Geld ist Gott

„Kreuzungen.“, der jüngste Roman von Mar­le­ne Streeruwitz: Geld ist Macht, Macht ist Geld. Ist alles und jeder käuflich? Die Autorin de­konstruiert wieder männliche Allmachts­phan­tasien. Eine Lesung im Linzer Stifterhaus.

Nicht einmal mehr ficken können. Auch nicht wollen. Man respektive frau könnte ja die Kon­trolle verlieren. Oder gar schwitzen, igitt! Als letzte Zuflucht DIE KUNST. Freilich nicht aus Interesse an dem, was das Verständnis des Menschlich-Allzumenschlichen vertiefen könnte. Kunst wieder nur als Behübschung, als Macht- und Geldinstrument. Kunst als Re­präsentationszweck (nein, der Autor dieser Zeilen denkt jetzt nicht an Kulturhauptstadt 2009. Denkt er nicht. Nein, wirklich nicht!).

Max, ein reicher Mann, Zentralfigur in Marlene Streeruwitz’ jüngstem Roman „Kreuzun­gen.“ (S. Fischer), schwankt zwischen sexueller Ausschweifung und Kontrollwahn. Eine ihm von einem Heiratsinstitut vermittelte Frau dreht den Spieß um. So schön hätte Max seinen Plan eingefädelt: Mit der „Neuen“ zwei hübsche Töchter zeugen, wie er sie auch in seiner mit­tlerweile geschiedenen Ehe produzierte. Doch die Frau beharrt auf künstlicher Be­fruch­tung. Max hat nicht mehr alles unter Kontrolle.

Marlene Streeruwitz, geboren in Baden bei Wien, dekonstruiert auch in „Kreuzungen“ Macht und Mächtige. Und Macht definiert sich im Turbokapitalismus nun einmal über Geld, wer anderes glaubt, glaubt Bullshit. Ende September las Streeruwitz im Linzer Stifterhaus aus ihrem Buch und diskutierte anschließend. Sie will ihren Text nicht als Satire verstanden wissen: „Wer beim Lesen lacht oder kichert, hat nichts verstanden.“ Vielmehr entsprin­ge er einem „lebenslangen Studium der Macht“. Literatur liege ihr sehr am Herzen, denn die­se sei „eines der wenigen Medien, die noch nach Wahrheit suchen“. Im Gegensatz, so Streeruwitz, „zu einer ganzen Medienlandschaft, die eine breite Assimilation an die Macht“ an­strebe: „Das große Bemühen der Medien ist es uns weiszumachen, dass es Reiche auch schwer haben. Und das ist ein grausliches Bemühen“.

Nicht bloß die Männer lieben das Spiel mit der Macht. Frauen sind bei diesem Spiel die „natürlichen“ Verbündeten. Daniela Strigl, die im Stifterhaus die Einführung hielt, fand da­für sehr treffende Worte, als sie von einer Welt sprach, „in der Menschen, vor allem Frauen lächeln, damit das Geld in ihre Richtung fließt“. (Eben sehe ich, während einer Zigaret­ten­pause, vor mir, wie der Boulevard seine LeserInnen-Schafe mit dem Madonna-Konzert in Wien aufgeilt. Sex mit Ganzkörper-Kondom, gewissermaßen. Das Foto zeigt Madonna, wie sie auf einem coolen Schwarzen – mit Sonnenbrille, klar! – „reitet“. Cleaner Sex. Das Fuß­volk erfährt so einmal mehr seine Züchtigung: Seht her, wir Reichen haben den besseren [und sicheren] Sex. Der Esel namens Volk bekommt die Karotte die Nase gehalten.)

Max, der sich alles leisten kann, ist in Wahrheit in einer Sackgasse gelandet. Den Ausweg erhofft er sich – und hier handelt es sich, wenn schon nicht um Satire, so zumindest um eine Pointe: – den Ausweg hofft er in der Kunst zu finden. Er will sein Leben kunstvoll in Szene setzen, nichts darf sich seiner Regie entziehen. Im letzten Kapitel träumt Max da­von, sein Künstlerleben damit zu beginnen, Damien Hirsts Skulptur „For the Love of God“ unter dem Titel „For the Love of Gold“ nachzubauen. Wird ihn sein materieller Reichtum wieder einholen? Gelingt die Flucht? Das Ende bleibt offen.

In gewissem Sinn ist Streeruwitz herrlich altmodisch. Inmitten postmoderner Wurschtigkeit – alles ist möglich, Menschen sind ersetzbar – beharrt sie auf dem schönen alten Begriff der Würde. Streng, an das Publikum gerichtet: „Wir alle sind sehr hart gefragt: In welcher Würde werden Sie sterben?“ Ebenso streng – oder die eigene Strenge schon wieder auf die Schaufel nehmend? – : „Existenzieller geht’s gar nicht“.

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