Aus der Ferne – Machtfaktor K, Angstfaktor K

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Die Zeiten sind schlimm, aber nicht so schlimm, dass sie nicht noch schlimmer werden könnten. Das Gute an diesen schlimmen Zeiten ist allerdings, dass es noch nie so leicht war, gut zu sein. Das be­weist sich täglich und durch ganz viele Menschen. Schön ist doch zum Beispiel, wie viele Menschen sich angesichts des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres plötzlich und völlig unvermutet für – ge­nau – Kultur interessieren. Selbst Menschen, die sich in den letzten Jahren eher durch abfällige Be­mer­kungen über Kultur im allgemeinen und über Kulturberichterstatterinnen im besonderen hervorgetan haben, sitzen nun – schwups – in Aufsichtsräten, die sich mit der Kulturhauptstadt be­schäf­tigen. Aberaberaber, hör ich da: Kultur, das beschreibt ja nicht nur Kunst, sondern auch: Gesprächs­kultur, Bildungskultur, Kultur der Umgangsformen, etcetera und gähn. Ganz genau, auch in diesem Sinne: schön also, dass sich bislang eher kulturferne Menschen plötzlich so sehr für Kultur interessieren. Was lernen wir daraus: nicht nur Politik und Wirtschaft, nein, auch Kultur wird, wenn’s gerade passt, zum Machtfaktor.

Schön des Weiteren, dass aus dem ehemaligen Angstfaktor Kultur nun der wohltuende, höchstwillkommene Machtfaktor Kultur geworden ist. Diese Veränderung ist nicht nur, aber auch und vor al­lem, in diversen Medienunternehmen dieses Landes zu bemerken. Allein, inhaltlich ist davon allerdings freilich nichts zu bemerken, denn wer sich erhofft hat, der Zugang zu Kultur und zu Kultur­be­richt­erstattung ändere sich schon allein dadurch, dass nun einige Mitarbeiter im Aufsichtsrat der Kulturhauptstadt sitzen, der oder die irrt. Noch immer (oder schon wieder) heißt es: Kultur und Kunst seien Abschaltimpulse und müssten am besten so verpackt werden, dass niemand mehr merkt, dass es sich hier um Kunst oder/und Kultur dreht. Würde jemand aber im Umkehrschluss von quotenmäßig ebenfalls eher marginal beachteten Sportberichten oder Wirtschaftsthemen verlangen, darauf zu verzichten, eben wie Sport- und Wirtschaftsberichte auszusehen? Lustig, oder? Interessieren eigentlich beständig im Kreis fahrende Autos oder den Hügel hinabschlitternde Skifahrer wirklich und ausschließlich alle Zuseher? So gedacht wäre nämlich dann jede andere Berichterstattung für Men­schen, die sich nicht so sehr für das jeweilige Thema interessieren, zumutbar, Kultur­bericht­er­stat­tung aber nicht.

Abgesehen davon, dass diese Herangehensweise eine Diskreditierung der Seher und Seherinnen sowie Hörer und Hörerinnen ist, die diese nicht verdient haben, bedeutet diese Entwicklung nicht mehr und nicht weniger, als dass möglicherweise im Jahr 2009 zwar einige Medienvertreter im Auf­sichtsrat sitzen und sich mit „Kultur“ schmücken, eine Kulturberichterstattung – die diesen Namen auch verdient – bis dahin aus dem Programm allerdings sukzessive entfernt wurde. Im Jahr 2009 se­hen, hören und lesen wir dann höchstens von und über Events, auf denen sich Bankdirektors, Poli­ti­kers und Medienvertreters die Hände reichen und sagen dürfen, wie wichtig ihnen Kultur ist, wobei der Begriff Kultur in diesem Fall dann so austauschbar ist wie meine Kontaktlinsenflüssigkeit. Bleibt zu hoffen, dass es dann noch ein paar Bürger und Bürgerinnen gibt, denen das auffällt und die ihr Recht auf lokale Kulturberichterstattung aus der im Übrigen – noch – einzigen verbliebenen Kultur­re­daktion einer Landesabteilung eines österreichischen Medienunternehmens einfordern. In diesem Sinne: Die Zeiten sind so schlimm, dass es noch nie so einfach war, gut zu sein. Erschreckend zeitlos ein Tucholsky Zitat: Kultur fängt da an, wo Bankdirektors aufhören.

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