Eckart Sonnleitner malt Köpfe, nichts sonst

Vom Gefallen an Cézanne bis zum Erlebnis, mit einfachsten Mitteln wie Punkten und Strichen Ausdruck darstellen zu können, ist es ein jahrzehntelanger Weg. Aber die Frage heißt ja nicht: Was brauch ich alles, um etwas darzustellen, sondern: Was brauche ich dazu alles nicht? Eckhart Sonnleitner stellt ab 19. März im Ursulinenhof, in der Galerie der Berufsvereinigung der bildenden Künstler aus. Reinhard Winkler besuchte ihn.

Und seine jüngsten Arbeiten zeigen noch weniger und gerade darum viel mehr: Gesichter. Ein Ge­sicht ist ja nur ein Teil eines Kopfes, aber der We­sentliche.

Die Köpfe in Sonnleitners Bildern sind nicht ge­neigt, ihnen scheint keine Herbstsonne auf die Li­der und Wangen, sie sind nicht ins rechte Licht ge­setzt. Als hätten sie keine Möglichkeiten? Hoff­nungslos und still zugrunde gehend? Das ist schon wieder zu viel des Guten, zu viel des Guten gesagt. Beim Betrachten von Eckart Sonnleitners Köpfen komm ich gerne in die Ver­legenheit, et­was hineinzulegen. Mich? Meine Sicht der Welt? Wohl eher meine mich gern überkommende Lust, mich in seinen Bildern wieder zu finden. „Manch­mal sagen die Leute etwas zu meinen Bildern, an das hab ich selbst gar nicht gedacht. Manchmal sag ich auch selbst was zu meinen Bil­dern. Und das Ergebnis aus diesen Bemühungen ist ja auch nur ein Aus­schnitt“, meint er. Und daraus ergibt sich, dass da wohl allerhand Spiel­raum beim Be­trachten ist.

Eckart Sonnleitners Bilder sind nicht gefällig. Sie machen es einem nicht leicht. Die Gesichter sind Studien, auf Punkte und Striche reduziert, wenige Pinselstriche, oft so wenig, dass sich die Ge­sichts­züge in kalligraphischen Zeichen auflösen. Schwarz auf Weiß, die Nase, die Augen, der Mund: eine Senkrechte und zwei Horizontalen, dun­kel und hell, links/rechts und vertikal, weniger geht nicht, mehr braucht’s nicht.

Die Gesichter schauen immer geradeaus. Sie drehen sich nie zum Betrach­ter. Man muss sich schon auf das Gesicht hinbewegen, sich vor dem Gesicht aufstellen, also sich in einem gewissen Sinn um jedes dieser Gesichter be­mühen – um sich dem Risiko dieser Bilder und der Identi­fi­zie­rung mit ih­nen auszusetzen. „Wenn das Betrach­ten des anderen besonders tief, vollkommen wird, dann ist der Betrachtete, der andere, doch wieder ich.“

Bald kommt man drauf: Das Gesicht blickt mich an, aber es sieht mich nicht. Ein bisschen was hat dieses Wechselspiel von Jacques Lacans Semi­nar XI: Der Betrachter ist gleichzeitig Betrachteter. Zwei Pole, die in einem gegensätzlichen Verhält­nis zueinander stehen, der Gegensätzlichkeit von Se­hen und Blick. Auf Seiten der Bilder gibt es den Blick, das heißt, die Bil­der blicken mich an – und ich wiederum sehe sie. In diesem Sinne sind die Worte des Evangeliums aufzufassen – „Sie ha­ben Augen und sehen nicht.“ Und was sehen sie nicht? – eben mich! Dass ich sie anblicke.

Dass die Bilder Sonnleitners seelenlos wären, will es nicht heißen – und doch: vielleicht heißt es genau das. Denn dass die Augen der Spiegel der Seele sind, wer will daran zweifeln, nur scheinen sich in den Augen von Sonnleitners Ge­sich­tern nicht jeweils eine, sondern deren tausende auf einmal zu spiegeln. Und für solche Vielheiten ist der Seelenbegriff zu klein.

Es geht nicht um Porträts, nicht um die Dar­stel­lung von Individualität. Es geht nicht um die Fra­ge: Wer ist dieser Mensch auf diesem Bild? Die letzte Frage, die sich stellt: Mann oder Frau? Denn: „Im letzten Grund des Mensch­seins gibt’s keine Unterschiede zwischen Frau und Mann.“

Diese Erkenntnis über eine Abstraktion ist er­nüch­ternd und verzaubernd zugleich. Die Wun­der­lichkeit, die sich beim Betrachten der Bilder einstellt, lässt einen kaum um schwere Begriffe umhinkommen: Sonnleitners Bilder zeigen keine Individuen. Es sind Ikonen. Ein und dasselbe Por­trät in zig Variationen. Abbilder der existenziellen Verbindung zwischen dem Einzel­nen und Al­len, aus der Sicht von oben, von unten, von der Seite und vom Inmittendrinsein im Großen und Ganzen. In diesem Face-to-Face werden aus Men­schenbildern Menschheitsbilder, und jede denkbare Einzigartigkeit wird allgemeingültig.

Ausstellung: 19. März, Galerie der Berufs­ver­eini­gung Bildender Künstler Oberösterreichs im Landes­kulturzentrum Ursulinenhof.

Eckart Sonnleitner, geboren 1963 in Lasberg, OÖ. HBLA für Tiefbau, Lehramt Bild­neri­sche Erziehung (Linz) und Psy­chologie, Philosophie und Pädagogik (Salzburg), Meis­ter­klas­se Malerei und Grafik, Hochschule für Gestaltung Linz, 1994 Diplom mit Auszeichnung. Seit 1994 freischaffender Maler. Seit 1999 künstlerischer Betreuer in einer So­zial­einrich­tung für psychisch kranke Menschen. Lebt und arbeitet in Linz.
Werke sind im Besitz von öffentlichen und privaten Samm­lungen.

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03/07
FotoautorInnen: 
Reinhard Winkler

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