100 Jahre Radio, 10 Jahre Radio FRO

Radio FRO feiert 10 Jahre, vor etwas mehr als 100 Jahren wurde die Radiotechnologie entwickelt. Anlass für uns, nachzufragen, wie das alles einmal war. Teil 1 einer 2-teiligen Serie: Radio­geschichte, die Entwicklung der freien Radios in Österreich, Zukunftsvisionen und die Frage, was denn freies Radio ist und sein kann. spotsZ führte ein Interview mit Michael Schweiger, Radio FRO Mitarbeiter, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Projektkoordination.

Eine Gesellschaft ohne Radio, ist das heute noch vorstellbar?
Ich möchte ein Songzitat aus den frühen 80ern hernehmen, video killed the radiostar, ich bin sehr glücklich, dass das nicht passiert ist, dass Radio nach wie vor ein lebendiges und sehr aktives Medium ist, das zudem mit dem In­ter­net noch an zusätzlichen Möglichkeiten gewonnen hat.

Wie waren die Anfänge des Radios, wie wurde das Medium verwendet?
Radio ist relativ bald als Distanzenkommunikationsmittel zum Einsatz ge­kom­men, um Wetterdaten über den Ozean zu schicken, die Schiffe zu koordinieren, um zu wissen wie lange es noch brauchen wird, bis so ein Ozean­riese jetzt wirklich von Hamburg nach New York kommt, um in den Docks darauf vorzubereiten, dass die ArbeiterInnen zum Entladen da sind und Ähn­liches. Es hat Leute gegeben, die sich damit nicht zufrieden gegeben haben. So kamen die ersten Versuche vor ca. 100 Jahren auch Stimme auf die Trägerfrequenz draufzumodulieren und damit wurde das amplitudenmodulierte Radio ins Leben gerufen.

Was war das Hauptanliegen, ist es immer nur um Information gegangen?
Das erste Anliegen des Radios war, klare Informationen zu transportieren, Experimente sind jedoch in die Richtung gegangen, Musik, Unterhaltung etc. zu transportieren. Das, was wir heute als Radio verstehen, ist erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden.
Die USA haben beim Kriegseintritt in den ersten Weltkrieg begonnen, das Ra­dio als militärische Kommunikationsmöglichkeit zu entwickeln, Radio wur­de zu einem kriegswichtigen Medium erklärt. Damit war auch auf einen Schlag die vorher unregulierte Möglichkeit, ohne Lizenzen Radio zu ma­chen, eingeschränkt. Man hat die Fähigkeit des Massenmediums Öffentlich­keit zu erzeugen und damit staatliche Einigkeit, Identität von Gesellschaft und Be­völ­kerung zu schaffen, erkannt, also ein generatives Medium daraus gemacht.
Gleichzeitig war in dem Moment Geld dafür da, die Technologie weiterzuentwickeln. Es ist ein Zeichen für viele technische Entwicklungen, dass der Krieg und die militärischen Notwendigkeiten dazu führten, dass wirtschaft­liche, technische und wissenschaftliche Aspekte gebündelt wurden und dann zu Innovationssprüngen führten.

Stichwort politischer Missbrauch des Radios als Kriegsfunk und für Kriegs­pro­paganda. Gab es da auch Gegenbewegungen?
Vor dem 2. WK in der Zwischenkriegszeit gab es ArbeiterInnenfunk und auch den Anspruch, das Medium Radio für revolutionäre Zwecke zu verwenden, der monopolisierten Meinungsverbreitung mittels Massenmedium Radio entgegenzuwirken. Auf jeden Fall gab es im 2. Weltkrieg Wider­stands­bewegungen, die ebenfalls das Medium Radio genutzt haben.

Es gibt ja seit den 80er Jahren in Ö ein gesellschaftspolitisches Anliegen, das Medium Radio anders zu nützen. Sogenannte Piratenradios florierten, mit welcher Zielsetzung und wer steckte da dahinter?
Dazu ist anzumerken, dass es lange vorher in den USA und in manch anderen Ländern Privatradio gegeben hat, kommerzielles Privatradio, nicht zu verwechseln mit den freien nonkommerziellen Radiobewegungen von heu­te. In Italien ist in den 70er Jahren das freie Radio stark vorangetrieben wor­den, nicht nur mit kleinen lokalen begrenzten Radiosendern, sondern mit relativ weitreichenden Radiosendern. Eine Pionierstation war Radio Ju­lia. Unter einer linken Regierungskonstellation wurde dem öffentlich rechtlichen, dem staatlichen Medium, etwas entgegengesetzt.
Die Piratenradioszene in Österreich, die in den ganz späten 80er Jahren be­gonnen hat, hat sich als einen Versuch, eine Bewegung verstanden, die de­zentral aufgekommen ist und gesagt hat, wir wollen Radio machen, in der Öffentlichkeit tätig sein.
Das Medium Radio hat sich deshalb angeboten, weil es denkbar einfach ist, verglichen mit dem Fernsehen. Ein Piratenradiosender war nur un­we­sent­lich größer als zwei Zigarettenschachteln übereinander, was man noch brauch­te, war eine Antenne. In den meisten Fällen sind die Sen­dun­gen auf Kassetten vorproduziert und auf Walkman abgespielt worden.
Also eine „Jausenpackung“, einige Batterien und eine gute Antenne waren zum Mittragen.

Piratenradio – Freies Radio. Wo liegt der konkrete Unterschied?
Einer der konkreten Unterschiede liegt darin, dass Piratenradio etwas ro­man­tisch Subversives war, gleichzeitig hat sich Piratenradio in den wenigsten Fällen als Bewegung oder Initiative verstanden, die an diesem Punkt stehen bleiben wollte, immer war das Ziel dahinter, Radiostationen und Stu­dios etablieren zu können, redaktionell arbeiten zu können, viele Sendun­gen zu produzieren. Als das immer bunter geworden ist, hat es von Seiten des Staates und der Regulationsbehörden massive Ansinnen gegeben, die Leute, die Piratenradio machen, zu finden, das ist mit Triangulation durch die Post geschehen,
Dann wurde das Gesetz geändert. Freies Radio als Bewegung ist in den meis­ten Ländern aus den gesellschaftlichen, politischen Konstellationen her­aus entstanden und hat sich an diesen (dagegen) orientiert und generiert. In Österreich steht freies Radio für Werbefreiheit und dafür, frei zu sein von kommerziellen Quotenregelungen. Freies Radio ist erst im Rahmen des Pri­vat­radiogesetzes möglich geworden, das war 1997. Was die große Freiheit in OÖ – speziell von Radio FRO – ausmacht, ist, dass momentan 26 % der Sen­de­zeit für nicht deutschsprachige Sendungen reserviert sind, das sind mo­mentan 33 Sendungen.
Es gibt die Möglichkeit, kleinere Öffentlichkeiten statt einer riesigen mit In­formationen zu bedienen. Der große Vorteil davon ist, dass eine Viel­schich­tigkeit möglich ist, die ein kommerziell, finanziell verpflichtetes Radio nicht leisten kann.

Radio FRO als freier Lokalsender im Großraum Linz. Wie war der Anfang?
Der Anfang waren die Piratenradiogruppen. Sie waren in verschiedenen Häu­sern in Linz vorhanden, es gab unterschiedliche Konzepte in der KAPU und in der Stadtwerkstatt.
Von Seiten der KAPU gab es eher den Ansatz, ein Medium zu schaffen und zu bekommen, das deutlich politisch Stellung bezieht, eine im vorhinein gefundene kleine Öffentlichkeit bedient.
Die Leute aus der Stadtwerkstatt haben eher den Weg gewählt, eine Viel­fäl­tigkeit zu schaffen, verschiedenste Leute zu integrieren, also ein Radio zu schaf­fen, in dem viele Menschen ihre Belange und Informationen hinausbringen und dadurch Diskurse starten.
Alles war möglich, ist heute noch möglich. Da­hin­ter steht das Konzept der Meinungs­bildungs­frei­heit, was bedeutet, die Menschen entscheiden sel­ber, was sie hören wollen, werden also auch da­hingehend nicht bevormundet.

Es hat also mehrere Splittergruppen gegeben. Wa­rum hat sich Radio FRO durchgesetzt?
Da solche Lizenzen von Seiten der Regulie­rungs­behörde auf 10 Jahre vergeben werden, stellte sich die Frage, wer hat den langen Atem, das auch durchzustehen, auch auf der finanziellen Res­sour­censeite. Die Leute, die damals Radio FRO auf den Weg gebracht haben, konnten sehr gut antizipieren, sehr gut wahrnehmen, was gesellschaftlich, gesellschaftspolitisch möglich ist, welche Konzep­te, Ideen, Ansprüche und Ausrichtungen schwer von den Verhandlungsgegenübern verneinbar sind und sie waren sehr flexibel in der konzeptionellen Gestaltung und haben eben nicht aufgegeben.

Fortsetzung der Serie „100 Jahre Radio, 10 Jahre Radio FRO“ in der nächsten Ausgabe von spotsZ.

1997: Änderung des Radiogesetzes in Österreich, als eines der letzten europäischen Länder fällt das staatliche Rundfunk­mo­nopol, freie Lizenzen werden möglich.
Antragstellung des Vereins Radio FRO, Gründung der GesmbH.
September 1998: Sendestart auf Radio FRO 105,0
2001: Neuentwurf des Programmschemas und der eigenen Re­­daktion FROZINE, Ausbau des Ausbildungs­be­rei­ches
2008: 300 SendungsmacherInnen mit 122 Sendungen in 17 ver­schiedenen Sprachen gestalten ein 24 Stunden Pro­gramm.
www.fro.at

Freie Radios in Österreich sind im Verband der freien Radios Österreich organisiert, www.freie-radios.at.

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