LinzSupervision
Beispiele, Utopien, veränderte Perspektiven. Realität und Wunschgedanke Stadt Linz: LinzSupervision stellt Szenarien vor, die sich mit Linz als gebauter Struktur auseinandersetzen.
Der Duschbrunnen – eine Empörung?
Dieses Mal geht es in der LinzSupervision um den neu gestalteten Platz an der Ecke Lederergasse/Prunerstraße. Vorweg die Frage: Warum findet dieses Mal ein bereits existierendes, umgesetztes Projekt Eingang in die Rubrik LinzSupervision, die sich ja per Definition mit „Utopien“ beschäftigt?
Beginnen wir mit den ideal gelaufenen Aspekten des Projektes: In einem ebenso langwierigen wie lustvollen Prozess wurde für die Neugestaltung des Prunerplatzes im Jahr 2004 das Pilotprojekt eines offenen Gestaltungswettbewerbs mit Bürgerinitiative gestartet, eine experimentierfreudige Herangehensweise, die ebenso auf ästhetische Qualität wie auf basisdemokratisches Engagement der Anrainer setzte. Peter Arlt, der das Projekt initiierte (in verschiedenen Entwicklungsschritten mit der Beteiligung von Stefan Saffer und Gabriele Heidecker), traf sowohl im Kooperationspartner afo als auch der Stadt Linz auf offene Ohren, letztere hatte ihrerseits ebenfalls schon Pläne zur Umgestaltung. Nachdem der Platz über den Sommer 2004 einer Sozialstudie des Querens, Parkens und Passierens unterzogen wurde, wurden ab November 2004 in einer Marktsituation der Ideen Teams aus Experten und Anrainern gebildet. Es entstanden vier Gruppen, die sich der Ausarbeitung verschiedener Themen widmeten. Es sei ebenso die partizipative wie transparente Entscheidungsfindung hervorgehoben. Es wurde in mehreren Präsentationen über eine Bürgerbeteiligungsjury, eine interne Jury der Beteiligten und eine Expertenjury (Amesberger, Detzlhofer, Riepl, Tabor) im Frühjahr 2005 beschlossen, dass das „Platzl fürs Grätzl“ von Lorenz Potocnik, Gregor Graf und Gerhard Brandl umgesetzt werden soll.
Nach einer technischen Machbarkeitsprüfung durch das Magistrat wurde der Entwurf noch einmal umgearbeitet, mit allen vorweg bestehenden Komponenten der planen Fläche, des nicht nivellierten Geländesprunges, der beruhigten Verkehrsführung und der Absicht, einen offenen Platz zu schaffen, der zum Verweilen einlädt. Kurzer Exkurs: Das „Verweilen“ in Parks und auf Plätzen stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, des Öfteren trägt es in einer herkömmlich gedachten Umsetzung mehr einen Wunschgedanken als den tatsächlichen Wunsch nach Realisierung nach außen. Die Wohlstandsgesellschaft zieht sich je nach materiellen Möglichkeiten zunehmend in Privaträume zurück, als tatsächlich eine öffentliche Kultur zu praktizieren. Soziale Wunschkategorien wie „mehr Grün“ und „mehr Begegnung“ stehen in der harten Realität sehr schnell der Unzufriedenheit gegenüber, in Parks und auf öffentlichen Plätzen ohne direkte Zwecknutzung, mit so genannten sozialen Randgruppen konfrontiert zu sein. Diesen Gedanken folgend, „neue Formen der Öffentlichkeit zu schaffen“, hat die Arbeitgemeinschaft Graf/
Potocnik/Brandl auf eine Vermischung von Öffentlichkeit und Privatheit gesetzt und in den städtischen Außenraum Elemente des privaten Wohnens eingeschleust: Sitzgelegenheiten wie begrenzende Glasflächen erinnern an den privaten Balkon/die private Terrasse, die niedrig gehängte Beleuchtung an wohnliche Innenräume, der rote Bodenbelag an einen Teppich – und: Als ästhetischer Knackpunkt sowie künstlerische Intervention sollte eine Dusche, ein Duschbrunnen, das private Badezimmer assoziieren. Was im Zusammenhang einer sich zunehmend privatisierenden Gesellschaft als skurriles Zeichen von Intimität zu lesen ist und besonders in der Nähe zur ehemaligen Volksküche (jetzt afo und MAERZ) eine verbindende historische Metapher auf die kaum mehr existenten öffentlichen Dusch- und Badehäuser darstellt. (in Linz gibt es etwa noch das „Tröpferlbad“ im Franckviertel).
Allerdings sorgte heuer nach Fertigstellung des Platzes genau diese Dusche für Aufregung und Abmontage nach wenigen Tagen. Der verantwortliche Stadtrat Luger ärgerte sich über die nach seiner Einschätzung Fehlplatzierung einer Dusche, die in ein öffentliches Bad oder auf einen Badesee gehöre, und ließ die Dusche per Anordnung entfernen, weil sie für ihn als solche einen „Beitrag zu den Kabaretttagen“ darstellte. Seitens der Arbeitsgemeinschaft Graf/Potocnik/
Brandl verwehrt man sich allerdings gegen das Eingreifen in einen vorbildlich gelaufenen Prozesses der Entscheidungsfindung und Umsetzung. Man ist mit Stadtrat Luger im Briefkontakt: „Das plötzliche Entfernen der Dusche ohne Rücksprache ist ein Bruch mit dem vorbildhaften Prozess und einer zweijährigen ausgezeichneten Zusammenarbeit aller Beteiligten“, nicht zuletzt mit der erfreulichen Unterstützung des Projektes durch den Stadtrat selbst, so die Argumentation. Weiters stelle der Duschbrunnen laut Projektbetreiber „ein sinnliches Element und ein Zeichen für erfrischende und neue Zugänge zum Linzer öffentlichen Raum dar“, nicht zuletzt im Hinblick auf das Kulturhauptstadtjahr. Zusprechende Unterstützung findet das Projektteam durch Anrainer, die die Dusche im Sommer tatsächlich nutzen wollen – und sich sinnlich zumindest schon lange vorher durch positive Erheiterung angesprochen fühlten. Ebenso stehen die Künstlervereinigungen afo und MAERZ hinter der Gesamtkonzeption des Platzes. Was die nun seitens der Stadt angestrebte Alternative eines „Trinkbrunnens“ anbetrifft, offenbart sich an diesem Beispiel der Unterschied zu künstlerisch-kreativer Arbeit besonders: Ein Trinkbrunnen würde in der Gesamtkonzeption des Platzes wohl tatsächlich einen Anachronismus von öffentlicher Nutzung darstellen, oder besser gesagt einen Anatopismus – als phantasieloser Notnagel würde das in höchst sinnentfremdender Weise mitten in einer städtischen Wohnzone auf amerikanische Colleges oder Einkaufszentren anspielen. Fazit: Surrealismus, Dada, Alltagsirritation – eine Dusche kann eine Utopie sein, für die es sich einzutreten lohnt, ein Trinkbrunnen hingegen nicht.
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