Was bedeutet Wettbewerb in der Architektur?
Der österreichische Präzedenzfall ist ausjudiziert (zumindest in der ersten Stufe), denn das Bundesvergabeamt der Republik Österreich hat entschieden, dass die ÖBB mit dem Versuch, das Projekt BahnhofCity (Zentralbahnhof Wien/Südbahnhof) unter von ihr geladenen Architekten zu vergeben rechtswidrig im Sinne des Bundesvergabegesetzes 2006 ist.
Architekturwettbewerb ist Demokratie
Ein Wettbewerb ist nicht nur eine Einleitung einer Vergabe eines öffentlichen Auftrages einer geistig schöpferischen Leistung, sondern gleichzeitig ein demokratiepolitisch wichtiger Diskurs über die jeweilige Aufgabe. Während private Bauherren wie Firmen immer öfter zum Mittel des Architektenwettbewerbs greifen, um die beste Lösung für eine konkrete Aufgabenstellung zu finden, geht die öffentliche Hand genau den umgekehrten Weg. Durch Tochtergesellschaften und Ausgliederungen wird versucht, das Vergabegesetz zu umgehen – die Wahrung der objektiv besten Lösung öffentlich finanzierter Fragestellungen, also dessen, was das Vergabegesetz zu schützen versucht, wird konvertiert in Machtmanifestations- und Selbstverwirklichungstendenzen öffentlicher Personen oder Firmen.
Architekturwettbewerb im öffentlichen Bereich und seine Vorteile
Das Bundesvergabegesetz (kurz: BVerG) regelt die Beschaffung von Leistungen im öffentlichen Bereich. Dieses Gesetz bezieht sich im Wesentlichen auf die Vergabe von öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsverträgen sowie die Durchführung von Wettbewerben vorwiegend öffentlich finanzierter Auftraggeber. Schwellenwerte entscheiden über die Art des zu wählenden Verfahrens.1
Das BVerG kennt offene, nicht offene oder geladene Wettbewerbe sowie den wettbewerblichen Dialog, wobei geladene Wettbewerbe nur im Unterschwellenbereich zulässig sind. Architekturleistungen kennt das BVerG 2006 als Teilbereich so genannter geistiger Dienstleistungen, die nicht zwingend zum gleichen Ergebnis führen, weil ihr wesentlicher Inhalt in der Lösung einer Aufgabenstellung durch Erbringung geistiger Arbeit besteht. Damit sind die Vorteile der Auslobung eines Wettbewerbes für schöpferische Dienstleistungen bereits beschrieben: Es gibt nicht nur eine Lösung, sondern viele und nur durch die Vielfalt der Wettbewerbsbeiträge kann verglichen werden und die tatsächlich beste Lösung zur Ausführung gelangen (Bestbieterprinzip). Wettbewerbe wie z.B. Bäckerfeld in Linz Urfahr bergen – über alle Teilnehmer gerechnet – die Arbeitsleistung der Lebensarbeitszeit eines Architekten in sich!
Die Form des offenen Architektenwettbewerbs ist eine seltene. Dies führt dazu, dass sich viele ArchitektInnen auf die wenigen offenen Wettbewerbe stürzen. Dadurch ergibt sich bei jenen eine verrückt große Anzahl an Einsendungen – doch schlussendlich kann nur ein Projekt, im Idealfall das Beste, zur Ausführung gelangen.
So wird seitens der Auslober versucht, die Teilnehmerzahl durch Bewerbungsverfahrung und Referenzprojekte einzuschränken (wo doch der Status der/s ZiviltechnikerIn allein, aufgrund seiner strikten Zulassungsbeschränkungen schon genügend Fachkompetenz in sich vereint) oder eben das Verfahren eines offenen Wettbewerbs gänzlich zu umgehen, wie das Beispiel ÖBB beweist. Hielte sich jeder vorwiegend öffentliche Auftraggeber an das BverG und schriebe offene Wettbewerbe aus, würden sich deren Teilnehmerzahlen automatisch regulieren …
Mangelnde Regelungen führen zu mangelhaften Ergebnissen
Wie ein solcher Wettbewerb abzulaufen hat, ist gesetzlich nur marginal geregelt. Zwar gibt es eine von der Bundeskammer für ArchitektInnen und IngenieurkonsulentInnen erstellte Wettbewerbsordnung Architektur, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, verbindlich ist diese dadurch leider keineswegs. Nicht einmal ein Einspruchsrecht gesteht das BVerG der Kammer als gesetzliche Vertretung zu! So kommt es in der Praxis allzuoft zu schlampigen Ausschreibungen mit irrwitzigen Eignungskriterien für die teilnehmenden ArchitektInnen, vom geforderten Honorardumping schon in der Ausschreibung selbst ganz zu schweigen. Was ein öffentlicher Auftraggeber damit bezwecken möge, bleibt nicht nur Fachkreisen schleierhaft, seiner Verantwortung als Bauherr kommt er damit bestimmt nicht nach.
Von der Bestellqualität über den Wettbewerb zur nachhaltigen Planung
Jedes Wettbewerbsergebnis kann nur so gut sein, wie die ihm zugrunde liegende Ausschreibung, also die Definition von städtebaulichen Rahmenbedingungen, räumlichen Qualitäten, funktionalen Zusammenhängen und dergleichen, jedoch ohne gleich von Beginn an in der Manier von Facility Managern jeden m2 mit Funktion zu belegen und zu minimieren. Die beste architektonische Lösung selbst einer präzise definierten Fragestellung könnte nämlich jene sein, die den Rechenschieber durch Kreativität und bloße Zahlen durch räumliche Qualitäten ersetzt. Um dies zu erkennen, braucht es eine fachlich qualifizierte Mehrheit in der Jury, die anonyme Wettbewerbsarbeiten eines offenen Wettbewerbes objektiv zu beurteilen vermag.
Oft sind zur Erreichung eines optimalen Ergebnisses mehrstufige Wettbewerbsverfahren notwendig, denn z.B. stadtplanerische Aufgabenstellungen wie Flächenwidmung und Bebauungsbestimmungen müssen vorab von Fachplanern gelöst werden, um optimale Rahmenbedingungen für die Fragen nach konkreten Bauwerken in der nächsten Stufe zu bereiten. Ein Instrument, das besonders hierzulande nur allzu selten zum Einsatz kommt.
Stadtplanung wird zunehmend von Politikern betrieben, ohne die Meinung von unabhängigen Fachleuten einzuholen. Natürlich kann die Entscheidung über die städtebaulichen Vorgaben wie Dichte, Höhe, zulässige Nutzung, die Lage der Baufluchtlinien et cetera immer nur eine politische Entscheidung sein. Der Weg zu diesen Entscheidungen ist eine Frage der politischen Kultur und setzt den Diskurs mit Fachleuten wie der betroffenen Bevölkerung – im Idealfall über den Weg eines Wettbewerbs – voraus.
Je sorgfältiger Länder, Städte und Gemeinden als Bauherren agieren, umso nachhaltiger wird die zu vergebende Planung langfristige Qualitäten für die Öffentlichkeit hervorbringen.
Öffentlichkeit sind wir alle, unabhängig von Einkommen, Parteibuch, Nationalität oder Hautfarbe – und in diesem Sinne ist die sorgfältige und nachhaltige Verwaltung öffentlicher Gelder eine der wesentlichsten Pflichten öffentlicher Bauherren.
Kreativität, Technologie und Kultur
Das Honorar von ArchitektInnen beträgt nur einen Bruchteil der Herstellungskosten und einen noch kleineren Teil der Lebenskosten eines Gebäudes. Hier zu sparen wäre ähnlich dumm, wie sich zu kleine Schuhe zu kaufen, nur weil sie eben ein bisschen billiger sind – Schwielen, Hühneraugen, ja sogar Verkrüppelungen sind die Folge, zur Not wirft man das Schuhwerk einfach wieder weg.
Fehlende Architektur- und Stadtplanung ist nicht so leicht zu entsorgen, das Leiden könnte von Dauer sein – der Griff zum Billigstbieterprinzip also ein lang währender Schaden an Stadt und Land als Kulturgut. Die Politik ist daher aufgefordert, die sensible wirtschaftliche Position der Kreativindustrie, zu der auch Architektur- und Stadtplanung zählen, im globalen Wettbewerb zu stärken, denn deren Vernachlässigung birgt mittelfristig negative Auswirkungen auf den technologisch-kulturellen Status einer Region in sich.
1 Schwellenwerte laut BVerG 2008:
Liefer- und Dienstleistungsverträgen vergeben von zentralen Beschaffungsstellen (Ministerien und dergleichen)
EUR 133.000,00
vergeben von nicht zentralen Beschaffungsstellen
EUR 206.000,00
vergeben von Sektorenauftraggebern (z.B. ÖBB)
EUR 412.000,00
Bauaufträge EUR 5.150.000,00
Quellen:
IG-Architektur: www.ig-architektur.at
Bundesvergabegesetz: www.ris.bka.gv.at
Wettbewerbsordnung Architektur (WOA) Stand 16.10.2000. Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulten.
Hg. BIK-Verlgas-gesmbH. 2000
Informationen über städtische Vergaberichtlinien und Architekturwettbewerbe seit 2001 in Linz:
www.linz.at/presse/2007/200708_34070.asp
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