Titel im Kopf – Klang im Körper
Unser Gespräch beginnt damit, dass Fadi über sein übervolles Studio und die damit verbundene Notwendigkeit aufzuräumen lamentiert, dabei aber über ein altes analoges Aufnahmegerät stolpert und in höchsten Tönen davon schwärmt: Er habe Doug Hammond mitgeschnitten, sowohl digital als auch analog. Beim Abhören stellte sich die digitale Aufnahme als flache Klang-Suppe heraus, die analoge Version hingegen war ein Highlight.
Damit sind wir mitten im Thema.
Wolfgang „Fadi“ Dorninger nimmt gerne auf. Anfangs, also vor ca. 20 Jahren, tat er dies mit dem Walkman. Er ist ein Musiker/Klangbastler, der sich ursprünglich mit dem Thema „hören“ ganz und gar nicht beschäftigt hat. Erst über die Technik des Aufnehmens hat er das Hören gelernt, denn die Situation beim Ohr ist ja die, dass Frequenzen auf das Trommelfell treffen und dann im Hirn gefiltert werden. Diese menschliche Eigenart der Selektion wird beim Aufnehmen offenkundig wahrnehmbar in der Diskrepanz dessen, was man gemeint hat, gehört zu haben, und der tatsächlichen, nachweisbar abspielbaren Aufnahme. Es geht um ein stetiges Überprüfen des eigenen Hörprozesses. In der weiten Musikwelt hat dieser Ansatz, konkrete Geräusche in Kompositionen einfließen zu lassen, seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts unter dem Begriff „musique concrète“ einen Namen.
Fadis erste größere konkrete Arbeit war als Auftragswerk eine „Symphonie“ (unter Anführungsstrichen!) über Asten, der jüngsten Gemeinde Österreichs (nach Alter der Bewohner – deswegen so viele Kinderstimmen am Ende der CD) mit melancholischen Alt-Astnern, unglücklich über die Entwicklung ihres Lebensraums, zum Endlager für den Linzer Müll zu werden. Dieses äußerst kommunikative Projekt besteht im Endprodukt zu 70% aus Mikro-Aufnahmen, die vor Ort gemischt und dann im Studio bearbeitet wurden. Fadi arbeitet bei dieser Komposition mit Geräuschen der Gegenwart, schafft jedoch eine Zeitschiene der Bilder von der ursprünglichen Idylle der Donau-Au über die Industrielle Revolution und die Kriegszeit bis zum heutigen Alltagsleben in Asten. Zu besonders interessanten Klangergebnissen führte dabei ein Klärturm kurz nach dem Moment des Ausleerens, in den Musik hineingespielt wurde, die, mit dem Hall resonierend, sich dann auch noch mit unvorhergesehenen Naturgeräuschen von Vogelgekreisch und Flugzeuglärm vermischte.
„Field recordings“: Musik ins Ungeplante, Ungewisse, Unberechenbare und noch Unbekannte. Man weiß nicht, was passieren und auf der Aufnahme landen wird. Musik in die Zukunft hinein?
Heute gibt es innerhalb der so genannten „tape music“ oder der „field recordings“ sehr unterschiedliche Zugänge und „Glaubensmeinungen“. Kommt die Methode ursprünglich von der Ornitologie, also der Vogelkunde zu Forschungszwecken, vertritt eine Gruppe auch heute noch die Ansicht, dass der Akt, ein Mikro in die freie Natur zu halten, genug künstlerische Auswahl beinhalte und jede Manipulation der Aufnahme eine imperialistische Haltung manifestiere. Die andere Gruppe betrachtet die Geräusche des offenen Raumes als Pool von Klängen, die als Basis-Material mit Respekt behandelt und in unterschiedlicher Intensität bearbeitet werden könne. Dies reicht von digitalen Verfremdungen, Transponieren, Schneiden und Montieren bis zum Einfügen in musikalische Kompositionen. Fadi entpuppt sich hier als gewiefter Klangtüftler, der durch extreme Montagen und aufwendige Schnittfolgen eine spannende Klangwelt schafft, die ohne synthetischen Ton auskommt. Dabei wird z.B. das Meeresrauschen von Teneriffa, Wasser gegen Lavagestein, der Autowaschanlage Hoffelner gegenübergestellt. Beide transportieren akustisch große Energien und sind verblüffend ähnlich in ihrer umgekehrten Analogie. Zu finden ist das auf der neuen CD „looped nature and machines“, die auf field muzick (BRD) erscheint.
Die Schnittstelle von Technik und Natur ist sein durchgängiges Thema: Wie resoniert eine Stadt? Wie verändert Technik das natürliche Environment? Wie spielt Natur in den Lebensraum herein?
Eine ältere CD aus dem Jahr 2000 trägt den Titel „Artikulation“ aus der Reihe „Dialoge“ (O.K Centrum), die zu 100% aus Mikroaufnahmen besteht und unter phonetisch-ästhetischen Gesichtspunkten den sprachlichen Output von einer Woche Vilnius verarbeitet. Im derzeit laufenden Projekt „in the fields/Feldaufnahmen“ interviewt Fadi Protagonisten des „field recordings“ für eine Video-Dokumentation. Die Reisen des Vorjahrs führten ihn nach Holland, Frankfurt, Berlin, wo er auch den Betreiber des „das kleine field recordings festival“, Rinus van Alebeek, kennenlernte, mit dem er nun im Theater Phönix performte. Ausständig sind noch Reisen ins Baltikum und nach Portugal, wo das Material dann bearbeitet wird. Obwohl dem Projekt eine gewisse wissenschaftliche Note innewohnt, soll es dennoch keine quasi-journalistische Dokumentation werden. Der Informationstransfer unterschiedlicher Zugangs- und Arbeitsweisen soll in einem fließenden Querschnitt so montiert werden, dass die Substanz von Leuten freigelegt wird, denen das Mikro wesentliches Instrument der künstlerischen Aussage ist.
Mittlerweile sind live-acts mit konkreter Musik für Fadi zu einem wichtigen Part des künstlerischen Lebens geworden. Da er laufend für Theater Musik macht und aktuell im Theater Phönix für das Stück „Volksgarten“ ein verzwicktes Sound-System mit Lautsprechern in verschiedener Höhe und Entfernungen installiert hat, bot sich genau dieser Ort für einen besonderen Abend der Sound-Poetry und Soundart an. Rinus van Alebeek und Wolfgang Fadi Dorninger performten gemeinsam zu „Titel im Kopf – Klang im Körper“.
Van Alebeek, der reisende Literat, beschrieb dabei den Menschen in Bewegung als akustischer Geschichtenerzähler und traf auf Dorninger, den Geschichtenerzähler, der von Klang, Luft und Raum ausgeht.
www.dorninger.servus.at, www.bikemike.blogr.com
Aktuelle CD Dorninger „8k“ erschienen auf base records.
Reviews: www.base.at/b_rev4.htm, kaufen: www.base.at/shop
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