Operndiven, Porno

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Diven und andere Frauen­bilder: Ein Inter­view zu diversen Genre- und Rollen­klischees.

Das Interview mit Cesary Tomaszewski ergänzt die Bespre­chung von „Dance Tet­­­ra­logy“ auf den vorangegangenen Sei­ten.  

Was macht die Faszination der Oper aus?
Ich muss biografisch antworten. Bereits als 8jähriger besuchte ich die Oper in Warschau und es dauerte ein, zwei Mo­na­te, bis ich süchtig nach der Oper war. Sie ist jetzt ein Teil meines Lebens wie Trinken oder Rauchen. Für mich ist das eine sehr, sehr kraftvolle Form, die alles Mögliche in sich versammelt und die vor allem durch mit einem hohen emotionalen Faktor durchtränkt ist. Ich habe ir­gend­wann dann festgestellt, dass diese Be­geisterung nicht bei jedem funktioniert, was mich schon früh sehr verwundert hat. Interessant war nun für mich die enorme stilistische Bandbreite von Dekadenz und Moder­ni­tät der Oper mit der Performance und anderen Stilmitteln zu mixen zu einer eigenen Blase – den Intellekt, die Emotion und das Geheimnis zu einer performativen Variante der Oper zu machen.

Soll da nicht auch kräftig eine „konservativ bis tote Form“ Oper abmontiert werden?
Nein, überhaupt nicht. Mir geht es viel mehr darum, auf die gro­ßen Gefühle zu reagieren, keine Angst vor Pathos und Pein­lichkeit zu haben oder etwas, das man eigentlich nicht aufeinander beziehen kann, aufeinander prallen zu lassen. Es ist ja so, dass jeder sehr viel vermisst im Leben, eine große Sehn­sucht in sich trägt und es entsteht dann ein Clash von finden und nicht finden. Und so viele große Themen gibt’s ja nicht. Meiner Meinung nach sind es nur vier: Sex, Geld, Liebe und Tod. Ich möchte in meiner Arbeit etwas übersetzen, das viel zu groß ist für das eigene Leben: Du wirst geboren, hast dann deine Prime Time und du stirbst – und dazwischen gibt es die großen Gefühle und ein paar Überraschungen.

Warum hast du nur Frauenfiguren gewählt, bzw. was bedeutet es darüber hinaus, wenn im Programm etwas von „abergläubischen“ Diven steht?
Aberglaube ist eine etwas unglückliche Wortwahl, besser ist eigentlich Fetisch. Das be­ziehe ich auf die Wirkung der Oper, die für mich eigentlich gleich wie ein Porno wirkt – beide ma­chen mich geil. Über ein derartiges Zusammenwirken mache ich noch im März gemeinsam mit Sabile Rasiti in Wien im dietheater das Stück „Strawberry Muffin – based on Händels Giulio Cesare“, und natürlich spielen wir auch da sehr stark mit Erwartungen. Was die Frauenrollen in „Dance Tetralogy“ anbelangt: Ganz eindeutig glaube ich an die Frauenpower, den Instinkt, die Kraft, die Lebensintelligenz der Frauen. In­te­res­sante Män­nerrollen gibt es in der Oper ja nicht, sie sind einfach nicht stark. Es gibt ja generell, sagen wir sechs, sieben Verkörperungen von Männerbildern, zum Beispiel den Ma­cho, den Intellektuellen, den Vater, etc. Im Gegensatz zu Frauen schließen diese Rollenbilder aber nicht viel mit ein. Bei den Frauen dagegen brodelt es, da entstehen ganze Uni­versen in einem Charakter.

Was bedeutet es, wenn du sagst, dass „Dance Tetralogy als Ganzes die Antwort auf den Ring der Nibelungen ist“?
Das bezieht sich einmal auf die Struktur der vier Teile. In gewisser Weise könnte man bei Dance Tetralogy auch von einer Trilogie mit Prolog sprechen: Der Prolog beginnt mit einer „biographischen“ Auditionsituation: Ich als meine Büh­­nen­figur möchte berühmt werden. Zum anderen werden in al­len vier Teilen entsprechend ihrer Opervorbilder, bzw. den Fi­gu­ren Walküre, Königin der Nacht, Tosca und Medea Themen ab­gehandelt sowie aufgebrochen. Auf meh­reren Ebenen von Biografie und Mythologie werden Leidenschaft, Entschei­dung, Identität, Unschuld und Krieg ineinander verwoben. Das Gan­ze endet in einer Göt­ter­dämmerung, die am Schluss eine Apo­kalypse beschreibt, die wir ohnehin schon kennen: Das Bom­bar­dement des Irak durch die Britische Armee, dann die Pa­nik nach einem Selbstmordattentat in Tel Aviv. Die Video­bil­der, die da am Ende laufen, habe ich im Internet gefunden.
 
Was sagst du zur Diva Netrebko? Ist sie auch deine Heldin auf der Suche nach den verloren gegangenen großen Ge­fühlen?
Es ist unglaublich, was da für ein Hype abläuft, und ob­wohl es das anderswo auch gibt, ist das wieder typisch österreichisch. So eine Renaissance der Oper in den Me­dien hat si­cher auch mit der hohen Emotionalität und dem Pathos zu tun, die in der Form vielleicht wirklich ab­handen gekommen sind – und Netrebko ist sicher auch eine perfekte Verkör­pe­rung einer modernen Diva, derer es momentan ja eigentlich schon mehrere gibt, die alle ein immenses Spektrum an Qua­li­täten aufweisen. Aller­dings beschreibt diese Renaissance der großen  Gefühle auch etwas anderes:  Gerade weil die Oper sehr lange ex­trem verstaubt war, ist diese Öffnung, die jetzt auf mehreren stilistischen Ebenen stattfindet, umso interessanter. In der Oper beginnt vieles erst gerade, was im Theater schon durchexperimentiert wurde. Das wird vielleicht un­ter anderem auch über die Person Netrebko transportiert. Das Erstaunliche bei ihr ist aber auch, dass sie in diesem medialen Wahnsinn künst­lerisch immer besser wird.

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04/07
FotoautorInnen: 
Hannelore Mollnhuber

Ulrike Hager als Königin.

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