Editorial
Wir essen nicht, was uns schmeckt, uns schmeckt, was wir essen. Denn, was oft genug vorgesetzt wird, das schmeckt einfach, so gehört von einer Ernährungswissenschaftlerin auf Ö1. Essen als schmackhafte Metapher für Konsumverhalten. Die Moderatorin fasst zusammen: Kinder, denen oft genug Spinat und Gemüse vorsetzt wird, schmeckt’s auch, und es braucht kein elterliches Vorbild für ungeliebtes Nahrhaftes, es genügt, dass die Eltern ein Produkt mit der gleichen Farbe essen.
Egal welcher Farbe oder Art, irgendetwas löst hier Übelkeit aus.
Geht’s über die private Gesundheitspropaganda vielleicht um ein paar Ecken nur darum, die Ekelgrenzen von jemand zu überwinden, dem etwas vorgesetzt wird? Schließlich sind wir ja alle ein bisschen Kinder, böse Zungen haben schon des Öfteren behauptet, unsere Gesellschaft sei eine, die sich zunehmend infantilisiert habe.
Zum wiederholten Male wird armer Spinat als Beispiel missbraucht, um jemandem etwas vorzusetzen, was er nicht will. Schade, denn Spinat ist ja an sich was sehr Gutes, obwohl er gar nicht so viel Eisen beinhaltet, wie einst behauptet wurde, was viele Eltern und Kinder in einen dauerhaften Konflikt getrieben hat, sagt zumindest die Legende.
Was essen Eltern eigentlich, die ihren Kindern zuliebe „etwas Grünes“ essen wollen, denen weder Spinat noch Gemüse schmecken dürfte, sonst würden sie es ja ohnehin selbst damit versuchen? Einen fetten Haufen Beef Tartar mit Petersilie getarnt? Kaviar mit vielen grünen Oliven drauf? Probiotische Joghurtdrinks, die ja weiß sind, aber eigentlich noch grüner als grün? Das erklären sie ihrem Kind dann mal. Oder als Höhepunkt des Täuschen und Tarnens: Heimlich Chips, Hamburger oder Junkfood während der Bettzeit der Kinder – noch schlimmer, noch ungesünder – beim Fernsehen?
Was ist eigentlich die grüne Entsprechung zum Fernsehen, das machen Kinder ja angeblich auch ganz gerne? Den Fernseher ganz vorbildlich mit einer grün angestrichenen Hacke, quasi einer Spinathacke, weil die Hacke ja auch aus ganz viel Eisen besteht, zusammen dreschen? Oder dem Kind salbungsvoll erklären, dass das zwar richtig wäre, man es aber doch nicht mache, weil es ja 3Sat, Bayern und Arte gäbe, letzterer auch mit dem entsprechenden, pädagogisch wertvollen Kinderkanal.
Es kann dann aber passieren, dass ihr Kind später, wenn es sich aus der pädagogischen Umklammerung zu lösen imstande ist, wegen der ganzen Bemühungen zu irgendeinem Gegenteil mutiert oder ihnen zumindest einmal sagt, dass sie während seiner gesamten Kindheit zwar viel geredet, aber ihm nichts gesagt hätten. Und in ihren ganzen Absichten, das Gute und Richtige zu machen, irgendwie manipulativ agiert haben oder durch ihre pädagogischen Verbiegungen das einzig Wichtige nicht vermittelt hätten, worauf es eigentlich angekommen wäre: Um die Vermittlung eines eigenen, wie auch immer authentisch erlebten Geschmacks – und das in jede Richtung.
Wir befürworten statt eines herkömmlichen Editorials dieses Mal also ganz generell, dass möglichst viele das tun sollen, was sie gerade wollen und diese ungesunde oder gesunde Arroganz möglichst oft weitergegeben wird, jene, die derartige Ermutigung brauchen können, um wieder aktionsfähig zu sein.
In diesem Sinne, dieses Mal bitte selber auf der nächsten Seite nachsehen und finden, was in spotsZ zu lesen ist.
Ihr Spinatblatt spotsZ
spotsZ@servus.at
P.S.: Eat the Rich! Und wenn man es oft genug macht, dann schmeckt’s auch.
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