Was bedeutet Wettbewerb in der Architektur?

Für die architektonische Neugestaltung des Areals an der Gruberstraße hat die LINZ AG einen Wettbewerb mit 13 geladenen Büros veranstaltet, gewonnen hat das Büro Krischanitz & Frank. Das nach einem korrekt abgelaufenen Wettbewerbsverfahren aufgekommene politische Hickhack um angebliche oder tatsächliche zu hohe und dichte Bebauung soll Anlass für eine Bestands­aufnahme der aktuellen Wettbewerbssituation in Österreich sein.

Der österreichische Präzedenzfall ist ausjudiziert (zumindest in der ersten Stu­fe), denn das Bundesvergabeamt der Republik Österreich hat entschieden, dass die ÖBB mit dem Versuch, das Projekt BahnhofCity (Zentral­bahn­hof Wien/Südbahnhof) unter von ihr geladenen Architekten zu vergeben rechts­widrig im Sinne des Bundesvergabegesetzes 2006 ist.

Architekturwettbewerb ist Demokratie
Ein Wettbewerb ist nicht nur eine Einleitung einer Vergabe eines öffentli­chen Auftrages einer geistig schöpferischen Leistung, sondern gleichzeitig ein demokratiepolitisch wichtiger Diskurs über die jeweilige Aufgabe. Wäh­rend private Bauherren wie Firmen immer öfter zum Mittel des Architek­ten­wettbewerbs greifen, um die beste Lösung für eine konkrete Aufga­ben­stellung zu finden, geht die öffentliche Hand genau den umgekehrten Weg. Durch Tochtergesellschaften und Ausgliederungen wird versucht, das Ver­ga­begesetz zu umgehen – die Wahrung der objektiv besten Lösung öffentlich finanzierter Fragestellungen, also dessen, was das Vergabegesetz zu schüt­zen versucht, wird konvertiert in Machtmanifestations- und Selbstver­wirklichungstendenzen öffentlicher Personen oder Firmen.

Architekturwettbewerb im öffentlichen Bereich und seine Vor­teile
Das Bundesvergabegesetz (kurz: BVerG) regelt die Beschaffung von Leis­tun­gen im öffentlichen Bereich. Dieses Gesetz bezieht sich im Wesentlichen auf die Vergabe von öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsverträgen so­wie die Durchführung von Wettbewerben vorwiegend öffentlich finanzierter Auf­traggeber. Schwellenwerte entscheiden über die Art des zu wählenden Ver­fahrens.1
Das BVerG kennt offene, nicht offene oder geladene Wettbewerbe sowie den wettbewerblichen Dialog, wobei geladene Wettbewerbe nur im Unter­schwel­lenbereich zulässig sind. Architekturleistungen kennt das BVerG 2006 als Teilbereich so genannter geistiger Dienstleistungen, die nicht zwingend zum gleichen Ergebnis führen, weil ihr wesentlicher Inhalt in der Lösung einer Aufgabenstellung durch Erbringung geistiger Arbeit besteht. Damit sind die Vorteile der Auslobung eines Wettbewerbes für schöpferische Dienstleis­tun­gen bereits beschrieben: Es gibt nicht nur eine Lösung, sondern viele und nur durch die Vielfalt der Wettbewerbsbeiträge kann verglichen werden und die tatsächlich beste Lösung zur Ausführung gelangen (Best­bie­terprinzip). Wettbewerbe wie z.B. Bäckerfeld in Linz Urfahr bergen – über alle Teilnehmer gerechnet – die Arbeitsleistung der Lebensarbeitszeit eines Architekten in sich!

Die Form des offenen Architektenwettbewerbs ist eine seltene. Dies führt da­zu, dass sich viele ArchitektInnen auf die wenigen offenen Wettbewerbe stür­zen. Dadurch ergibt sich bei jenen eine verrückt große Anzahl an Ein­sen­dungen – doch schlussendlich kann nur ein Projekt, im Idealfall das Bes­­te, zur Ausführung gelangen.
So wird seitens der Auslober versucht, die Teilnehmerzahl durch Bewer­bungs­verfahrung und Referenzprojekte einzuschränken (wo doch der Sta­tus der/s ZiviltechnikerIn allein, aufgrund seiner strikten Zulassungs­be­schrän­kungen schon genügend Fachkompetenz in sich vereint) oder eben das Verfahren eines offenen Wettbewerbs gänzlich zu umgehen, wie das Bei­spiel ÖBB beweist. Hielte sich jeder vorwiegend öffentliche Auftraggeber an das BverG und schriebe offene Wettbewerbe aus, würden sich deren Teil­neh­merzahlen automatisch regulieren …

Mangelnde Regelungen führen zu mangelhaften Ergebnissen
Wie ein solcher Wettbewerb abzulaufen hat, ist gesetzlich nur marginal ge­regelt. Zwar gibt es eine von der Bundeskammer für ArchitektInnen und In­ge­nieurkonsulentInnen erstellte Wettbewerbsordnung Architektur, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zustimmend zur Kenntnis ge­nommen wurde, verbindlich ist diese dadurch leider keineswegs. Nicht einmal ein Einspruchsrecht gesteht das BVerG der Kammer als gesetzliche Ver­tretung zu! So kommt es in der Praxis allzuoft zu schlampigen Ausschrei­bun­gen mit irrwitzigen Eignungskriterien für die teilnehmenden Architekt­Innen, vom geforderten Honorardumping schon in der Ausschreibung selbst ganz zu schweigen. Was ein öffentlicher Auftraggeber damit bezwecken mö­ge, bleibt nicht nur Fachkreisen schleierhaft, seiner Verantwortung als Bau­herr kommt er damit bestimmt nicht nach.

Von der Bestellqualität über den Wettbewerb zur nachhaltigen Planung
Jedes Wettbewerbsergebnis kann nur so gut sein, wie die ihm zugrunde liegende Ausschreibung, also die Definition von städtebaulichen Rahmenbe­din­­gungen, räumlichen Qualitäten, funktionalen Zusammenhängen und der­glei­chen, jedoch ohne gleich von Beginn an in der Manier von Facility Ma­nagern jeden m2 mit Funktion zu belegen und zu minimieren. Die beste archi­tektonische Lösung selbst einer präzise definierten Fragestellung könn­te nämlich jene sein, die den Rechenschieber durch Kreativität und bloße Zahlen durch räumliche Qualitäten ersetzt. Um dies zu erkennen, braucht es eine fachlich qualifizierte Mehrheit in der Jury, die anonyme Wett­be­werbs­arbeiten eines offenen Wettbewerbes objektiv zu beurteilen vermag.
Oft sind zur Erreichung eines optimalen Ergebnisses mehrstufige Wettbe­werbsverfahren notwendig, denn z.B. stadtplanerische Aufgabenstellungen wie Flächenwidmung und Bebauungsbestimmungen müssen vorab von Fach­planern gelöst werden, um optimale Rahmenbedingungen für die Fragen nach konkreten Bauwerken in der nächsten Stufe zu bereiten. Ein Instru­ment, das besonders hierzulande nur allzu selten zum Einsatz kommt.

Stadtplanung wird zunehmend von Politikern betrieben, ohne die Meinung von unabhängigen Fachleuten einzuholen. Natürlich kann die Entscheidung über die städtebaulichen Vorgaben wie Dichte, Höhe, zulässige Nutzung, die Lage der Baufluchtlinien et cetera immer nur eine politische Entscheidung sein. Der Weg zu diesen Entscheidungen ist eine Frage der politischen Kul­tur und setzt den Diskurs mit Fachleuten wie der betroffenen Bevölkerung – im Idealfall über den Weg eines Wettbewerbs – voraus.
Je sorgfältiger Länder, Städte und Gemeinden als Bauherren agieren, umso nachhaltiger wird die zu vergebende Planung langfristige Qualitäten für die Öffentlichkeit hervorbringen.
Öffentlichkeit sind wir alle, unabhängig von Einkommen, Parteibuch, Natio­nalität oder Hautfarbe – und in diesem Sinne ist die sorgfältige und nachhaltige Verwaltung öffentlicher Gelder eine der wesentlichsten Pflichten öf­fentlicher Bauherren.

Kreativität, Technologie und Kultur
Das Honorar von ArchitektInnen beträgt nur ei­nen Bruchteil der Her­stel­lungs­kosten und einen noch kleineren Teil der Lebenskosten eines Ge­bäu­­des. Hier zu sparen wäre ähnlich dumm, wie sich zu kleine Schuhe zu kaufen, nur weil sie eben ein bisschen billiger sind – Schwielen, Hüh­neraugen, ja sogar Verkrüppelungen sind die Fol­ge, zur Not wirft man das Schuhwerk einfach wie­der weg.

Fehlende Architektur- und Stadtplanung ist nicht so leicht zu entsorgen, das Leiden könnte von Dau­er sein – der Griff zum Billigstbieterprinzip also ein lang währender Schaden an Stadt und Land als Kulturgut. Die Politik ist da­her aufgefordert, die sensible wirtschaftliche Position der Krea­tiv­industrie, zu der auch Architektur- und Stadt­pla­nung zählen, im globalen Wettbewerb zu stärken, denn deren Vernachlässigung birgt mittelfristig ne­gative Aus­wir­kungen auf den technologisch-kulturellen Status einer Region in sich.

1    Schwellenwerte laut BVerG 2008:
    Liefer- und Dienstleistungsverträgen vergeben von zentralen Beschaffungsstellen (Ministerien und dergleichen)
EUR 133.000,00
    vergeben von nicht zentralen Beschaffungsstellen
EUR 206.000,00
    vergeben von Sektorenauftraggebern (z.B. ÖBB)
EUR 412.000,00
    Bauaufträge EUR 5.150.000,00

Quellen:
IG-Architektur: www.ig-architektur.at
Bundesvergabegesetz: www.ris.bka.gv.at
Wettbewerbsordnung Architektur (WOA) Stand 16.10.2000. Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulten.
Hg. BIK-Verlgas-gesmbH. 2000

Informationen über städtische Vergaberichtlinien und Architekturwettbewerbe seit 2001 in Linz:
www.linz.at/presse/2007/200708_34070.asp

20
Zurück zur Ausgabe: 
04/08

& Drupal

spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz 2006-2014