freundinnen der kunst

Die freundinnen der kunst schlossen im September das mit dem KunstRaum Goethestrasse xtd gemeinsam veranstaltete Projekt Tattoo Yourself ab. Reinhard Winkler besuchte die freundinnen und fragt sich: Ist man als Freundin der Kunst selbst auch Künstlerin? Ist die Selbstbehauptung „Künstlerin“ überhaupt wichtig oder ist sie nur ein irrelevantes Apos­troph? Und kann das Kunst sein, was nach einer freundschaftlichen Aktion entsteht, bleibt und vergeht?

In einem Interview behauptet der Installations­künst­ler Aidas Bareikis: „Malerei heißt immer Ober­­fläche und Keilrahmen, hängt immer an einem bestimmten Platz, ist immer eine Ware, im­mer wichtigtuerisch, und Abweichungen sind ver­­boten!“. Und weil ich zur Zeit in einem netten, klei­nen Mailwechsel mit der Malerin Susanne Pur­­viance stehe, hab ich ihr, gar nicht fad, dieses Zitat gleich nach dem Lesen gemailt, woraufhin sie mir prompt und ebenso wenig fad zurückmail­te: „Der Aidas Bareikis ist ein Trottel.“

Der Bogen von Aidas Bareikis’ Zitat über Susanne Purviances’ lapidarer Reaktion hin zu den „freundinnen der kunst“, um die es hier gehen soll, ist kurz gespannt. Wo Bareikis einen Behaup­tungs­satz in den Raum stellt, der den Leser reflexartig auf Konfrontationskurs bringt, stellen die „Freun­dinnen der Kunst“ – Martina Kornfehl, Claudia Dworschak, Helga Lohninger und Viktoria Schlögl – Fragen. Fragen sind gut. Sind Fragen nicht im­mer interessanter als Antworten? Ist letztlich nicht jedes Ausrufezeichen ein erigiertes Frage­zei­chen? Und ist nicht jede Erektion noch zusam­men­ge­bro­chen und zwar: In sich?

Im Februar 2005 etwa, da besuchten die freundinnen der kunst eine Ausstellung im Lentos, wähl­ten Kunstwerke aus, kennzeichneten sie, fotografierten sich selbst vor, unter und neben den Kunst­werken und klebten diese Polaroids an die Len­tos­wände neben die ausgewählten Bilder. Oder ha­ben Geschichten alter Menschen in kleinen Guck­kastenbühnen szenisch dargestellt. Ge­schichten von Menschen, die in der Rudolfstraße wohnen (ein Ort, der ganz sicher nicht zum verweilen einlädt). Aufgezeichnete Gespräche mit Künstlern, aus mehreren Tonquellen abgespielt (inklusive klassischer Picknickgeräusche). Auslagen in Ar­beit. Be­deutungsschwangere freundinnen der kunst ser­vieren Mutterkuchen (gespickt mit Weisheiten und Wahrheiten). Synchronstricken. Muster in ih­ren un­sichtbaren Erscheinungsformen. Luftma­schen (für die Stadt Linz). Reinheit.

Der Materialfundus der freundinnen der kunst ist die Stadt Linz und darüber hinaus der ewige Kampf zwischen Tradition und Selbstver­wirk­li­chung, Anpassung und Individualität. Ihre Pro­jek­­te sind freundliche Interventionen, die auf aktu­elle Zumutungen reagieren. Mit Fotografie, Film und Video, Grafik wird Banales gar nicht erst äs­thetisiert sondern einfach dargestellt und aufgeführt, die daraus resultierenden Bewegungen und Prozesse treiben die vier Frauen mit ihrem Pu­bli­kum in einen performativen Diskurs, in ein be­hän­des Hin- und Herlaufen von Gedanken. Kom­munikation passiert. Und wer mitspielen will, er­kennt schnell: Alltag und unmittelbare Umge­bung funktionieren in ihrer Banalität durchaus zwei- und dreidimensional.

Sind die freundinnen der kunst Moralistinnen? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich hatte ja die Freude, bei ihrem letzten Projekt „City of Res­pect“ als Fotograf und quasi erster Zuschauer mitspielen zu dürfen. Moral ist nun ein hehrer Be­griff, der beschreibt, was jemand für richtig und für falsch hält, und nicht selten wird Moral als Appell formuliert. Und genau das vermeiden die freundinnen der kunst tunlichst: Ihre Auffor­de­run­gen haben nichts Moralistisches. Sie entwerfen weder Lösungen noch Utopien für Miss­stän­de, sie zeigen bloß Umstände, fragmentieren Wirk­lich­keit, setzen diese Fragmente im neuen Rah­men (der Kunst?) wieder zusammen und beschreiben damit, was ist. Vielleicht üben sie auf diese Weise nicht einmal Sozialkritik, möglicherweise ma­chen sie gar keine Kunst, aber: Sie kultivieren Sozia­les. Und doch und ja, wer so will: Sie üben damit durchaus Kritik am Bestehenden. Nur ist der Ton, in dem sie Kritik üben, nicht anklagend, vielmehr führen sich die Dinge auf dem Spielfeld der freundinnen der kunst wie von selbst vor: Es gibt in dieser Gesellschaft prekäre Blödheiten, die sich, wenn man sie auf eine Bühne stellt und in neuem Licht zeigt, selbst persiflieren.

Noch einmal zum Ton der freundinnen der kunst: Der ist ironisch und kalkuliert subversiv oder viel­­leicht auch naiv im Schillerschen Sinn: „Es gibt Au­genblicke in unserm Leben, wo wir (...) der menschlichen Natur (...) eine Art von Liebe und von rührender Achtung widmen. Jeder feinere Mensch, dem es nicht ganz und gar an Empfin­dung fehlt, erfährt dieses, wenn er im Freien wan­delt, wenn er in (...) Verhältnissen und Situa­tio­nen (...) überrascht wird.“ Wenn einem vier Frau­en in rot-blauen Kostümen am Flughafen über den Weg laufen und einen dazu auffordern, sich ein rotes Herz mit blauer Schleife und der Auf­schrift „City of Respect“ auf die Haut tätowieren zu lassen, ist das eine Überraschung. Das tut gar nicht weh, und nicht nur, weil das Herz keine ech­te Tätowierung, nur ein Abziehbild ist. Die freundinnen der kunst provozieren nicht, sie irritieren. Freilich: So werden sie die Weltherrschaft nie an sich reißen. Aber den Gang der Dinge bringen sie damit aus dem Tritt, das allemal. Oder, wie sie selbst sagen: „Von einem Standpunkt aus eine Hal­tung definieren, Rahmenbedingungen und Pro­zes­se, die nicht „passen“ thematisieren und durch „Un­gehorsamsein“ andere Methoden der Selbst­be­­haup­tung finden.“

Sollte Malerei tatsächlich eine in einem Keil­rah­men gesteckte Oberfläche sein, dann klemmt Li­te­ratur zwischen Buchdeckeln, thronen Schau­spie­ler auf ihren Bühnen, vom Publikum nicht sel­ten durch einen Orchestergraben getrennt. Wenn das Kunst ist, fallen die freundinnen der kunst damit natürlich aus dem Rahmen.

Tattoo Yourself: Aktionen im öffentlichen Raum der Stadt Linz, in Zusammenarbeit mit KunstRaum Goethestrasse xtd (2008). Dem­nächst wird das Video „Dasein“ 2mal gezeigt: Beim Film­festival Bri­xen ART im Forum Brixen/Bressanone Brixen am 18.10. und bei der Ausstellung „best off 08“ am 09. 11. in der Kunstuni­ver­sität Linz.
www.freundinnenderkunst.at, www.brixenart.it

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10/08
FotoautorInnen: 
Reinhard Winkler

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