„Unser Schicksal liegt in einem Löffel, wenn es dem Mann nicht schmeckt“ ...

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Anlässlich der Aufführung der „Prinzessinnendramen“ von Elfriede Jelinek im Linzer Eisenhand eine Reflexion über die Vielzahl (medialer) weiblicher Rollenbilder von Julia Binter.

... meint Sylvia (Plath) lakonisch zu Inge (Bach­mann), oder Inge zu Sylvia. Die Hauptrollen in Elfriede Jelineks fünftem Teil der „Prinzessinnen­dramen“, ab 25. März in der Eisenhand zu sehen, sind nicht genau verteilt, austauschbar, denn ihr Schicksal ist universal. „Die Frau konstituiert sich, als die Unterlegene, nur in der Spiegelung durch den Mann (...) und durch die Bilder, denn nur ihr Aussehen und ihre Jugend können ihr Wert verleihen, nie das Denken.“

Hart aber ehrlich, so ist sie, unsere Literatur­no­bel­preisträgerin aus 2004; vor allem zu sich selbst und ihrem „Stand“. Mit makabrem Blick legt Je­li­nek ihre eigene „durchschlagende Wir­kungs­lo­sig­keit“ als Schriftstellerin frei und „die Lächer­lich­keit des Wunsches, etwas zu schaffen, das über einen hinausreicht. Noch dazu, wenn man eine alternde Frau ist, die in der Gesellschaft ohnedies das Verachtetste und Lächerlichste ist, weil sie kei­nen sexuellen Wert und daher überhaupt keinen Wert mehr hat.“ Aber hat die literarische Pro­vokateurin noch nicht den neuen Werbespot für die „Pro-Aging“-Produkte (z.B. von Dove) gesehen? Oder die wundersame Bekehrung von Jack Nickolson in „Was das Herz begehrt“ durch eine reife Diane Keaton in Jungmädchengestalt? Ach so, es geht wieder nur um Körper, nicht um den Kopf. Den rennt sich frau nach wie vor an der gläsernen Wand an, die von Marlen Haushofer schon 1962 diagnostiziert und von vielen Frauen auch heute noch geschrubbt und poliert wird. „Do­ing Gender“ nennt die Literatur­wissen­schaf­terin Judith Butler diesen performativen Prozess der perpetuierenden (Re-)produktion von Ge­schlechts­verhältnissen und -normen. Natürlich kön­nen aber auch – wir sind ja trotz aller sozialen Zwänge immer noch autonome Wesen qua Ent­scheidungsfreiheit laut dem französischen So­zi­o­lo­gen Pierre Bourdieu – neue Normen und Leit­bil­der geschaffen werden. So neuerdings das Image der erfolgreichen, emotional erfüllten Kar­rierefrau und Mutter in Personalunion. Raben­mut­­ter ade! Her mit Ganztageskindergärten für alle! Für den Haushalt ... Karrierefrauen verdienen genug, um sich eine Haushaltshilfe zu leisten, oder einen Mann oder beides. Das „andere starke Geschlecht“ macht ja bekanntermaßen bei solchen Experimenten immer gerne mit.
Gutenachtgeschichten bleiben eigentlich der einzige heikle Punkt dieser Neuorientierung. Aber wie Jelinek mit ihrer ironischen Dekonstruktion der Märchen „Schneewittchen“ und „Dorn­rös­chen“ (Teil I und II der Dramolette) veranschaulicht, sind Prinzessinnen, die auf ihren Prinzen warten, um wachgeküsst zu werden, ohnehin out – out of order. Wer will schon ewig kindlich und gleichzeitig gebärfreudig sein, unantastbar im Me­dienzeitalter als Projektionsfläche männli­chen Größenwahnsinns und weiblicher – salonfähiger – Naivität fungieren? Vielleicht all jene, die zu Princess Dianas mit einer überdimensionalen Fackel markiertem Unfallort pilgern. Denn im­mer­hin tat diese Lichtgestalt Gutes für die Men­schen, ließ sich zu karitativen Zwecken einsetzen. So wie Jackie (Kennedy) – als einzige von Jeli­neks Prinzessinnen nicht vom Landestheater ge­zeigt. Politische Frauen sind ja heutzutage auch ein heißes Thema, der Aufstieg von Hillary Clin­ton von der First Lady zur Präsidentschafts­kan­di­datin neu aber nicht einzigartig. Nur „ihr Haar in betongeronnener Verkörperung von männlich/
weib­lich (forsch kurz, aber mit Wellen) wie ein Schutzhelm um ihren Kopf“ (Alice Schwarzer) lässt eine Rückbesinnung auf das tertiäre Ge­schlechtsmerkmal, die Körpersprache, vermuten. Angela Merkel hat es ihr schließlich vorgemacht. Da die Verwandlung vom hässlichen Entlein in einen ablichtungswürdigen Schwan, das heißt vestimentäre Veränderungen vollzogen sind, darf sie nun aktiv – richtige – Politik machen. Das höchs­te Amt im Staat, das ist doch mal ein anderes Ziel als Zauberstab, Puderquaste und Diadem.

Was machen nun aber diejenigen Frauen, für die die Möglichkeit eines Präsidentenamtes eine noch viel größere Utopie darstellt als der strassbesetzte Thron? Eine subversive Lesart des Aufei­nanderprallens von Prinzessinnenträumen und so­zialer Realität hat Fernando León de Aranoa mit seinem Film „Princesas“ auf Zelluloid ge­bannt. „Du willst dich nicht bezahlen lassen?“ ver­­steht Caye die Welt nicht mehr. „Nein, heute Abend sind wir Prinzessinnen“. Zulema und Caye sind zurzeit ins unseren Kinos zu sehen.

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