Muss Musik schön sein?

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Frauen und Noise? Jep, Karin Steinbinder hat vor einiger Zeit ihre Begeisterung für Noise entdeckt und gleich mal zum Musik-machen begonnen. Karin fand man bisher auf Flyern unter „Visuals“, jetzt auch unter „Live“. Ihren ersten Live-Auftritt hat sie für die Backlab Festspiele angekündigt. Ob Ihre Musik wirklich weh tut? Wir werden hören … Karin Steinbinder im Gepräch.

Karin, du kommst von den Visuals, vom bewegten Bild zur Musik. Wie ist das passiert?
Grundsätzlich war ich schon immer musikinteressiert, kann aber kein einziges Instrument spielen. Noch vor einem Jahr hätte ich Noise freiwillig nie gehört. Beim Whitehouse Konzert in Wien bin ich vorzeitig gegangen, weil ich es nicht ausgehalten habe. Mittlerweile mag ich sie sehr gern. Der Umbruch, weshalb ich mich selbst in dem Bereich probiere, war das Interferenzfestival im Februar 2006 in der Stwst, mit KK.NULL, BULBUL und the Pilfernators, die mich sehr beeindruckt haben. Bei diesem Festival gab es keinen einzigen Frauenact. Ich habe mich gefragt, ob es keine Frauen in dem Genre gibt? Mich hat die Mu­sikrichtung sehr zu interessieren und zu faszinieren begonnen, und ich habe damit angefangen, mich mit verschiedenen Möglichkeiten Mu­sik zu produzieren auseinander zu setzen. Beim temp~ Festival im August sagte ich dann zum Spaß, dass ich nächstes Jahr live spiele, und jetzt, sind es vorgezogen, die Backlab Festspiele.

Du bastelst also jetzt an deinem Live-Set für die Backlab Festspiele. Wie läuft’s?
Mittlerweile arbeite ich schon ca. seit einem halben Jahr daran. Dabei mische ich harte, schnelle Beats, Grundrythmen, verzerrte Töne mit dunk­len Flächen. Ich verwerfe natürlich auch immer wie­der. Dabei sind schon etliche Sachen im Müll­eimer gelandet! Einen fixen Stil habe ich noch nicht gefunden. Derzeit ist alles sehr abwechslungsreich. Es wird ein Mix aus schnelleren und ruhigeren Sachen. Unter anderem auch tanzbar und einfach Sachen zum Zuhören.

Der Sound von deiner Website ist schon eher alt. Wie sind die neuen Sachen im Vergleich zu den älteren? Gibt’s eine Entwicklung?
Die ganz alten Sachen sind eher dunkel und mu­si­kalisch, noch sehr einfach strukturiert. Die neueren Sachen bauen sich stärker auf, passen besser zusammen, zum Teil stören sie sich aber ge­nauso und verdrängen sich.

Wie entsteht so ein Track bei dir? Wie gehst du an die Sache heran? Work-in-Progress oder Konzept?
Es teilt sich. Ich probiere zum Einen einfach aus, in dem ich Samples effektiere und neu zusam­men­setze, vieles passiert auch durch Zufall. Und zum Anderen setze ich schon auch Ideen in meinem Kopf um. Doch ich denke selten an eine be­stimmte Melodie oder ein Geräusch. Also, beides, Work-in-Progress und Konzept.

Wie ist deine Arbeitsweise? Samples oder Selbst-Ein­gespieltes?
Ich habe schon Musikinstrumente selbst eingespielt. Aber da ich kein Instrument spielen kann, klingt es falsch und ist oft unharmonisch. Wobei mir das gefällt und das auch zu meinem Set passt. Ich könnte also nicht sagen, dass es durchgehend harmonisch und tanzbar ist. Es sind auch Passagen dabei, die sicher weh tun und an denen man sich stößt.

Warum soll sich das Publikum an deiner Musik stoßen? Was ist deine Message?
Für mich muss Musik nicht schön sein. Und nicht tanzbar. Sie kann wehtun und nicht zum Aus­hal­ten sein. Bei den ersten Noise Konzerten bin ich, wie gesagt, meistens vorzeitig gegangen. Wenn die Leute bei meinem Auftritt rausrennen, weil’s ihnen einfach nicht gefällt, wär’s mir auch egal. Ich mach die Musik für mich selbst, und hoffentlich bleibt das auch so!

Soweit ich weiß, hast du auch schon den nächsten Live-Auftritt fixiert. Nämlich beim Ladyfest in Wels. Worum geht’s da?
Veranstaltet wird das Ladyfest vom Infoladen Wels. Das ist eine reine Frauen-Veranstaltung, und es geht dabei um die Stärkung und Ver­dich­tung des Netzwerks von Frauen.

Du produzierst Ambient-Noise. In diesem Bereich sind Frauen eher dünn gesäät. Gibt’s da eine Ent­wicklung in Richtung „mehr Frauen“?
Ich kenne eigentlich relativ viele Frauen in meinem Umfeld, die elektronische Musik produzieren. Aber bei Hardcore, Breakcore, Noise bis hin zu Ambient-Noise kenn ich keine einzige produzierende Frau. Die Noise-Szene ist eine Männer­do­mä­ne, in der es, glaube ich, als Frau sehr schwer ist, irgendwie Fuß zu fassen. Die großen Vorzeige Noisler, wie KK.NULL, Merzbow und Whitehouse sind alles Männer. Vielleicht habe ich ja in Zu­kunft die Möglichkeit, persönlich herauszufinden, wie man als Frau in der Linzer und Wiener Szene zurechtkommt.

Viel Glück dabei. Wie geht’s bei dir musikalisch weiter? Und auch Visual-technisch … wirst du dich mehr auf Musik oder Visuals konzentrieren?
Ich mache zur Zeit fix die Visuals für Mes. und wenn’s Veranstaltungen und Projekte gibt, die mir vom Konzept her gefallen, dann mache ich sehr gerne Visuals dazu. Musiktechnisch werde ich daraufhin arbeiten, einen eigenen Stil und eine eigene Sprache zu finden. Dafür hab ich auch noch genug Zeit.

www.backlab.at, www.backlab.at/karin

Ihr Debut-Liveauftritt wird bei den Backlab Festspielen am 23./24. März in der Stadtwerkstatt zu sehen und zu hören sein. Die Veranstaltung wird live auf Radio FRO 105,0 Mhz übertragen.

Backlab ist ein Kollektiv aus derzeit 42 KünstlerInnen, das als Hauptzweck den kreativen Austausch der Be­tei­lig­ten hat. Daraus ergeben sich oft rege Diskussionen (or­ganisatorisch meist über das interne Online-Forum auf servus.at abgewickelt) – oft aber auch Kooperationen und gemeinsame Projekte. Neben gemeinsamen künstlerischen Arbeiten entstehen so auch Ideen zu Veran­stal­tungen und Veranstaltungsreihen wie dem Zwischen­strom-Ball, dem temp~festival, dem Königreich der Illusionen oder Gegen den Strom und Strukturen wie !records und temp~records. Die Backlab Festspiele sind ein Quer­schnitt durch das Schaffen innerhalb des Backlab Kol­lektivs und versuchen zum ersten mal alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler – und alle von diesen verwen­deten Sparten kreativer Ausdrucksformen – auf einer Ver­anstaltung zu präsentieren.
Aka Tell (Markus Reindl) über Backlab

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03/07
FotoautorInnen: 
Karin Steinbinder

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