Aus der Ferne – Verwirrt, geglaubt und nichts gewusst

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In Eferding gibt es einen Mann, der ist sich sicher, über ebay einen echten Renoir um knapp 150,- Euro gekauft zu haben. Er glaubt es nicht, er weiß es und braucht deshalb keine Expertisen. Ein bizarres Er­leb­nis in seinem etwas beängstigenden Verkaufs-, Musik­probe- und Restaurierlokal. Der Mann hat das Bild selbst restauriert, sollte es also jemals tatsächlich ein echter Renoir gewesen sein, ist es spätestens jetzt kaum mehr etwas wert. Darum geht’s dem 68jährigen aber nicht, er sieht das Bild an und „weiß“ es. Wie schön muss das denn sein. Ich glaubte, im Sommer viel gearbeitet zu haben, und nun einen Teil meiner Schulden los zu sein. Jetzt weiß ich, dass ich falsch lag, einen großen Teil des Geldes braucht nämlich das Fi­nanz­amt, um Schulden auszugleichen, die ich nicht ver­ursacht habe. Die Welt ist wohl alles was nicht der Fall ist. Wittgenstein soll ja mit Hitler die gleiche Schu­le besucht haben, in Linz nämlich, wo man sich nun vie­lerorts auf die Suche nach dem macht, was von Hit­ler übrig blieb. Und das ist gar nicht wenig. ImSchloss­museum zumindest ein schwarzer Schreibtisch hinter Glas, hinter dem Hitler einmal saß und eine einzige Unterschrift tätigte und der deshalb aufgehoben wur­de. Dort im Schlossmuseum hört man auch Erich Fromm aus einem Volksempfänger sprechen. Ich glaube nicht, dass ihm das gefiele. Aber Erich Fromm ist tot, ebenso wie Romy Schneider, die heuer siebzig geworden wäre und von der der schöne Satz stammt: Wenn ich nicht emotional wäre, könnte ich doch gleich meine To­des­anzeige aufgeben.

Wie passt das alles jetzt zusammen? Eine berechtigte Frage, die ich nicht beantworten kann, weil nichts mehr zusammenpasst. Weil ich jetzt, hier und heute noch nicht weiß, wie etwa die Nationalratswahlen ausgegangen sind und ich aber jetzt schon weiß, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht hoffe, dass eine mir von ihrer Grundausrichtung her entsprechen­de Partei gewinnt. Ich kann mir nicht erklären, wie das breiteste Massenblatt dieser Republik und der Vor­sitzende jener Partei zusammenpassen und will nicht wissen, welche Auswirkungen es haben würde, müsste der die Schulden bei diesem Massenblatt für seine gewonnene Wahl begleichen. Ich kann mir nicht erklären, wie paradox dieses Land strukturiert sein muss, dass die Wählerin zwischen Liberalem Forum und der KPÖ schwankt, weil die Programme so viele Überschneidungen bieten. Der Vorsitzende jener KPÖ beruft sich auf einen Sozialisten und will nicht mit einer ebenfalls links stehenden Partei gemeinsam zur Wahl schreiten. Hört sich nach einem Treppenwitz an: Kommen zwei Linke und trennen sich.

Wo also steht dieses Land, zur Hölle? Sie können mir’s jetzt sagen, ha! Weil sie ja jetzt, da sie das lesen, be­reits wissen, wie die Wahl ausgegangen ist. Sie glauben aber auch nur, zu wissen wie’s jetzt weitergeht, wahr­scheinlich ist alles wie zuvor und wie zuvor, und man weiß gar nichts.

Meine armenischen Nachbarn kennen sich auch nicht mehr aus. Sie machen sich auch Gedanken – obwohl sie bis auf die Verpflichtung, Steuern zu zahlen, von einer Mitgestaltung dieses Landes ausgeschlossen sind – darüber, wo dieses Land gesellschaftspolitisch steht. Davon hängt nämlich ihre Zukunft ab. Und weil sie brave, christliche, sich nichts zu Schulden kommen lassende Asylwerber sind, werden sie auch von rechten Parteien irgendwie angezogen, weil die doch für die Braven, Anständigen sind. Verwirrend, oder?

Wer glaubt, er wisse, weiß überhaupt nichts. Eine ba­nale Ansage, die sich in diesem Land aber tagtäglich bewahrheitet. Denn dieses Land hat keine Ahnung, wo es steht, weshalb in erster Linie Bigotterie und Angst regieren. Angst davor, bosnische Intellektuelle und Künstler auf Besuch ins Land zu lassen, Angst davor, sich in einem richtig großen Europa behaupten zu können, Angst davor, die jüngere Vergangenheit der­art aufzubreiten, dass nicht in erster Linie De­vo­tionalien aus ihrer doch recht eingeschränkten Sicht erzählen. Wäre ich Österreich, ich würde endlich eine Psychoanalyse beginnen und zu mir kommen, ich wür­de mir den Heimatbegriff nicht von den Rechten stehlen lassen, ich würde weder Minarette noch Kirch­tür­me erlauben, sondern endlich mehr Schulen und Wis­senstürme bauen.

Dort liegt nämlich der echte Aufhol- und Aufarbei­tungs­bedarf dieses Landes. Im Wissen.

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10/08

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