Regionale Kunst für regionales Publikum

Nach einem halben Jahr hinter Baugerüst und Staubwolke feierte das Linzer Nordico am 18. Mai mit einem Tag der offenen Tür und der Ausstellung „Tür an Tür“ seine Wiedereröffnung samt Neupositionierung im städtischen Museumsbetrieb.

Die Feierlichkeit war eine bunte Freude mit Krea­tivwerksatt, Fotostation, Camera Ocscura, Kinder­chor, Comic-Atelier, und einem Zauberkünstler. „Tür an Tür“, die Ausstellung all jener Künst­ler­In­nen, die in den letzten 50 Jahren ihren Werde­gang im Egon-Hofmann-Atelierhaus begonnen ha­ben, ist auch ein Signal für die neue Program­ma­tik des Hauses. Ein Interview mit Angelika Gill­mayr, Kunsthistorikerin/Kuratorin des Nordi­co und Kuratorin der Ausstellung.

Was wird im Nordico in Zukunft anders sein als in den letzten Jahrzehnten?
Früher war der erste Stock unseres Hauses permanent der Stadtgeschichte gewidmet, das findet man jetzt im Museum „Genesis“ im Alten Rat­haus. Und es gab Ausstellungen aus unterschiedlichs­ten Bereichen: Kunstgeschichte, Archäologie, Ge­schich­te, Völkerkunde und Biologie. Archäolo­gi­sche Ausstellungen wird es natürlich weiterhin ge­­ben, aber Natur- und Völkerkunde nicht mehr. Bei den heutigen technischen Möglichkeiten, und das Publikum erwartet sich natürlich die Aus­lo­tung dieser Möglichkeiten, würde das den finanziellen Rahmen und die logistischen Möglich­kei­ten unseres Hauses sprengen. Dieses Feld überlassen wir also gern den Naturhistorischen oder Tech­nischen Museen, die es in Österreich ja schon gibt. Und in Linz wird dafür ja jetzt einen Flügel im Schlossmuseum geben. Seit 2003 sind Lentos und Nordico eine Unternehmung. Mit dem OK und den Landesmuseen gibt es im Verhältnis zu den Be­su­cherzahlen relativ viele Museen in Linz. Es geht darum, die einzelnen Häuser zu positionieren. Da es von Seiten der regionalen Künstler immer den Ruf nach einer Einrichtung gab, in der sie sich prä­sentieren können, lag die Idee, dass sich das Nordico intensiver um genau deren Be­lange kümmert, nahe. Ich versteh mich also durch­aus als An­sprechpartnerin für regionale Bil­dende Kunst, und zwar: Moderner und zeitgenössischer. Genau so wird die Fotografie bei uns ihren Platz finden.

Die aktuelle Ausstellung unterstützt ja schon die Ambition der Präsentation regionaler Kunst. Von wem kam das Konzept der Ausstellung? War das ihre Idee?
Nein, der Kulturring der Wirtschaft Österreichs, der in den 50er-Jahren das Egon-Hofmann-Atelier­haus (das „Dörfl“) ins Leben gerufen hat, und Bir­gitta Merl (Künstlerin im „Dörfl“) sind mit dieser Idee an mich herangetreten. Alle KünstlerInnen, die jemals in diesem Atelierhaus gearbeitet ha­ben, waren eingeladen, je zwei ihrer Werke – ein frühes und ein aktuelles – zur Verfügung zu stellen. Die Bilder wählten die Künstler selbst aus, weil man ihnen offenhalten wollte, die spannend­s­te Per­spektive ihrer Entwicklung zu zeigen. Nicht al­le sind dem Ruf gefolgt, weil manche heu­te nicht mehr künstlerisch arbeiten. Von den be­reits Ver­storbenen habe ich die Bilder aus den Mu­se­ums­sammlungen ausgewählt. Insgesamt sind jetzt je 2 Werke von 72 KünstlerInnen verschiedenster Sti­le, Techniken, Inhalte und auch Qualitäten zu se­hen. Bei manchen wird deutlich, dass sie ihren Stil über die Jahre in feinen Nuancen weiterentwic­kelt haben, andere, Erwin Bucheder zum Bei­spiel, war in den 70ern Objektkünstler und ar­bei­tet heu­te als Designer und Grafiker. Oder Markus Binder von Attwenger, den viele nur als Musiker kennen.

Markus Binder von Attwenger als einer der prominenten Vertreter der Ausstellung ...
... nein, in dieser Ausstellung hat jeder Künstler, jede Künstlerin „gleich viel Platz“. Es gibt hier kei­nen „Best of“-Gedanken. Markus Binder ist ein Teil von 50 Jahren regionaler Kunstgeschichte. Vie­le regionale Künstler sind freilich bei dieser Ausstellung nicht dabei, aber Ausgangspunkt war eben das Egon-Hofmann-Atelierhaus.

Gibt es mit diesem Ausgangspunkt der Ausstel­lung, dem Atelierhaus, auch eine Verbundenheit zwi­schen den Künstlern?
Also beim Pre-Opening, bei dem sehr viele der aus­gestellten KünstlerInnen anwesend waren, wur­de die Stimmung im Lauf des Abends doch recht fa­mi­liär.

Glauben sie, dass so ein gemeinsames Haus für Künstler, die sich im weitesten Sinn der freien Sze­ne zugehörig fühlen, identitätsstiftend sein kann?
Doch, das glaube ich schon.

Die Vision eines gemeinsamen Hauses geistert ja in vielen Köpfen herum. Oft wie ein Spuk des Wi­der­spruchs in sich.
Klar. Würde man ein Haus für diese – letztlich ja schwer zu definierende – freie Szene einrichten, müsste es ja auch eine Verwaltung geben, Büro­kra­tie, Regeln. Ich kann mir das ohne alledem nicht vorstellen und es wär wohl schwierig, da einer Institutionalisierung zu entkommen. Je­mand muss da sein, der Dinge erledigt, Ver­ant­wor­tung übernimmt, den Künstlern gegenüber, den Kunst­werken und letztlich demjenigen ge­gen­über, der dieses Haus finanziert.

Ist so ein Haus nicht auch deshalb schwer vor­stell­­bar, weil die Selbstorganisation der Künst­ler, be­gin­nend beim Management um die ei­gene Per­son, nicht ihre Stärke ist? Oder ist das ein Kli­schee?
Ich halte das für ein Klischee. Ich hab in meinem Berufsleben schon viele Künstler kennengelernt, die besser organisiert sind als jeder Betrieb, aber natürlich auch viele andere.

Ich weiß, eine naive Frage: Aber sieht man diesen Pragmatismus nicht auch im Werk? Ist Genie und Wahnsinn – oder zumindest eine gesundes Maß an Distanz zur Welt nicht auch oft Bedingung für Kre­ativität?
Ich denke, das ist von Künstler zu Künstler verschieden. Manche brauchen totale Zurückge­zo­gen­­heit, andere werden inspiriert vom „Trubel“, aber will ein Künstler am Kunstmarkt erfolgreich sein, wird er nicht umhin können, Galerien aufzusuchen, auf Messen und Vernissagen präsent zu sein. Das liegt natürlich nicht jedem.

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06/08
FotoautorInnen: 
Reinhard Winkler

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