Vollblutgeschenk
Dabei darf und soll es blutig zugehen, ohne dass das Wort „Blut“ in den Mund genommen werden darf. Die Dramen durften nicht länger als zwei Seiten füllen und mussten personell mit drei Schauspielern auskommen. Was daraus resultierte, ist alles andere als ein blutarmer Theaterabend geworden, der nicht barockem Massakertum frönte, sondern in der Reduktion ein faszinierendes, heterogenes Ganzes formte, dessen ausgeklügelte Vernetzung man nach zwei besuchten Vorstellungen noch besser entdecken und verstehen konnte. Die dritte habe ich leider nicht mehr geschafft.
Cejpek ist es in äußerster Präzision gelungen, die 25 naturgemäß höchst unterschiedlich gearteten Minidramen in einen dramaturgisch stringenten Kreislauf fließen zu lassen. Er verschränkt und vernetzt die Dramen derart raffiniert und hilft damit auch jenen Beiträgen auf die Füße, die vielleicht nicht so leicht laufen gelernt hätten. – Oder die sich, wie etwa Yoko Tawadas „BS“, eher als Lesedrama eignen und dafür statische Plätze einfordern. Punktgenaue Spielzüge finden in einem genialisch schlichten Bühnen-Setting leicht veränderbare Welten, dem ein weißes, rotes und ein schwarzes Ikea-Tischchen (Ja genau! Es ist der berühmte Beistelltisch namens „Lack“) neben spärlichen Requisiten ausreicht. In diesen Räumen bewegen sich die Schauspieler Wiltrud Schreiner, Alexandra Tichy und Karl Hoess schlichtweg grandios und in chamäleonartiger Durchtriebenheit. Herrlich wenig Zeit lässt Johannes Schrettle seiner „Frau Schneiderer“ bis zu ihrem Unfalltod oder Gerhard Jaschke um in „blinder wut“ zu verglühen. Altsprachmeister Gerhard Rühm konzipierte eine „dia-schau für kind mann frau oder die zehn verbote“, nach denen das Kind die Eltern nicht fragen soll. Gottseidank gibt es aber Onkel Herrmann! Mit einem starken sprachspielerischen Duktus greift auch Sophie Reyer in ihre „Puppenkiste“ und tütet „du pute die mit den tittn tütet du“. Adelheid Dahimène schürt in ihrem „Noch nie“ koitale Hoffnungen, die aber von Messer und Regen gänzlich versaut werden. Oder Gustav Ernst lässt an seinem „Hochzeitstag“ volksnah eine herzliche Geschlechtsorganentnahme zelebrieren, bis der Salzstangerlphallus in der Semmelvulva stecken bleibt. Markus Köhle lässt in „Heinix“ die Ketchupsorten „Felix“ und „Heinz“ zum Bewerbungsgespräch antreten. Und Margret Kreidl badet in ihrem „Hamlet, Anagramme“ blutige Lautverschiebungen aus. Elfriede Czurda lässt das stockende Blut sprechen und Olivier Salon es selbstmörderisch rinnen. Lucas Cejpek selbst hat pointierte Haiku-Dramen gefasst, in dem Caravaggio oder Pasolini ihre letzten blutverlustigen Worte ausstoßen. Letztlich endet der Abend mit einem launigen Blutbuchstabensturz von Dezsö Tandori. Ein Theaterabend, der dem klangexperimentellen Schl8hof vielleicht neue Impulse hinsichtlich theatralischer Weiterentwicklungen verabreicht. Ein vielgestaltiges Geburtstagsgeschenk, das es auch nachzulesen gibt: Das frische „Frische Blut“ Buch gibt es auch unter www.schl8hof.wels.at. Und am 15. Mai gibt es draußen und drinnen eine Big Geburtstags-Party mit Attwenger, Krautschädl, Sigi Maron, Lampe, Skaputnik, Mischgeschick und Lloop. Gründe zum Mitfeiern gibt es also genug.
„Frisches Blut“
Stücke von Carlos A. Aguilera, Lucas Cejpek, Elfriede Czurda, Adelheid Dahimène, Gustav Ernst, Gundi Feyrer, Harald Friedl + Barbara Neuwirth, Lisa Holzer, Gerhard Jaschke, Ilse Kilic + Fritz Widhalm, Markus Köhle, Margret Kreidl, William Cody Maher, Michèle Métail, Rosemarie Poiarkov, Nathalie Quintane, Sophie Reyer, Gerhard Rühm, Ivana Sajko, Olivier Salon, Johannes Schrettle, Michael Stauffer, Dezsö Tandori, Yoko Tawada, Sabine Wen-Ching Wang.
Nächste Aufführungen:
Schauspielhaus Wien: Do 29.04., + Fr, 30.04., jeweils 20.00 h
Arbeiterkammer Linz: Mi 04.05., 20.00 h
Literaturhaus Graz: Fr 07.05., 20.00 h
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