Kennst du schon die neue Ausstellung …

„Museen scheinen die Aufgabe von Wahrzeichen übernommen zu haben, die früher Kathedralen zukam ...“ das sind die einleitenden Worte für die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Lentos „Museen im 21. Jahrhundert, Ideen – Projekte – Bauten“. Museen verleihen einer Stadt Höhe und Leuchtkraft, prägen das äußere Erscheinungsbild und geben wunderbare Fotomotive ab. Manchmal wissen wir aber kaum, was sich hinter der Fassade verbirgt. Margit Greinöcker im Interview mit Stella Rollig und Rainer Schrammel.

Die Ausstellung zeigt 27 architektonisch außergewöhnliche Museumsbauten aus 4 Kontinenten. Braucht Kunst ein außergewöhnliches Haus?
Stella Rollig (Leiterin des Kunstmuseum Lentos): Ich glaube schon, dass Kunst ein außergewöhnliches Haus braucht, denn gewöhnliche Häuser be­deu­ten leider sehr oft schlechte Architektur. Außergewöhnlich bedeutet nicht un­bedingt, dass ein Haus für sich spektakulär sein muss, sondern, dass das Haus bestmöglich zur Prä­sentation von Kunst geeignet sein soll. Da gibt es nun verschiedene Faktoren, die man dabei berücksichtigen muss – Raumhöhen, Eingangs­situation, Lichtverhältnisse und vieles andere mehr.

Die meisten in dieser Ausstellung gezeigten Museen würde ich optisch schon als spektakulär bezeichnen. Ist Kunst nicht Kunst genug?
Oja. Darum meine ich ja, die Architektur braucht nicht spektakulär für sich selbst zu werben. Die Kunst ist durchaus genug. Kunst kann überall stattfinden, nicht nur in Museen und Aus­stellungshäusern. Wenn man eigene Häu­ser für die Kunst baut, dann sollten sie an erster Stelle wirklich da­für geeignet sein, Kunst zu präsentieren. Aufsehen erregende Museums­ar­chi­tek­tur kann aber Personen anziehen, die sich dann auch mit dem Inhalt, mit der Kunst beschäftigen und das sonst vielleicht nicht getan hätten. Oft funk­tioniert das nur kurzfristig, das ist sehr schade. Das heißt, wenn man einmal das Museum, die Architektur gesehen hat, dann geht man nicht mehr hin. Es gibt aber auch Beispiele wie das Guggenheim Museum in Bil­bao, das ein ästhetisch herausfordernder Bau ist, wo es gelungen ist, ihn als Anziehungspunkt so zu etablieren, dass Leute immer wieder hingehen –  um den Bau zu erleben und sich mit der Kunst darin auseinander zu setzen.

Woran liegt es, dass Museen oft eher Touristen­at­traktionen sind? Es ist selbst­verständlich, innerhalb einer Städtereise Museen aufzusuchen, während ein Großteil der BewohnerInnen einer Stadt ihre Museen weniger oft besuchen.
Das ist eine interessante Frage. Es gibt das Phä­nomen, dass immer weniger Leute Kunst als et­was in ihrem Leben begreifen, mit dem man sich dauerhaft auseinandersetzt. Denken wir an ein Buch wie „Die alten Meister“ von Thomas Bernhard, das handelt vom Herrn Reger, der an jedem 2. Tag der Woche ins Kunst­histo­ri­sche Museum geht. Es hat solche Leute ge­ge­ben, also auch im wirklichen Leben, die ihre Lieblings­stücke immer wieder aufsuchten. Diese Art von Publikum verschwindet eigentlich. Wenn man die Be­schäf­tigung mit Kunst nicht von früh auf als etwas Lohnendes ken­nen gelernt hat, dann zieht man es vielleicht gar nicht mehr so in Be­tracht. Das hat schon fatale Auswirkungen. Ich möchte damit nicht sagen, dass man sich dann nicht auskennt, aber dann wird es nicht zum selbstverständli­chen Teil des Lebens. Es wird eher zu einer Ausnahme­er­schei­nung, wo es ganz besondere Umstände braucht, um einen Mu­se­ums­besuch zu realisieren. Wie etwa ein Stadtbe­sichtigungsprogramm innerhalb eines Urlaubs vol­ler Sehenswürdigkeiten und Kulturgüter.

Früher war die „Neue Galerie“ im „Lentia“ in Ur­fahr untergebracht, optisch kaum wahrnehmbar, das Gebäude aufgrund der Höhe natürlich. Nun mit dem neuen Bau, dem „Lentos“, gehen dessen Leuchtbilder rund um die Welt. Das knüpft natürlich Erwartungen an das Haus und an die leitende Person.
Das Lentos hat ja insofern eine Erfolgsgeschichte hinter sich, als es heute von einem sehr hohen Prozentsatz der LinzerInnen gekannt und ge­mocht wird. Das ist Freude und Heraus­forderung zugleich. Denn tatsächlich ist es so, dass viele Leute das Lentos als schönen und fixen Be­stand­teil des Linzer Stadtbildes wahrnehmen, aber die­se Tatsache sie allein noch nicht motiviert, hereinzukommen. Man kennt das Lentos, diesen Leucht­körper. Nun muss es gelingen, dass man auch weiß, dass hier Ausstellungen mit einem Schwerpunkt auf der Kunst der Gegenwart angeboten werden und aus diesem Blick eine Aus­ei­nandersetzung mit heutigen Lebensrealitäten statt­fin­det. Aus diesem Blick wird auch Kunst­ge­schichte, die Kunst des 20. Jahr­hun­derts und der klassische Moderne vorgestellt. Ich würde mir wünschen, dass man weiß, was hier drinnen statt­findet und dann wegen einzelner Aus­stel­lun­gen oder auch der Sammlung kommt. Wem ist denn eigentlich klar, dass wir hier eine Samm­lung haben, die Gustav Klimt zeigt, der gerade be­rühmteste Name, Egon Schiele, Kokoschka, Lovis Corinth, Paula Modersohn-Becker und bis in die jüngere Zeit ganz neue Arbeiten von Elke Krystufek, Attersee, Anzinger ...

Zurück zum Gebäude selbst, und zwar zum In­neren eines Museums, das ist ja ein sensibles The­ma. Bei Coop Himmelb(l)au kommt es beispielsweise schon vor, dass die Architektur mit den ausgestellten Werken konkurriert. Was muss der Bauch eines Museums können?
Ästhetik und Funktion klaffen in ihrer Qualität oft auseinander. Ein schönes, spektakuläres und innovatives Gebäude muss deswegen noch lange nicht seine Funktion gut erfüllen. Ich glaube, dass man immer wieder feststellen muss, dass auch Bauten von so genannten Starar­chitekt­In­nen ihre Funktion im Alltag sehr schlecht oder man­gelhaft erfüllen. An all die Räu­me von Foyer, Bibliothek bis Verwaltung und Werkstätten, De­pot, etc. werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Ausstellungsräume sind die augen­fälligsten Teile eines Museums. Sie sollten zurückhaltend sein in der architektonischen Sprache. Da komme ich auf so Werte wie Ausge­wogen­heit der Proportionen, große Raumhöhe – und was ganz wichtig und im Lentos fantastisch ist: das Licht. Wichtig wäre auch, dass die Räume flexibel zu bespielen sind. Man braucht für unterschiedliche Kunstwerke unterschiedliche Raum­größen, unterschiedliche Medien, Lichtverhält­nis­se. Ein Ge­­mälde, eine Skulptur muss in einem an­deren Licht gezeigt werden als eine Grafik; das trifft auch auf den großen Anteil der Kunst zu, wo mit projizierten Bil­dern, Lichtmedien gearbeitet wird und der seit vielen Jahr­zehn­ten Teil der Gegenwarts­kunst ist.

Was zeigt die Ausstellung „Museen im 21. Jahr­hundert“, was wird vermittelt?
Es werden 27 Projekte gezeigt, nicht alle davon sind realisiert. Man muss aber für diese Aus­stel­lung keine Pläne lesen können. Diese Aus­stel­lung ist vielmehr spannend, weil quasi die Bau­aufgabe „Museum“ von 27 verschiedenen Archi­tekt­Innen oder ArchitektInnengruppen durchformuliert wird. Man bekommt daher so ein Pano­rama an Architektursprache des beginnen­den 21. Jahrhunderts und kann so sehr gut vergleichen. Anhand dieser Bau­ten kann man gut eine De­batte beginnen – was bedeutet gute oder schlechte Architektur. Das sagt man oft so dahin, aber was sind die Kriterien?
Ich glaube, dass die Architekturdebatte über Mu­se­en im 21. Jahrhundert nicht losgelöst geführt werden kann von einer ständigen Debatte, was ein Museum inhaltlich und gesellschaftlich im 21. Jahrhundert sein kann. Wir kommen nicht weiter, wenn wir tolle, neue Museen realisieren ohne ständig zu überlegen: Das Museum, der Ort, an dem das kulturelle Erbe verwaltet, erforscht und gezeigt wird – das ist weitgehend öffentlich finanziert, das ist auch richtig so – aber was will man damit? Das steht schon in der Folge von Überlegungen, die wir im Lentos laufend mit der Öffentlichkeit füh­ren und führen wollen: Was erwartet man von so einem Haus, welche Erwartungen wollen wir erfüllen, welche wollen wir radikal brechen und auf den Kopf stellen. Ich möchte auf ein Projekt aufmerksam machen, das wir begleitend zu dieser Ausstellung haben. Es ist eine künstlerische Inter­vention in den Sammlungs­räu­men des Lentos. Peter Köhlerer hat diese auf eine sehr radikale, lustige und anschauliche Art verändert, indem er in der Herzkammer des Mu­seums optisch aufgerissen hat mit Fototapete – innerhalb der Präsentation der Kunst des 21. Jahrhunderts.

Zurück zur Eingangsfrage: Kunst braucht ein besonderes Haus?
Ja. Kunst braucht ein besonderes Haus, aber wir alle brauchen ein be­son­ders Haus. Ich will nicht die Kunst privilegieren, ich plädiere für gute Ar­chi­tektur. Für Kunst und für alle.

Brauchen Städte außergewöhnliche Gebäude?
Rainer Schrammel (Bauleiter und Projektentwickler in der Abteilung des Gebäudemana­ge­ments der Stadt Linz): Ich denke, es ist sicher eine Belebung der ganzen Kulturszene, si­cher kein Nachteil. Aus der Sicht von Wirtschaft und Tourismus können Regionen, die lange Zeit im Abseits gestanden sind, durch einen extravaganten Bau wieder ins Ram­penlicht gerückt werden. Ein klassisches Beispiel ist Bilbao. Das Guggenheim Museum (1991-97) wurde in ein abgefucktes Hafengebiet reingebaut. Frank O. Gehry hatte den Mut, das Museum dort zu bauen, um dem wirtschaftlichen Aufschwung eine Chance zu ge­ben, das ist in der Folge genützt worden. Museen können absolut belebend sein. Zur kulturellen Sache: Wenn die öffentliche Hand nicht Kultur und Kunst lebt und pflegt, wer macht es dann? Man braucht Räumlichkeiten, aber auch nachhaltige Inhalte, und das ist das Schwierige. Museumsbauten sind allgemein bekannt. Die Häuser leben in den ersten Jahren, was Besucherzahlen betrifft, von der Architektur. 80% kommen wegen der Archi­tek­tur, 20% wegen der Ausstellung. Wenn nach 3 Jahren alles wegbricht und die erste Be­geisterung vorbei ist, dann gehört eine qualitativ hochwertige Ausstellung ins Museum. Hier beginnt die Schwierigkeit für alle Häuser, Voraussetzung ist ein gutes Budget. Linz hat mit dem Kunstmuseum fast ein neues Stadtsymbol geschaffen, es hat beinahe mehr Bekanntheitsgrad als der Pöstlingberg. Ein Verdienst der Architektur, und das spüren auch die NormalverbrauchInnen in der Stadt.

Museen dürfen spektakulär sein, dürfen eine expressive For­mensprache besitzen. Mehr Geld wird investiert für Kreativität und Baudetails im Gegensatz zu anderen Bauten wie Wohn­bau oder Bürobau …
Stimmt. Kulturbauten, egal ob Museen, Musikhäuser, Kongresshäuser, Kunsthäuser wie in Graz die blaue Blase, sie können einen gewissen Meilenstein legen. Ausgefallene Ar­chi­tektur kostet mehr Geld, sicher nicht so viel, wie manche glauben, aber etwas mehr schon. Die ganzen sozialen Träger, egal ob Gebietskrankenkasse oder Genossen­schaf­ten, sind natürlich darauf bedacht, dass sie leistbare Wohneinheiten schaffen, die die Nor­malverbraucherInnen von ihrem Budget bedienen können. Es gibt aber auch im In­dus­­triebau Märkte, Hersteller, Produzenten, die sich ebenfalls auf außergewöhnliche Ar­chitektur hinbewegen. Zum Beispiel Mateschitz mit seinem Red Bull Hangar in Salz­burg. Man kann natürlich sagen, wenn du so viel Geld machst wie er, ist es egal, wie viel der Bau kostet. Der Hanger war ursprünglich nur für seine Aeroflotte gedacht, aber im Zuge des Bauens wurden Qualitäten für Ausstellungshalle, Eventzentrum, usw. erkannt. So wur­de dann notdürftig adaptiert, denn die Grundkonzepte sind wirklich spartanisch, aber nun auch weltweit bekannt. Auch in der Industrie geben heute viele die Visitenkarte durch die Architektur ab.

Architektur bekommt also zunehmend in vielen Bereichen wieder einen größeren Stel­len­wert?
So gesehen ja. Architektur ist Mode, und Mode ist in gewissem Maße Geschmacksache. Ich kann nur sagen: Mir gefällt das oder diese Architekturlinie entspricht meinem Ge­schmack. Ob man das jetzt pauschal oder objektiv betrachten kann, das ist schwierig. Man kann froh sein, dass es verschiedene Architekturrichtungen gibt. Architekt Weber (Len­tos), ein Anhänger des Minimalismus, sagt, ich reduziere meine Architektur auf das Notwendigste und unter der geschickten Anordnung durch Räume und Licht baue ich eine Hülle für die Gemälde, die sich im Inneren befinden. Das Architekturbüro Weber/Hofer hat sich im Inneren des Museums kein Denkmal gesetzt, sondern lässt den Künst­lerInnen das vorfinden, was notwendig ist, um die Werke zu präsentieren. Aber außen hat Weber mit dem Trick der hinterleuchteten Fassade etwas geschaffen, das viele toll finden. Nicht aber im Inneren – auf dekonstruktivistische Art wie etwa Coop Himmelb(l)au, ich glau­be davon sieht man sich schnell satt. Coop Himmelb(l)au spielt in der Weltliga vorne mit, aber das ist eben die andere Richtung. Alles Trendige hat ein Ablaufdatum. Die Oper in Sidney von Le Corbusier (1956-1976) ist nach wie vor ein Weltklassiker. Egal, ob das Haus gefällt oder nicht.

Die Gespräche sind am 1. Dez. (Stella Rollig) und am 5. Jän. (Rainer Schrammel) jeweils 17.30 h in der Sendung des Architekturforums in voller Länge nachzuhören: 105,0 Radio FRO, www.fro.at
Zu sehen ist die Ausstellung „Museen im 21. Jahrhundert, Ideen – Projekte – Bauten“ von 24.11.2006-18.02.2007 im Kunstmuseum Lentos. Information zur Ausstellung und zum umfangreichen Rahmen­programm (Podiumsgespräche, Führungen, Vorträge): www.lentos.at, www.artcentrebasel.com

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12/06
FotoautorInnen: 
Margit Greinöcker

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