Edition Linz

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Eine nachahmenswerte Art der Literaturförderung hat die Kulturdirektion der Stadt Linz aufzuweisen. Seit 1997 werden in der „edition linz“ jährlich 2-3 Neuerscheinungen präsentiert, die eines gemeinsam haben: Es handelt sich um Erstpublikationen.

Früher bekannt unter dem Namen „Linz Kultur Tex­te“ hat diese Reihe zum Ziel, AutorInnen aus Linz oder mit Linzbezug ein Debüt zu ermögli­chen. Von einer Jury ausgewählte AutorInnen erhalten damit die Möglichkeit, mit einer Auflage von 300 Stück ein „Erstlingswerk“ in der Reihe „edition linz“ in der Bibliothek der Provinz, die auch den Ver­trieb übernimmt, zu veröffentlichen. Besonders wichtig ist Peter Leisch, der die Reihe liebevoll betreut, dass die AutorInnen ein pro­fes­sionelles Lektorat erhalten, wodurch auch die Qualität der Werke sichergestellt wird.
Als Voraussetzung gilt, dass die Schreibenden mindestens ein Mal im literarischen Jahrbuch der Stadt Linz, den Facetten, veröffentlicht haben. Ein zweites Anliegen der Reihe ist es auch, Autor­In­nen, die bereits in den Anfängen der Facetten prä­sent waren, in Erinnerung zu rufen.
Der aktuelle Aufruf zur Einreichung von jeder Art bisher unveröffentlichter Literatur für die Facetten ist auf Seite 22 zu finden.

Jüngst erschienen und im Oktober im Stifterhaus präsentiert: Risse im Schnee (Erich Klinger), Medusenschild (Peter Kraft) und zufällig entkommen (Wadi Al-Obeadi).

Wadi Al Obeadi:
zufällig entkommen

edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
„Al Obeadis Gedichte thematisieren in sehr direkter Form die Lebenser­fah­­rungen eines Irakers, dessen Le­bens­umfeld seit 1980 von Krieg und Exil geprägt war und ist. Es sind Ge­dan­ken eines arabischen Schriftstellers, der seine Heimat ver­loren hat und im Exil-Land Österreich mit neuen Proble­men kon­fron­tiert wurde.“, so der Lektor Bernhard Wid­der, der im Ver­laufe des gemeinsamen Arbeitens mit Al Obeadi nicht nur mit dessen berührender Geschichte, sondern auch mit beider unterschiedli­cher Begriffe von Sprache und Literatur konfrontiert war. Die Gedichte – zunächst in der fremden Spra­che Deutsch ge­schrie­ben – sind in gemeinsamer Aus­ei­nan­der­set­zung von Autor und Lektor mit ihrem zutiefst politischen Hin­tergrund in der jetzigen Fassung entstanden. Erst dann wurden sie ins Arabische zurückübersetzt und sind nun in diesem Band zweisprachig präsentiert.

Peter Kraft: Medusenschild
edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
Auch die Entstehungsgeschichte dieses Gedichtbands ist ungewöhnlich. Sie beruht auf einem Wechselspiel in der Auseinandersetzung zweier Künst­ler mit dem Werk des anderen. Ge­dich­te von Peter Kraft dienten dem deutschen Künstler Fred Dieckmann als Inspi­ra­tion für eine erste Reihe von Holz­schnit­ten, die vom Autor Kraft mit weiteren Gedichten beantwortet wurden, welche wiederum Grund­lage für neue Holz­schnitte Dieckmanns wa­ren.
Das Ergebnis ist ein Band, der 32 Farbholzschnitte und 32 Ge­dichte unter je einem gemeinsamen Titel für Text und Bild nebeneinandergestellt, enthält.
Krafts oft schwierig zu lesende Gedichte mit den Grund­the­men Vergänglichkeit, Tod und Trauer verlangen auch von den LeserInnen assoziatives, mitwissendes Lesen, so Lektor Bern­hard Widder. Auch wenn die beiden Zyklen als eigenständige Wer­ke existieren können, erhalten die Texte durch die Holz­schnit­te oft erhellende Ergänzung.

Erich Klinger: Risse im Schnee
edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
Eisenbahnliebhaber sind Freaks, Käu­ze mit einem zweifelhaften, erotisch sublimierten Inter­es­se – der Fachbe­griff lautet Fer­roerotik und be­zeich­net den Fetisch Eisen, die Liebe zu Ma­­­schi­nen und Fahr­zeu­gen. Das möch­te man hin­ter Klingers Buch vermuten, bezie­hungs­­weise betrifft die vorneweg be­hauptete literarische Ferro­ero­tik bei Klinger nur den Haupt­text dieses Buches, das „Gmund­ner Log­buch“. Dieser etwa 80seitige Text wird dicht durchzogen von Passagen wie dieser: „Eisenbahn: Eilzug nach Wien (3425, 16.33, Abfahrt +2) mit 10 oder 1116 bespannt und mit 5 mo­der­nen vollklima­tisierten Reisezugwagen! Auch Ge­gen­zug (3424, 16.36) nach Obertraun mit 1016 als Wen­de­zug-Tfz.“ Zweifellos ist die Fer­ro­erotik hier eine fragwürdige Unter­stel­lung – überhaupt äu­ßert sich Traude Korosa im Nachwort des Buches vornehmer: „Bizarr anmutende Textstellen, die wie experimentelle Lite­ra­tur erscheinen“.
Jetzt etwas ernsthafter. Das Gmundner Logbuch ist im Früh­jahr dieses Jahres als Tagebuch eines Stipendienaufenthaltes des Landes OÖ in der Vil­la Stonborough-Wittgenstein entstanden, wo auch das Thomas-Bernhard-Archiv angesiedelt ist. Mit Traude Korosa gesprochen thematisiert der Text die Überbegriffe „Raum, Zeit und Fortbewegung“ als unabdingbare Voraussetzungen für Kreativi­tät. Klinger lebt in der Allge­gen­wart von Tho­mas Bernhard und bewegt sich durch das noch winterliche Gmunden, durchs Salzkammer­gut. Er notiert dabei penibel seine Fortbewe­gungs­­mittel, Fahrpläne, seine Be­sorgungen und Be­sorg­nisse, außerdem persönliche Noti­zen, Sicht­­weisen und mit nach Gmunden geschleppte per­­sönliche Beziehungsgeschichten. Der experimentelle Cha­rak­ter in der Form ergibt sich dabei aus der Zu­sam­men­set­zung eines an sich hybriden All­tags und Klingers bereits erwähnten besonderen Interessen – die Themen wechseln oft un­ver­mittelt und bruchstückhaft.
Dass die Alltagsnotizen dann doch so unaufgeregt und alltäglich nicht sind, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, in einem tiefen Miss­trau­en gegenüber althergebrachten Ord­nun­gen, Rege­lungen, Verständnissen, gegenüber (Alltags-)Fa­schis­men und den nationalsozialistischen Spu­ren, die natürlich auch im schönen Salzkammer­gut zu finden sind. Dass der Text es mitunter nicht nur sehr genau mit den eigenen und kollektiven „Befindlichkeiten“ nimmt, sondern es manch­mal auch besser weiß, führt Klinger vor, indem er dem Filialleiter der lokalen Bank auf amüsante Weise den Unterschied von „Musik hö­ren“ und „Radio hören“ („allgegenwärtige Musik­berieselung“) zu erklären versucht oder die Filial­leiterin des Spar wegen „fehlender Preiskenn­zeich­nungen“ in ein Ge­spräch verwickelt, um dann wieder ganz andere Schlüsse aus dem Ge­spräch zu ziehen. Sehr berührend und ganz und gar nicht amüsant sind die Notizen, die in sehr knapper Form auf materielle und immaterielle Existenzängste und akute Panik­zustände verweisen. Das betrifft psychische Unruhe, die fehlende Existenzsicherung, die Angst vor der falschen Ba­lance von Freiheit und Nähe, das unentschlossene „Weggehen“ und „Dableiben“ und letztendlich auch die Angst vor dem Tod. Diese Zwischen­zu­stän­de von Wut und empfundener Übermacht fängt Klinger im zweiseitigen Einleitungstext „Ris­se im Schnee“ poetisch ein: „Ein brüllendes Tier bin ich in solchen Momenten“; und er durchzieht das Gmundner Logbuch mit der Angst vor der absehbaren Abreise und damit vor dem neu­erli­chen Verlust der „allerersten Werkzeuge“ des Au­tors: vorhandener Raum, Zeit und Fortbe­we­gung.

Frühere Publikationen der edition linz seit 1997:
W. Rager: Vor der großen Stille
A. Jungwirth: Im Tosen der Stadt
H. Droyscher: Abend im Freien
J. Skrivanek: das klettern der fische
F. Kaiser-Schreber: ein oper in acht bildern
M. Eliskases: Stragula
C. Bitter: was man hier verloren hätte
F. Neuner: Und käme schwarzer Sturm gerauscht
R. M. Aspalter: Die Menge
St. T. Hadwiger: Wind stinkt nach Superkleber
Sibylle Küblböck: Hiring
Judith Pouget: Sprechen, um zu berühren

Linz Kultur Texte:
A. G. Krispel: Unter der Schädeldecke
B. Hattmanstorfer: Der Hut der Hillary Clinton
K. B. Kraml: Ich spür den Monden nach
U. Rechenberg: Grenzgedanken
Wolfgang Kauer: Die Donau hinauf

Alle Publikationen sind erhältlich bei der Bibliothek der Provinz und bei Linz Kultur, Peter Leisch, Pfarrgasse 7, 4020 Linz, Tel: 0732-7070-1945, peter.leisch@mag.linz.at.

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