – für diese Autorin charakteristische Habitus in Sprache und Vortragsweise lie­fer­te freilich ständig den Verweis, dass es sich bei dem Gehörten um … Dichtung handle, als Sub­­­text mit. Teodoro Anzellottis wunderbar subtiles Akkor­deon­spiel – er interpretierte ein Stück des Frank­furter Komponisten Ernstalbrecht Stieb­ler – hätte ich mir als „Puffer“ zwischen den beiden Lesun­gen, die unterschiedlicher kaum sein konnten, ge­wünscht. So kam ihm ein wenig die Rolle des Ap­pendix zu.
Ulrich Schlotmanns intensiver Vortrag aus dem Langzeitprojekt „Die Freuden der Jagd“ ist für mich, sorry, semantische Musik. Satzwuche­run­gen, die sich aus Sprachhaltungen unterschiedlicher Herkunft zusammensetzen, gewinnen starke rhythmisch-melodische Qualität, besonders auch durch Schlotmanns Stimme und Akzentset­zun­gen. Nahe liegend, dass der Autor nicht nur Bü­cher, sondern auch CDs veröffentlicht und zB mit dem Elektronikmusiker Zeitblom (gemeinsamer Tonträger: „Bluten Wald“, bei Ritter) kooperiert.

Ebenfalls nicht krasser konnte der Unterschied zwischen den zwei Autoren sein, die am Freitag, wieder in den Maerz-Räumen, lasen: Während Eckhard Rhode mit – man sehe meine „Unsach­lichkeit“ nach – typisch deutschem Ernst eine In­terpretation von Gedichten Reinhard Priessnitz’ auf der Basis von Theorien des strukturalistischen Psychoanalytikers Jacques Lacan versuchte und dabei spielerische Wort- und Laut­ver­schie­bungen zumindest für mein Empfinden mit Be­deu­tung erdrückte, glitt Bodo Hell, nahtlos an­schließend mit intensiver Leichtigkeit durch un­ter­schiedliche Sprachwelten, streifte Codes und Ka­lauer und rundete seine Textmontagen mit ein wenig Wortbildungskunde ab.
Wiewohl wiederum sehr deutlich, wirkten die Ge­gensätze an diesem Abend bewusst gesetzt und durch nicht auf den ersten Blick erfassbare untergründige Analogien miteinander verbunden.

Letzter Programmpunkt von „Für die Beweglich­keit“ war ein Konzert der Komponistin und Pia­nis­tin Katharina Klement am Samstagnachmittag in der Montagehalle der Firma „HMH“ im Süd­park Pichling. In zwei Jahren ist die dritte Auf­lage dieses Fes­tivals geplant; Christian Stein­ba­cher will an seinem Grundkonzept der Verbin­dung verschiedener Sparten mit dem Schwer­punkt auf Literatur festhalten, Akzentver­schie­bun­gen kann es sicher geben.

Hinweis: Begleitend ist eine Publikation mit Texten und Ma­terialien des Festivals „Für die Beweglichkeit 2. Tiefen­schär­fen/Oberflächen“ in der „edition philiosophisch-literarische reihe“ des Landes OÖ erschienen. Hochinteres­san­tes Büchlein über verschiedene Positionierungen in der zeit­genössischen Poesie. Beiträge u.a. von Felix Phi­lipp In­gold, Anette Gilbert, Franz Kaltenbeck, Katharina Kle­ment, Materialien zu Carlfriedrich Claus, Textbeispiele ver­schiedener teilnehmender AutorInnen.
ISBN: 978-300424-61-9

Informationen: www.maerz.at

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