Individuelles Design als Brücke zur Einheit

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Zum zweiten Mal findet im Lentos die Modemesse „Modezone“ von 07. bis 09. November statt. Tanja Lattner präsentiert bei der Messe, die das Ziel hat, Jungdesigner und unabhängige Labels in Linz zu etablieren, ihre Kollektion „Individual Illusion“.

Die gängige Vermarktung von Bekleidung durch die Modeindustrie suggeriert den Konsumenten wie man sich seinem Selbst entsprechend kleidet, heißt es. Das ist das grausliche Paradoxon, das vorherrschend alles und je­den verbiegt, der die Nerven hat und meint, seinen ureigenen Weg in Punk­to einzigartigem Bekleidungsstil gefunden zu haben, um ihn stilsicher und vol­ler Stolz ausleben zu können. Kurz darauf beobachtet man mehr oder we­niger hämisch, wie die Enttäuschung allerorts (besonders bei jenen, die sich, nicht anders könnend, den Selbstbetrug eingestehen und die dann al­so unendlich Schmach, Scham und Schande verspüren) riesengroß ist. Die 2. Option ist, dass das Wurschtigkeitsempfinden obsiegt und persönlicher Stil sowie Modebewusstsein einem „beleidigte-Leberwurst-Desinteresse“ ge­opfert werden. Direkt hinein in den Rachen des H&M-, C&A-Empfindens. Das Leben findet danach, leider folgefalsch, ein Auskommen ohne dieses, in
der Mode häufigst gebrauchte Wort „Individualität“. Es gibt dann nämlich in Folge überhaupt keine besondere Wertlegung mehr auf das wohl allgegenwertigste Ausdrucksmittel für das ganz persönliche Lebensgefühl, nämlich der Mode selbst. Dem entgegensteuern zu können, indem die Verschie­denheit im Gleichen gesucht wird, klingt oberflächlich betrachtet wenig ziel­führend, ist aber um die Ecke gedacht der gangbarste Weg und den Versuch wert. Individualität durch Gleiches. Selbiges durch jemand/etwas an­deres zum Unterschied machen und so den Zeitzeugen als Tatbestand fest­gemacht wissen. So könnte, verwurschtelt gesagt, das Konzept oder vielmehr das Anliegen von „Individual Illusion“ made by Tanja Lattner umrissen werden. Es ist ein Hinweis auf die Widersprüchlichkeit der Mode. Ein Wink, der das Bewusstsein schärfen soll. Eine Anspielung auf die Ab­hän­gig­keit von der Warenindustrie, d.h.: Der von der Industrie gebotenen Güter und von der Gesellschaft und ihren Maßstäben.

Nach mehreren für Tanja Lattner typischen, sich gerne und bestimmt der sozialen Komponente widmenden Konzeptkollektionen (Stahlstadtkinder [1999], Die Entführung Europas [2002], high heeled rooted to the soil [2005], His Jacket [2006]), die sich allemal auch durch den Titel selbst erklären, geht es Tanja Lattner diesmal eben um das Finden des Gemeinsamen im Individuellem. So zu sagen um die Zusammenführung des Besonderen in die Gemeinsamkeit, um das Kollektiv. Indi­vi­du­al Illusion umfasst neun Jac­ken, produziert von Tan­ja Lattner, alle aus demselben Stoff und alle in der gleichen Machart. Diese Jacken unterschei­den sich nur in ganz kleinen Details, die erst bei näherer Betrachtung erkennbar werden. Sie werden von neun Protagonisten der Linzer Subkultur getragen. Jeder der Neun vertritt eine andere Mu­sik­szene. Als Endprodukt erscheint ein quasi Kol­lek­­tions­katalog in Form eines Plakates, das zu­sam­mengefaltet die Größe einer CD hat und stylish in einer durchsichtigen Plastik-CD-Hülle steckt. Die Prä­sen­tation erfolgt im Rahmen der Modemesse „Modezone“. Die Messe, die das Ziel hat, Jung­de­sig­ner und unabhängige Labels in Linz zu etablie­ren, soll es jährlich geben. Sie wird veranstaltet vom Lentos und organisiert von: Astrid Hofstet­ter, Ina Wiesner, Astrid Windtner und Gerda Schois­sen­geier. Bleibt die Frage, ob die Mode wirklich unser Empfinden vermittelt. Ist es über­haupt mög­lich, ganz persönliche Anschauungen durch die Klei­­dung zu visualisieren? Oder sind wir nicht ei­gentlich alle gleich angezogen?

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11/08
FotoautorInnen: 
Alex Davies

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