Wer will nicht erkannt werden?
Die Handlung: Als „er“, der berühmte Schriftsteller, in ihr Leben tritt, ist sie 13 Jahre alt. Was als kindlich-fantastische Verliebtheit beginnt, wird schnell zur Obsession. Sie stürzt sich hinein in einen Rausch leidenschaftlicher Gefühle. Unbeirrbar, konsequent und in haltlosen Gedankenkonstrukten hält sie am Traum ihrer großen Liebe fest. Der Empfänger dieser geballten Liebe ahnt davon nichts, auch nicht in den wenigen, realen Begegnungen. Nie kommuniziert sie ihre Liebe zu ihm, sie will „erkannt“ sein. Erst im Angesicht des Todes offenbart sie sich ihm in Form eines Briefes. Das lebenslang gehütete Geheimnis wird gelüftet, um letztendlich wieder eines zu bleiben: gespenstisch, spannend, fesselnd, trivial, tragisch – kann das wirklich der ganz normale Wahnsinn unerfüllter Liebe sein? Simone Neumayr im Interview.
Auf der Bühne wird ein weibliches Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben: Mit großer Kraft und von ebenso großer Illusion getragen rollt die Frau ihr Leben auf, das sie einem Mann gewidmet hat, der nicht sehr viel von ihr wissen will. Ist das der ganz normale Wahnsinn ungelebter Liebe oder nicht auch äußerst verfestigter, „hysterischer“ Widerstand in einer Gesellschaft, die Frauen systematisch unterdrückt hat?
Ich würde sagen, sowohl als auch. Obwohl ich sagen muss, diese Frau hat sich zusätzlich zur Gesellschaft noch selbst unterdrückt, also diese nahezu religiöse Unterwerfung und Anbetung eines Mannes war selbstgewählt. Aber der Begriff „hysterischer Widerstand“ gefällt mir hier auch sehr gut, weil sie die Entscheidung „Edeldirne“ zu werden selbst trifft, einerseits „um ihm frei zu sein in jeder Stunde“ und andererseits nicht in Armut leben will „um ihrem Kind allen Reichtum zu bieten“, also die Gesellschaft (Männer) zu ihren Gunsten nützt.
Die Frau unterwirft sich zeitlebens einem Mann, der gar nicht da ist. In einer anderen, vielleicht etwas zeitloseren und geschlechtsneutraleren Interpretation ist das wie absurdes Stalking an einer Figur der eigenen Vorstellung – mit realen Einsprengseln, die ja wie im Stück durchaus Folgewirkungen haben können. Aber die Crux ist: Was kaum real ist, kann man auch nicht loslassen. In vielleicht stark abgeschwächter Form kennen wir das alle. Kann man das so sagen? War das auch das Faszinierende am Stück, ich meine, um es (heute noch) auszuwählen?
Ja das kann man so sagen. Eben weil wir das in abgeschwächter Form alle kennen, weil wir uns doch alle mal fragen, was wäre aus mir geworden, wenn ich damals am „Traum meiner großen Liebe“, an meinen damaligen Idealen und Gesinnungen festgehalten hätte, usw. In Zeiten großer Orientierungslosigkeit finde ich es leicht nachvollziehbar, sich in eine Traumwelt ohne Kommunikation und Konfrontation zu flüchten.
Die Frau auf der Bühne möchte von ihrem Angebeteten „erkannt“ werden. Man weiß nicht so recht, was man von dieser Besessenheit, „erkannt“ zu werden, halten soll. Was hast du erkannt, als du dich mit großer Intensität in diese Rolle hineinbegeben hast, diese Frau gespielt hast? Worauf habt ihr, die Regisseurin Doris Schüchner und du, in der Erarbeitung besonders geachtet?
Also in erster Linie hab ich die grenzenlose Einsamkeit dieser Frau erkannt – und selbst die in zweifacher Hinsicht, weil ich als Schauspielerin auch noch nie allein auf der Bühne gestanden bin. Die größte Schwierigkeit war eine szenische Entsprechung für diese Geschichte zu finden. Es ist nun mal eine Novelle in Briefform – also kaum spielbares Material. Wichtig war uns, eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen, in der sowohl Verständnis als auch Ablehnung für diese Figur Platz haben.
Was sind deine/eure nächsten Pläne?
Pläne gibt es derzeit noch keine. Ich stelle mich grade dem nicht minder strengen Publikum im theater-des- kindes. Ich würde es aber nicht ausschließen, dass mir/uns wieder mal ein Stück Literatur schlaflose Nächte und probenreiche Tage beschert.
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