Vertigo im Parkhaus

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Bereits im April war Rainer Gamsjäger Artist in Residence im O.K – und wird auch im Juni bei der Triennale zu sehen sein: Computergenerierte Abläufe gefilmter Naturphänomene – als Panorama­projektion in Garage, Galerie oder als „youtube“-Minaturen.

Freitagnachmittag nach dem Kaffee: Ein Anruf in Linz, Rainer G. sitzt gerade bei der Bildbear­bei­tung. Er hat die Panorama­pro­jektion seiner Ins­tal­lation „Cluster“ – gezeigt am Abend des 21. April als Rahmenprogramm des Filmfestivals „Cros­sing Europe“ – penibel fotografisch dokumentiert.
Wir unterhalten uns ausführlich über diesen Abend und seine Arbeiten: Es herrschte ein Kommen und Gehen, er musste vie­le Fragen (zum Herstellungsprozess der Bilder) be­antworten. Die nahe Wolke vom fernen Island spiel­­te an diesem Abend je­denfalls eine wichtige Rolle ...
Ebenso die eher kühle Witterung und das prag­ma­tisch-coole Ambiente des Parkhauses mit Raum­hö­hen von 2 Meter 20. Sehr plastisch wirkende Rauch-Wolkenformationen und ihre gedehnten, un­typischen Bewegungsabläufe – ein aufwendiges 12 Meter-Panorama auf drei screens als Endlos-Loop.
Er selbst sei, so meint er, immer wieder überrascht vom End­pro­dukt seiner Arbeit – in diesem Falle hat er (als „Artist in Residence“ des OK Linz) zwei Monate daran gearbeitet. Die Auf­merksamkeit der Rezipienten wird sehr herausgefordert, vie­le werden ungeduldig, andere sind beeindruckt von den Bil­dern.
Zwiespältige Reaktionen (in der relativen Sicher­heit des Park­hauses) auf eine Inszenierung des Er­habenen – Benutzer­ober­fläche Natur, dahinter von bits und bytes „verschobene“ Pixel. Eine Insze­nie­rung, die sowohl Irritation als auch Kontem­pla­tion bietet.

Unter Cluster versteht man eine Ballung von Teil­chen oder Atomen, der Begriff wird auch in der zeit­genössischen Musik für Tonstrukturen ver­wen­det.
Gamsjäger interessieren dynamisch-chaotische Sys­teme der Natur: Wasser (wave #1–3) oder eben Rauchwolken.
Jedesmal dreht er sehr viel Rohmaterial: Für „Clus­ter“ inszenierte er pyrotechnisch eine riesige Rauch­wolke, die gefilmt und digital nachbearbeitet wur­de: mithilfe eines Computer­pro­gramms, das die ein­zelnen Pixel bearbeitet, entsteht ein digitaler Pa­ra­l­lelraum.

Nachforschend stieß ich auf folgende technische Erklärung: Das Video würde nicht als Abfolge von Einzelbildern interpretiert, sondern als (kristalline) Würfelstruktur. Mithilfe des Pi­xel­schlitzes kön­ne man durch diesen Raum navigieren und die Zeit auf unterschiedliche Arten scannen. Vom Küns­t­ler adap­tierte Software „assistiert“ dabei.*
Die Arbeit wird in Linz noch bei der „Triennale“ und dann in wei­teren europäischen Städten zu sehen sein – im Rahmen ei­nes Eu­ropäischen Kul­tur­austauschprogramms, wie er erklärt.

Recherchen im Internet weisen ihn als umtriebigen, gut vernetzten „bricoleur“ und Tüftler aus. O-Ton dazu: „Expe­rimen­tie­ren ist mir wichtig, wenn etwas perfekt und endgütig ist, wird’s uninteressant.“ Seine Homepage zeigt elektronische Appa­­ra­turen, Bildschirmdisplays, Videostills, Links zu youtube. Selt­sa­mer Gegensatz zu den Großbild­pro­jektionen, Ambivalenz der bildnerischen „teaser“-Miniaturen ...
Die (den Dimensionen nach) bisher größte Arbeit: „State of Flux“ ein „one-night-stand“ in der OÖ Lan­desgalerie: 16 x 4 Meter.
Früheren Arbeiten setzten sich meist mit (vom Menschen) ge­nutzter Natur auseinander: Gewer­be­gebiete, Schottergruben, Wasserkraftwerke. Nutz­bar gemachte Landschaften? Im Lau­fe des Tele­fo­nats kommen wir überein, dass es (zumindest in Eu­ropa) einen Gegensatz von Kultur und Natur kaum mehr gibt ...
Selbst ein langsamer Schwank über Wald- bzw. Stadt­land­schaft (trifter, fixkraft) irritiert mit digital errechneten Ef­fek­ten. Vorder- und Hinter­grund sabotieren die Seherwartungen. Seltsames ge­schieht hier, schwer beschreibbar: Die Objekte wei­ter hinten huschen durchs Bild wie Partisanen, scheinen sich verbergen zu wollen; Versuchen als Schlieren getarnt, unkenntlich zu bleiben. Meh­re­re Bildebenen arbeiten gegeneinander; Hervorge­ru­fen durch (vereinfacht gesagt) com­pu­ter­gene­rier­te Veränderungen der logischen Abfolgen im Frame. Die narrative Reihung der Pixel des Aus­gangsmaterials wird außer Kraft gesetzt. Statt­des­sen irritierende Verbindungen von Natur­phä­no­menen mit Bild-Manipulationen ...

*    Artikel von Franz Thalmair in Der Standard vom 01.02. 2010

www.rainer.gamsjager.at
Videoarbeiten bei youtube: trifter (2007), fixkraft, split (2008)

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05/10
FotoautorInnen: 
Rainer Gamsjäger

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