„Reibereien sind gut“

Intendanz von Linz09 böse, freie Szene arm? Didi Bruckmayr, „Fuckhead“-Frontmann und Multikünstler aus Linz, im Gespräch über Kuscheligkeit, Kommunikation und Konflikte.

Kürzlich, so war in Ö1 zu hören, gab’s einen Auf­tritt von dir und Willi Resetarits. An welchen künst­lerischen Projekten arbeitest du derzeit?
Didi Bruckmayr: Ich durfte in der Mino­riten­kirche von Stein beim Imago Dei-Festival Lilo Wan­ders die Hand küssen und mit netten Kol­leg­Innen schöne Lieder sanft verwüsten. Derartiges mache ich öfter, demnächst zum Beispiel mit Pe­ter Androsch und Bernd Preinfalk bei den Wie­ner Festwochen. Fuckhead feiern heuer zwanzig Jahre, wir veröffentlichen im Juni bereits den zweiten Tonträger in diesem Jahr. Sofern wir die Gelder auftreiben, spielen wir im Herbst in den USA und Kanada. Natürlich gibt’s ein paar zünftige Auftritte in Austria, so beim Donaufestival Krems oder beim Ottensheim-Open Air! Ich ma­che mich demnächst mit dem singenden Riesen von Fuckhead aka Sigi Aigner an den Soundtrack für ein Theaterstück über Fußball-Fantum nach dem buch „I furiosi“ von Nanni Moretti für das Ra­benhoftheater Wien. Premiere ist noch im Mai vor der EURO, ab Spätherbst ist dann ein Tour­nee­betrieb geplant. Des Weiteren planen Fuck­head eine Kooperation mit dem Theater brut wien zu Hieronymus Bosch für 2009, welche auch ins Aus­land gehen soll. Schönen Synthie-Pop von und mit Bruckmayr gibt’s zum Beispiel am 22. April zur Eröffnung von Crossing Europe. Eine Platte geht sich eventuell dieses Jahr noch aus.

Zwischen der Intendanz von Linz09 und Teilen der freien Szene gibt es Konflikte. Die üblichen Rei­bungen oder siehst du da noch tiefer liegende Grün­de? Ist die Lage für die Freien, deiner Mei­nung nach, schon ziemlich verfahren?
DB: Für große Projekte ist es wohl zu spät. Ich ha­be wenig Kenntnis, wer Projekte realisiert. Denk­bar ist, dass viele Projekte von Linzern mit keinem dezidierten Bezug zur freien Szene betrieben werden. Gut und schön. Die freie Szene ist mittlerweile eine recht kuschelige nostalgische Ver­an­staltung mit klarer lokaler Verortung und ge­rin­ger Außenwirkung. Lokale Befindlichkeit, His­torie und Selbstbewusstsein interessieren die aus­ländische Intendanz nur bedingt, wenngleich die so genannte freie Szene schon seit Jahrzehnten die selbstausbeuterische kulturelle Basisarbeit macht und neben Musik eine Vielzahl „soziologisch-kultureller“ Projekte betreibt.

Einen Geldkuchen bei ’09 gäb’s ja auch zu verteilen.
DB: Die Intendanz will und kann die von Linzer Kulturpolitikern in Aussicht gestellte erhöhte fi­nan­zielle Aufmerksamkeit gar nicht erfüllen. Es herrscht offenbar der Wettbewerb der Ideen, das ist für die gesamte Stadt neu. Allerdings sind mir die Kriterien und Ziele der Intendanz nicht klar. Die Programmbücher sind ja eher informationsarm, insofern wird jede Einreichung zum Spiel­chen. Übrigens wurde auch ein Projekt von mir und Kollegen über Boxen nach langem Hin und Her abgelehnt. Da Kultur in enger Verbundenheit mit Kommunikation steht, ist mangelhafte Kom­mu­nikation natürlich nicht gut.

Wie siehst du die Situation für den Bereich der – ich nenn’s jetzt in Abgrenzung zur Hoch- oder Event„kultur“ so: – Jugendkultur?
DB: Da wird häufig übersehen, dass sich die so genannte freie Linzer Szene seit den frühen 80er-Jahren eigentlich einen internationalen Namen als Pool von Veranstaltern und Musikern im Kon­text der Jugendkulturen gemacht hat. Diese Be­rei­che werden auch im 21. Jahrhundert noch traditi­o­nell von der Politik und offenbar auch von der Intendanz als kulturelle Felder von geringer Re­levanz bewertet. Da können sich andere österreichische Städte wie Graz mit zwei jährlichen Fes­tivals elektronischer Musik oder Krems mit dem Donaufestival international massiv positionieren.

Wird da in Linz eine große Chance verpasst?
DB: Die befassten Personen aus Kultur und Poli­tik interessiert Clubkultur absolut nicht, und vor allem keine Linzer Clubkultur. Tatsächlich lebt es sich ja im Schatten der Politik mitunter recht nett, aber sind diese Milieus tatsächlich so feingeistig? Wieso tritt dann dieser irre schwarze Schla­ger­barde namens Rikitiki („Nur ein Poet“-Rik, Anm.) wiederkehrend auf Privatpartys oder Empfängen der Linzer Wirtschaft und Politik auf? Witziger­weise soll es ja tatsächlich ’09 eine Club-Schiene geben. Der Zuständige ist ein Linzer, dessen Pro­gramm weitgehend unbekannt ist. Der allerdings angeblich eigene Booker in die Veranstaltungs­häu­ser setzen will, weil es zum Beispiel KAPU und Stadtwerkstatt nach zwanzig Jahren angeblich noch immer nicht gelernt haben, ordentlich zu programmieren – hahahaha. Das hat auch eine lange Linzer Tradition. Darum wird man als Lin­zer Artist in den öffentlichen Veranstaltungs­häu­sern oder „Festivals“ von Linz österreichweit am schlechtesten bezahlt. Übrigens: Ich selbst programmiere für den Musik-Intendanten (Peter An­drosch) eine kleine Reihe in einem Zirkuszelt und achte darauf, eine spannende Revue mit lo­kalen und internationalen Spezialisten auf die Rei­he zu kriegen. Natürlich werde ich Fehler ma­chen, aber Unsachlichkeit ist das Privileg des Künst­lers … hehehe.

Das Theater Phönix will dezitiert keine Zusam­men­arbeit mit ’09. Dein Kommentar?
DB: Grundsätzlich sind Reibereien gut, weil Dis­kurse in Gang kommen. Übrigens kann man sei­ne Projekte auch durchaus ohne Kohle und Pa­tro­nanz von Linz09 durchziehen. Wesentlich irritierender als die Causa Phönix sind die Probleme von Linz09 und der Kunsthochschule. Eine Sache irritiert mich ganz besonders. Linz09 braucht na­türlich neue Spielflächen, insbesondere für Mu­sik und Theater. Kommen die Zuständigen erst jetzt darauf? Wegen einer Show im öden Posthof werden sich kaum Leute ins Auto oder in den Zug hauen.

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04/08
FotoautorInnen: 
Angelika Stadler

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