freundinnen der kunst
In einem Interview behauptet der Installationskünstler Aidas Bareikis: „Malerei heißt immer Oberfläche und Keilrahmen, hängt immer an einem bestimmten Platz, ist immer eine Ware, immer wichtigtuerisch, und Abweichungen sind verboten!“. Und weil ich zur Zeit in einem netten, kleinen Mailwechsel mit der Malerin Susanne Purviance stehe, hab ich ihr, gar nicht fad, dieses Zitat gleich nach dem Lesen gemailt, woraufhin sie mir prompt und ebenso wenig fad zurückmailte: „Der Aidas Bareikis ist ein Trottel.“
Der Bogen von Aidas Bareikis’ Zitat über Susanne Purviances’ lapidarer Reaktion hin zu den „freundinnen der kunst“, um die es hier gehen soll, ist kurz gespannt. Wo Bareikis einen Behauptungssatz in den Raum stellt, der den Leser reflexartig auf Konfrontationskurs bringt, stellen die „Freundinnen der Kunst“ – Martina Kornfehl, Claudia Dworschak, Helga Lohninger und Viktoria Schlögl – Fragen. Fragen sind gut. Sind Fragen nicht immer interessanter als Antworten? Ist letztlich nicht jedes Ausrufezeichen ein erigiertes Fragezeichen? Und ist nicht jede Erektion noch zusammengebrochen und zwar: In sich?
Im Februar 2005 etwa, da besuchten die freundinnen der kunst eine Ausstellung im Lentos, wählten Kunstwerke aus, kennzeichneten sie, fotografierten sich selbst vor, unter und neben den Kunstwerken und klebten diese Polaroids an die Lentoswände neben die ausgewählten Bilder. Oder haben Geschichten alter Menschen in kleinen Guckkastenbühnen szenisch dargestellt. Geschichten von Menschen, die in der Rudolfstraße wohnen (ein Ort, der ganz sicher nicht zum verweilen einlädt). Aufgezeichnete Gespräche mit Künstlern, aus mehreren Tonquellen abgespielt (inklusive klassischer Picknickgeräusche). Auslagen in Arbeit. Bedeutungsschwangere freundinnen der kunst servieren Mutterkuchen (gespickt mit Weisheiten und Wahrheiten). Synchronstricken. Muster in ihren unsichtbaren Erscheinungsformen. Luftmaschen (für die Stadt Linz). Reinheit.
Der Materialfundus der freundinnen der kunst ist die Stadt Linz und darüber hinaus der ewige Kampf zwischen Tradition und Selbstverwirklichung, Anpassung und Individualität. Ihre Projekte sind freundliche Interventionen, die auf aktuelle Zumutungen reagieren. Mit Fotografie, Film und Video, Grafik wird Banales gar nicht erst ästhetisiert sondern einfach dargestellt und aufgeführt, die daraus resultierenden Bewegungen und Prozesse treiben die vier Frauen mit ihrem Publikum in einen performativen Diskurs, in ein behändes Hin- und Herlaufen von Gedanken. Kommunikation passiert. Und wer mitspielen will, erkennt schnell: Alltag und unmittelbare Umgebung funktionieren in ihrer Banalität durchaus zwei- und dreidimensional.
Sind die freundinnen der kunst Moralistinnen? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich hatte ja die Freude, bei ihrem letzten Projekt „City of Respect“ als Fotograf und quasi erster Zuschauer mitspielen zu dürfen. Moral ist nun ein hehrer Begriff, der beschreibt, was jemand für richtig und für falsch hält, und nicht selten wird Moral als Appell formuliert. Und genau das vermeiden die freundinnen der kunst tunlichst: Ihre Aufforderungen haben nichts Moralistisches. Sie entwerfen weder Lösungen noch Utopien für Missstände, sie zeigen bloß Umstände, fragmentieren Wirklichkeit, setzen diese Fragmente im neuen Rahmen (der Kunst?) wieder zusammen und beschreiben damit, was ist. Vielleicht üben sie auf diese Weise nicht einmal Sozialkritik, möglicherweise machen sie gar keine Kunst, aber: Sie kultivieren Soziales. Und doch und ja, wer so will: Sie üben damit durchaus Kritik am Bestehenden. Nur ist der Ton, in dem sie Kritik üben, nicht anklagend, vielmehr führen sich die Dinge auf dem Spielfeld der freundinnen der kunst wie von selbst vor: Es gibt in dieser Gesellschaft prekäre Blödheiten, die sich, wenn man sie auf eine Bühne stellt und in neuem Licht zeigt, selbst persiflieren.
Noch einmal zum Ton der freundinnen der kunst: Der ist ironisch und kalkuliert subversiv oder vielleicht auch naiv im Schillerschen Sinn: „Es gibt Augenblicke in unserm Leben, wo wir (...) der menschlichen Natur (...) eine Art von Liebe und von rührender Achtung widmen. Jeder feinere Mensch, dem es nicht ganz und gar an Empfindung fehlt, erfährt dieses, wenn er im Freien wandelt, wenn er in (...) Verhältnissen und Situationen (...) überrascht wird.“ Wenn einem vier Frauen in rot-blauen Kostümen am Flughafen über den Weg laufen und einen dazu auffordern, sich ein rotes Herz mit blauer Schleife und der Aufschrift „City of Respect“ auf die Haut tätowieren zu lassen, ist das eine Überraschung. Das tut gar nicht weh, und nicht nur, weil das Herz keine echte Tätowierung, nur ein Abziehbild ist. Die freundinnen der kunst provozieren nicht, sie irritieren. Freilich: So werden sie die Weltherrschaft nie an sich reißen. Aber den Gang der Dinge bringen sie damit aus dem Tritt, das allemal. Oder, wie sie selbst sagen: „Von einem Standpunkt aus eine Haltung definieren, Rahmenbedingungen und Prozesse, die nicht „passen“ thematisieren und durch „Ungehorsamsein“ andere Methoden der Selbstbehauptung finden.“
Sollte Malerei tatsächlich eine in einem Keilrahmen gesteckte Oberfläche sein, dann klemmt Literatur zwischen Buchdeckeln, thronen Schauspieler auf ihren Bühnen, vom Publikum nicht selten durch einen Orchestergraben getrennt. Wenn das Kunst ist, fallen die freundinnen der kunst damit natürlich aus dem Rahmen.
Tattoo Yourself: Aktionen im öffentlichen Raum der Stadt Linz, in Zusammenarbeit mit KunstRaum Goethestrasse xtd (2008). Demnächst wird das Video „Dasein“ 2mal gezeigt: Beim Filmfestival Brixen ART im Forum Brixen/Bressanone Brixen am 18.10. und bei der Ausstellung „best off 08“ am 09. 11. in der Kunstuniversität Linz.
www.freundinnenderkunst.at, www.brixenart.it
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