Kids and the City: Provincial Living under 30
Zuerst einmal war das Weikerlsee-Open Air eine Projektionsfläche für Gefühle und Erfahrungen. Gemacht für Jugendliche. Ein Ort der Heiterkeit, Menschlichkeit oder Authentizität, wo für manch andere die Dinge mit negativ beladenen Begriffen wie Isolation, Melancholie oder Langeweile verbunden sind. Soziokulturelle Phänomene wie solche, die man im Süden von Linz vorfindet, wurden und werden von der Kulturtheorie und Stadtforschung bisher nur marginal behandelt. Geht es nämlich andere Formen der Urbanität, die nicht etwa in Metropolen, World Cities oder Zwischenriesenstädten angesiedelt sind, sondern ganz gegenteilig an den Rändern der „Provinz“, vermisst man schämlichst Förderungen zum Verständnis oder zu einer praktischen Herangehensweise seitens Politik und Artverwandtem. Aber auch andere gesellschaftliche Beiträge zum Positiven bleiben aus. Wenn sich das Individuum, und das ist schwerst anzunehmen und zu hoffen, eine sich stetig verändernde Beziehung zum urbanen Leben und Umfeld wünscht und auch leisten will, muss von den Verantwortlichen der Strukturplanung der Randbezirk als Zugang Nummer 1 zum Weg in Richtung Zentrum erkannt werden. Aufrollung von Außen nach Innen ist angesagt. In diesem Sinne galt und gilt: Eroberung der „Provinz“ – auf dass diese die Stadt vereinnahmen kann. Müßig zu sagen, dass die krasseste Folgeerscheinung brennende Autos und Aufruhr in den besagten Stadtgebieten sein können. Haha! In Pichling? Im Turbo-Bobo-Satellit solarCity etwa? Da lacht der schlaue Entertainer und Jugendbeschäftiger! Es wurde an alles Wichtige gedacht, das heißt übersetzt in Normalsprech: Wir haben beschlossen, dass es keine Jugendeinrichtungen oder/und Räume im südlichsten Teil von Linz braucht. Punkt.
Streetworker aus der Streetworkeinrichtung Ebelsberg/Pichling „STEP“ haben im Rahmen des Festivals der Regionen mit Unterstützung eines Koordinators eines von zwei Projekten im Linzer Süden (das zweite ist eines von der Stadtwerkstatt im Stadtteil Auwiesen) auf die Beine gestellt, das den Jugendlichen vor Ort im Vorort ermöglicht, ihre Individualität, ihre Interessen und ihre Kreativität in ihren (Lebens)Raum zu stellen. Und eben ihren Raum im Sinne des Projekttitels abzustecken. Die Tür in diesen „Raum“ ist nun bereits lautstark geöffnet worden: Von August 2008 bis Mai 2009 werden im Monatsrhythmus jugendrelevante und kulturbezogene Aktionen in Form von Konzerten und Workshops in unterschiedlichen, speziellen und extra dafür adaptierten Räumen der solarCity stattfinden. Von Comiczeichnen, Graffitimalen, Djing, Beatboxing, Soundmixing, Breakdance, dem Erlernen von Computerprogrammen, ... über Themenkino, einem Fotoprojekt bis hin zu Gesprächsrunden und Sendungsgestaltung beim Radio FRO reicht das Spektrum des Projektangebots. Dieses Angebot wurde im Vorfeld gemeinsam mit der Einrichtung STEP und den Jugendlichen erarbeitet. Die Tür wird zeichensetzend wieder geschlossen durch ein im Mai 2009 stattfindendes Festival bei dem es erstens ein Konzert und zweitens die Präsentation der Workshopergebnisse geben wird. Vor allem aber wird damit drittens: Der Forderung gegenüber der Stadt Linz, endlich die benötigten Räume zu schaffen, Nachdruck verliehen.
Den Startschuss gab eben das oben genannte „Claim your space“-Open Air am 29. August am Badestrand Weikerlsee. Bei freiem Eintritt traten vier lokale Nachwuchsbands verschiedener Stilrichtungen, im Kollektiv brüllend, die Tore auf. Schon beim Opener, dem Hip Hop Act Pablo&Esteban stand Verbindendes im Raum: Beats, die Wellen schlugen und Texte tiefer als der See. Eltern lauschen, Kinder tanzen, Hip Hopper wunderten sich und schauten. Mit einem sehr in persönlichen Gewässern schwimmenden, melodiösen Grungerock ruderten Shizophrenia Richtung Ufer. Für Bienenstiche, Arschbomben, Galeerentrommeln und nicht zu umschiffenden Riffs standen die Firefuckers (nein, liebe ÖSTERREICH-Redaktion: Nicht die legendäre Band von Helge Schneider, sondern die Jungs aus dem Kuba-Kellerproberaum im Südwesten von Linz, im Wankmüllerhofviertel), ein Hai-Light des Abends. Die Mirracle, ein mit vier Mann und einer Kapitänin besetztes Pop-Rock-Loveboat lief als Abschluss auf sehr sympathische Weise in den städtischen Hafen ein. Erkenntnis: Was man nicht hat, das braucht man, was man braucht, fordert man und was man fordert, muss passieren: Schafft Räume!!!
„Vor Ort im Vorort“: Das FdR 2009 im Vorfeld
Das Festival der Regionen widmet sich 2009 mit dem Thema „Normalzustand“ den tatsächlichen oder eingebildeten Normalzuständen städtischen Lebens. Es bleibt auch im Süden von Linz, im städtischen Umfeld Auwiesen und Solar City, bei seiner Ausrichtung von aktueller ortsspezifischer Kunst und Kultur. Nach der verstärkt installativen Ausrichtung der letzten Ausgaben setzt das Festival 2009 in den Wohnanlagen von Auwiesen und der solarCity schwerpunktmäßig auf Partizipation, Performance und Präsenz der Akteure vor Ort. Im Mittelpunkt steht dabei auch eine Verlagerung eines Teils der Linzer Kunst- und Kulturszene in den äußersten Linzer Süden und deren intensive Verschränkung sowohl mit lokalen wie auch internationalen Partnern.
spotsZ widmet sich in der Serie „Vor Ort im Vorort“ bis Mai 2009 den Themen des Festivals der Regionen und möchte anhand von stattfindenden Projekten, bzw. den laufenden Vorbereitungen besonders die Begriffe Partizipation und Performance im Kontext des (sub)urbanen und künstlerischen Normalzustandes beleuchten, als Serie eine kleine Phänomenologie der Sichtbarmachung, des Zusammenlebens und Teilnahme zeichnen. Temporäre Außenstellen, experimentelle Stadterfahrung, dörfliche Urbanität, Umdeutung und Umnutzung des öffentlichen Raums, Kunst, Alltag und Zusammenleben: In Teil 1 soll es um Jugendkultur gehen. Startschuss für das erste Festivalprojekt im Vorfeld war „Claim your space“, das bereits im August, acht Monate vor eigentlichem Festivalbeginn startete. Bis Mai 2009 koordiniert Projektleiter Michael Url im Monatsrythmus Aktivitäten aus den Bereichen Musik, Medien und Gestaltung, um „Optionen einer Freizeitgestaltung jenseits von eigenen vier Wänden und Konsumzwang“ zu eröffnen. Die persönlichen Raumbedürfnisse der Jugendlichen sollen aufgegriffen, die Jugendlichen in ihren Forderungen gestärkt und unterstützt werden: Schließlich versteht man seitens des FdR partizipative Ansätze an der Nahtstelle von Kunst, Kultur, Alltag und Örtlichkeit auch als Jugendkultur die „neu gedacht, ausgelebt und präsentiert“ werden soll.
Mehr Informationen zum FdR: www.fdr.at
„Mirracle“ am Weikerlsee Open Air
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