Edition Linz
Früher bekannt unter dem Namen „Linz Kultur Texte“ hat diese Reihe zum Ziel, AutorInnen aus Linz oder mit Linzbezug ein Debüt zu ermöglichen. Von einer Jury ausgewählte AutorInnen erhalten damit die Möglichkeit, mit einer Auflage von 300 Stück ein „Erstlingswerk“ in der Reihe „edition linz“ in der Bibliothek der Provinz, die auch den Vertrieb übernimmt, zu veröffentlichen. Besonders wichtig ist Peter Leisch, der die Reihe liebevoll betreut, dass die AutorInnen ein professionelles Lektorat erhalten, wodurch auch die Qualität der Werke sichergestellt wird.
Als Voraussetzung gilt, dass die Schreibenden mindestens ein Mal im literarischen Jahrbuch der Stadt Linz, den Facetten, veröffentlicht haben. Ein zweites Anliegen der Reihe ist es auch, AutorInnen, die bereits in den Anfängen der Facetten präsent waren, in Erinnerung zu rufen.
Der aktuelle Aufruf zur Einreichung von jeder Art bisher unveröffentlichter Literatur für die Facetten ist auf Seite 22 zu finden.
Jüngst erschienen und im Oktober im Stifterhaus präsentiert: Risse im Schnee (Erich Klinger), Medusenschild (Peter Kraft) und zufällig entkommen (Wadi Al-Obeadi).
Wadi Al Obeadi:
zufällig entkommen
edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
„Al Obeadis Gedichte thematisieren in sehr direkter Form die Lebenserfahrungen eines Irakers, dessen Lebensumfeld seit 1980 von Krieg und Exil geprägt war und ist. Es sind Gedanken eines arabischen Schriftstellers, der seine Heimat verloren hat und im Exil-Land Österreich mit neuen Problemen konfrontiert wurde.“, so der Lektor Bernhard Widder, der im Verlaufe des gemeinsamen Arbeitens mit Al Obeadi nicht nur mit dessen berührender Geschichte, sondern auch mit beider unterschiedlicher Begriffe von Sprache und Literatur konfrontiert war. Die Gedichte – zunächst in der fremden Sprache Deutsch geschrieben – sind in gemeinsamer Auseinandersetzung von Autor und Lektor mit ihrem zutiefst politischen Hintergrund in der jetzigen Fassung entstanden. Erst dann wurden sie ins Arabische zurückübersetzt und sind nun in diesem Band zweisprachig präsentiert.
Peter Kraft: Medusenschild
edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
Auch die Entstehungsgeschichte dieses Gedichtbands ist ungewöhnlich. Sie beruht auf einem Wechselspiel in der Auseinandersetzung zweier Künstler mit dem Werk des anderen. Gedichte von Peter Kraft dienten dem deutschen Künstler Fred Dieckmann als Inspiration für eine erste Reihe von Holzschnitten, die vom Autor Kraft mit weiteren Gedichten beantwortet wurden, welche wiederum Grundlage für neue Holzschnitte Dieckmanns waren.
Das Ergebnis ist ein Band, der 32 Farbholzschnitte und 32 Gedichte unter je einem gemeinsamen Titel für Text und Bild nebeneinandergestellt, enthält.
Krafts oft schwierig zu lesende Gedichte mit den Grundthemen Vergänglichkeit, Tod und Trauer verlangen auch von den LeserInnen assoziatives, mitwissendes Lesen, so Lektor Bernhard Widder. Auch wenn die beiden Zyklen als eigenständige Werke existieren können, erhalten die Texte durch die Holzschnitte oft erhellende Ergänzung.
Erich Klinger: Risse im Schnee
edition linz in der Bibliothek der Provinz, 2006, EUR 12,50
Eisenbahnliebhaber sind Freaks, Käuze mit einem zweifelhaften, erotisch sublimierten Interesse – der Fachbegriff lautet Ferroerotik und bezeichnet den Fetisch Eisen, die Liebe zu Maschinen und Fahrzeugen. Das möchte man hinter Klingers Buch vermuten, beziehungsweise betrifft die vorneweg behauptete literarische Ferroerotik bei Klinger nur den Haupttext dieses Buches, das „Gmundner Logbuch“. Dieser etwa 80seitige Text wird dicht durchzogen von Passagen wie dieser: „Eisenbahn: Eilzug nach Wien (3425, 16.33, Abfahrt +2) mit 10 oder 1116 bespannt und mit 5 modernen vollklimatisierten Reisezugwagen! Auch Gegenzug (3424, 16.36) nach Obertraun mit 1016 als Wendezug-Tfz.“ Zweifellos ist die Ferroerotik hier eine fragwürdige Unterstellung – überhaupt äußert sich Traude Korosa im Nachwort des Buches vornehmer: „Bizarr anmutende Textstellen, die wie experimentelle Literatur erscheinen“.
Jetzt etwas ernsthafter. Das Gmundner Logbuch ist im Frühjahr dieses Jahres als Tagebuch eines Stipendienaufenthaltes des Landes OÖ in der Villa Stonborough-Wittgenstein entstanden, wo auch das Thomas-Bernhard-Archiv angesiedelt ist. Mit Traude Korosa gesprochen thematisiert der Text die Überbegriffe „Raum, Zeit und Fortbewegung“ als unabdingbare Voraussetzungen für Kreativität. Klinger lebt in der Allgegenwart von Thomas Bernhard und bewegt sich durch das noch winterliche Gmunden, durchs Salzkammergut. Er notiert dabei penibel seine Fortbewegungsmittel, Fahrpläne, seine Besorgungen und Besorgnisse, außerdem persönliche Notizen, Sichtweisen und mit nach Gmunden geschleppte persönliche Beziehungsgeschichten. Der experimentelle Charakter in der Form ergibt sich dabei aus der Zusammensetzung eines an sich hybriden Alltags und Klingers bereits erwähnten besonderen Interessen – die Themen wechseln oft unvermittelt und bruchstückhaft.
Dass die Alltagsnotizen dann doch so unaufgeregt und alltäglich nicht sind, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, in einem tiefen Misstrauen gegenüber althergebrachten Ordnungen, Regelungen, Verständnissen, gegenüber (Alltags-)Faschismen und den nationalsozialistischen Spuren, die natürlich auch im schönen Salzkammergut zu finden sind. Dass der Text es mitunter nicht nur sehr genau mit den eigenen und kollektiven „Befindlichkeiten“ nimmt, sondern es manchmal auch besser weiß, führt Klinger vor, indem er dem Filialleiter der lokalen Bank auf amüsante Weise den Unterschied von „Musik hören“ und „Radio hören“ („allgegenwärtige Musikberieselung“) zu erklären versucht oder die Filialleiterin des Spar wegen „fehlender Preiskennzeichnungen“ in ein Gespräch verwickelt, um dann wieder ganz andere Schlüsse aus dem Gespräch zu ziehen. Sehr berührend und ganz und gar nicht amüsant sind die Notizen, die in sehr knapper Form auf materielle und immaterielle Existenzängste und akute Panikzustände verweisen. Das betrifft psychische Unruhe, die fehlende Existenzsicherung, die Angst vor der falschen Balance von Freiheit und Nähe, das unentschlossene „Weggehen“ und „Dableiben“ und letztendlich auch die Angst vor dem Tod. Diese Zwischenzustände von Wut und empfundener Übermacht fängt Klinger im zweiseitigen Einleitungstext „Risse im Schnee“ poetisch ein: „Ein brüllendes Tier bin ich in solchen Momenten“; und er durchzieht das Gmundner Logbuch mit der Angst vor der absehbaren Abreise und damit vor dem neuerlichen Verlust der „allerersten Werkzeuge“ des Autors: vorhandener Raum, Zeit und Fortbewegung.
Frühere Publikationen der edition linz seit 1997:
W. Rager: Vor der großen Stille
A. Jungwirth: Im Tosen der Stadt
H. Droyscher: Abend im Freien
J. Skrivanek: das klettern der fische
F. Kaiser-Schreber: ein oper in acht bildern
M. Eliskases: Stragula
C. Bitter: was man hier verloren hätte
F. Neuner: Und käme schwarzer Sturm gerauscht
R. M. Aspalter: Die Menge
St. T. Hadwiger: Wind stinkt nach Superkleber
Sibylle Küblböck: Hiring
Judith Pouget: Sprechen, um zu berühren
Linz Kultur Texte:
A. G. Krispel: Unter der Schädeldecke
B. Hattmanstorfer: Der Hut der Hillary Clinton
K. B. Kraml: Ich spür den Monden nach
U. Rechenberg: Grenzgedanken
Wolfgang Kauer: Die Donau hinauf
Alle Publikationen sind erhältlich bei der Bibliothek der Provinz und bei Linz Kultur, Peter Leisch, Pfarrgasse 7, 4020 Linz, Tel: 0732-7070-1945, peter.leisch@mag.linz.at.
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