Zugpenetranzen
Seit einigen Jahren dürfen Unternehmen, Ministerien und Individuen die Schirmherrschaft über einen Zug erstehen. „Zugpatronanzen“ nennen die Österreichischen Bundesbahnen diese Taufscheine, für die zum Beispiel die Industriellenvereinigung, das Wissens- und das Verteidigungsministerium oder der Tourismusverband jährlich zwischen 5.940,– und 16.880,– Euro springen lassen, damit sie als Schutzheilige auf jedem Bahnhof, in dem der Zug stoppt, verkündet werden. Das klingt dann so: EuroCity „Europäischer Computerführerschein“, EuroCity „Karriere beim Heer“, „Forschungsland Österreich“, „Urlaub am Bauernhof“, „Industrieland Österreich“ oder InterCity „Alpentransitbörse“.
Bei diesen klingenden Namen darf sich auch das Parlament nicht lumpen lassen. Es kaufte sich für 12.810,– Euro im Jahr mit dem Namen „Erlebnis Demokratie“ in diese Sakralisierung ein. Ein Erlebnis, das einem mitunter teuer zu stehen kommt, je nachdem, wie lange man auf der Strecke bleiben möchte. Aber Achtung: Die Plätze im Zug sind nicht für alle da. Nicht selten führt die Angst vor der „Holzklasse des 21. Jahrhunderts“, dem Stehplatz, in Ermangelung getätigter Reservierungen zum Verdrängungswettbewerb der Sonderklasse.
„Da kommt man sich ja vor wie in einem Viehwaggon“, erdreiste sich einmal ein unter vielen unglücklich Stehenden Stehender zu beschweren, um mit des Zugführers Worten, er könne sich – unter Aufpreis – doch gerne in die 1. Klasse oder, besser noch, in eines der zahllosen geschlossenen Abteile begeben, abgespeist zu werden. Da blieb er dann doch lieber stehen.
Die anderen Patronisierten auf den Sitzplätzen hatten ebendiese indessen nicht ohne Rückgriffe auf den hiesigen Nationalsport, das Drängen, der hierzulande typischen Ausdrucksform zwischenmenschlichen Umgangs, erstanden. Dieser funktioniert interessanterweise in genau entgegengesetzter Weise wie außerhalb der Züge, wo gilt: Ja nur nicht anecken. Vor und in den Waggons allerdings heißt es: Ruhig mal die Ellbogen einsetzen, Koffer in die Knie und am besten dabei die Reisebegleiter so ansehen, als wären sie nicht da und als würde man sich konzentriert und entspannt zugleich an der Landschaft oder dem Bahnhof draußen ergötzen. Gewährt man hingegen, der hiesigen Tradition zuwiderlaufend, einem Reisebegleiter Zu- oder Vortritt, wird man gern mit höfischen Gesten der Gnade oder Selbstverständlichkeit abgespeist.
Das vom Parlament abgesegnete „Erlebnis Demokratie“ ist noch bis zum Inkrafttreten der neuen Fahrpläne 2011 erfahrbar. Danach wird man sehen dürfen, wie zügig die Demokratie auch fernab der Gleise zum Erlebnis werden wird.
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