Im Zwischenraum

Im Vorfeldprogramm des FdR 2009 sind zwei Projekte bereits zu besuchen: „Der Garten der Sinne“ als selbstorganisierter Gemeinschaftsgarten und der „Öffentliche Raum der Stadt“, eine Gesprächs- und Diskussionsreihe zum Stadtrand. Wolfgang Schmutz berichtet im zweiten Teil der spotsZ-Serie zum FdR „Vor Ort im Vorort“ über räumliche Texturen im Süden von Linz – zwischen wildem Botanikparadies und Stadtplanung.

Am Rande einer Sackgasse im südlichen Auwiesener Siedlungsgebiet, zwischen Dauphinestraße und Traun, leiten die obligatorischen Wegweiser durch die Anhäufung von Siedlungsblöcken. „Zu den Häusern Magerweg 16-26, nur gerade Nummern“ steht auf einem von ihnen. Doch nur wenige Meter danach tut sich rechterhand ein Grundstück ganz ohne Adresse auf. Petar Radisavljevic, genannt „Ikarus“, hat hier vor 26 Jahren begonnen, seinen Sozialgarten anzulegen – als selbsternannter Gärtner, der zwar keinen eigenen Garten besitzt aber dennoch einen hat.

1992 manövrierte der zweifache Vater, soeben mit seiner Familie in den Ma­gerweg gezogen, einen Stein des Anstoßes auf ein verwildertes öffentliches Grundstück, auf eine G’stettn direkt vor der Haustür. Der Naturliebhaber hat­te beschlossen, sich ein Ruhefleckchen zu verschaffen, im Freien und ab­seits seiner 3,5 m2 Balkonfläche. Durch das Hin- und Hergehen zum Sitz­stein, mit Kaffee und Zeitung, entstand zunächst ein kleiner Trampelpfad, je­ner Typus Weg, der oft Parkanlagen und genormte Grünflächen abseits der angelegten Schneisen durchpflügt, sich oft nachträglich als effizienterer Benutzerweg etabliert. Auch für Radisavljevic sollte dieser Trampelpfad zur Direttissima werden, die ihn schnurstracks zur Realisierung eines Gartens führte, den er so genau im Kopf hatte, weil er ihn immer schon einmal anlegen wollte. Gegen die Widerstände der Anrainer, die er von Haus zu Haus gehend einlud, sich doch am Aufbau des Gartens zu beteiligen und gegen den Willen der Wohnbaugenossenschaft verfolgte er sein Vorhaben unbe­irrt. Und nun liegt er da, über 250 m2 groß, mit 270 Pflanzen, vielen Stei­nen, einem Teich samt Brücke, einer Laube und mehreren Sitzgelegenheiten. Über den Garten verteilt auch Kunstwerke aus Eisen und Holz. Doch die fallen aufs erste gar nicht auf, verweben sich mit der Pflanzenvielfalt zu ei­nem Ganzen, das sich ein wenig wie ein botanischer Garten ausnimmt und im Zusammenfließen von Garten- und skulptureller Kunst zugleich auch ein entfernter Verwandter jenes Refugiums ist, das sich (und der Öffentlichkeit) André Heller am Gardasee schuf. Und wenn „Ikarus“ seinen Garten als un­endlichen bezeichnet, weil dessen Wege keine Sackgassen sind, dann könnte das genauso gut auch vom kunstgärtnernden Kollegen stammen. Der hat­te sein Grundstück samt Villa Hruska allerdings nicht mittels zivilem Un­ge­horsam errichtet sondern via Kauf erworben.

Was Petar Radisavljevic’ Garten in sich zu einem Kunstprojekt werden lässt, ist nicht zuletzt der ursprüngliche Akt der Aneignung. Die Besetzung öffentlichen Raums zum Zweck des gesellschaftlichen Fruchtgenusses, die Schaf­fung eines Ortes aus einer künstlerischen Idee, die vor ihrer Umsetzung nie raumplanerische Reißbretter und behördliche Verfahren über sich ergehen lassen musste, ist eine schöne, wahr gewordene Utopie. An den Rändern von Linz war in den 80ern und 90ern jedoch Realitätssinn gefragt. Der Auftrag lautete Wohnraumschaffung, die quantitativen Vorgaben flossen in den Pro­jekttitel „Auwiesen 3000“ ein. Und dieses Ziel erreichte man auch – fast, denn der aktuelle FdR-Flyer verweist lakonisch auf 2798 tatsächlich errichtete Wohnungen.

Im Zentrum standen beim seit den 70ern verfolgten Projekt Überlegungen, die vor allem wirtschaftlichen Gesetzen Folge leisteten. Zum Zentrum wur­de eine ökonomischer Raum erhoben, mit einer Ansammlung von Ge­schäf­ten, deren Anzahl jene der sozialen Institutionen überstieg, angebunden an die Verkehrsinfrastruktur als Straßenbahnendhaltestelle, als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens jedoch ungeeignet. Geplant und berechnet wur­den solcherart neben den Wohn- also auch die Lebensräume und Grün­flä­chen außerhalb der eigenen vier Wände. Wie groß ein Vorgarten zu sein hat, wie viel Freiraum sich zwischen Häusern befindet und wie diese von We­gen durchkreuzt werden. All dies unter konsensualen Gesichtspunkten des Wohnbaus, fernab der Einbindung späterer Bewohner. Daraus hatte man im Nachfolgeprojekt Solar-City wohl Lehren gezogen, allerdings mit einem Fo­kus auf den Innenraum. Auch hier entstanden Vorgärten als verlängerten Arm privater Wohnungen, jedem das seine unter Beobachtung der Nach­barn gewissermaßen, jedenfalls Flächen mit beschränktem Gemein­schafts­wert. Für diesen waren und sind in Auwiesen die Sportanlagen zuständig, die eingezäunterweise nicht nur die Umgebung vor beschleunigten Bällen schützen sondern auch den Ort des Spiels determinieren, das anderswo per verordneter Nicht-Nutzung auch nicht stattfindet. So werden die öffentlichen Freiflächen vom vorgefertigten Lebensraum de facto zum Leerraum, der nach­trägliche Adaptionen kaum vor- oder zumindest nicht gerne sieht. Was bei Petar Radisavljevic also zur Provokation wurde, war nicht zuvorderst die Idee des Gartens selbst, sondern der Verstoß gegen die verordnete Leer­stelle, die man wenn schon, dann höchstens temporär besetzte. Mitten im deklarierten Niemandsland zwischen den abgeschotteten Privaträumen entstand plötzlich eine, in diesem Fall botanisch formulierte, Sinnfrage.

Dass sich diese angesichts städtischer Entwicklungen und fortwährender Kommerzialisierung des öffentlichen Raums ganz grundsätzlich stellt, greift ein weiteres Vorfeld-Projekt des Festivals der Regionen auf. Auch dieses ist kein gänzlich neues Format. Peter Arlt, Stadtsoziologe in Linz, veranstaltet bereits seit 2003 die Gesprächsreihe „Der öffentliche Raum der Stadt“. Ge­mein­sam mit den schon bisher involvierten Partnern Hans Kropshofer, Die Fabrikanten und Georg Ritter verlagert man den Fokus im Rahmen des FdR an den Stadtrand. In den Süden von Linz begibt sich damit – auch physisch – eine diskursive Veranstaltung, bei der die Ein­bindung des Publikums Programm ist. Sich an spe­zifischen Themenkreisen orientierend geht den Dis­kussionen dabei stets ein Podiumsgespräch vo­ran, das den öffentlichen Raum aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Dabei hatte man sich schon bisher einen bunten Reigen aus Stadt­politikern, Polizisten, Architekten, Soziologen und Künstlern zu Gast. Im Sinne der gewollten Ver­schrän­kung von soziologisch-künstlerischer For­schung bzw. Aktion mit städtebaulichem Planen, hat man sich für die nunmehrige Veranstal­tungs­reihe etwa den Architekturtheoretiker und Kura­tor Michael Zinganel oder Katharina Blaas-Prat­scher, ihres Zeichens Leiterin von „Kunst im Öf­fent­lichen Raum“ in Niederösterreich eingeladen. Den Auftakt macht am 12. November sozusagen ein Lokalmatador, der Linzer Stadtent­wick­lungs­di­rektor Gunter Amesberger (Termine im nebenstehenden Kasten).

Breite Diskurse dieser Art hat die Stadt wohl an den Rändern wie im Zentrum nötig, wie die jüngsten Vorfälle beweisen. Reduziert auf Ge­schmacks­urteile hatte sich die Politik wieder einmal direkt und indirekt an der negativen Aufladung von zeit­genössischer Architektur beteiligt – sowohl bei der Diskussion um die Musiktheater-Fassade als auch beim mittlerweile abgeblasenen Passivhoch­haus­bau in der Gruberstraße. In solchen Momenten zieht man sich offenkundig gerne auf Stand­punk­te zurück, die einem im nächsten Wahlkampf mög­lichst nicht als pointierte und daher vermeintlich schädliche Position ausgelegt werden können. Denn diese würde am Ende gar einen offiziellen Dis­kussionsprozess zur Architektur auslösen, der auch in die Gefilde abseits des in Gebäude gegossenen Symbolgehalts hineinspielen könnte. In den öffentlichen Raum der Stadt, wo manch einer schon einen Garten angelegt hat.

Der öffentliche Raum der Stadt
Gesprächs- und Diskussionsreihe zum Stadtrand. Ein Projekt von Peter Arlt, Hans Kropshofer, Georg Ritter, Die Fabrikan­ten.
Mi 12. 11. 2008, 19.00 h, Gunter Amesberger (Stadt­ent­wick­lungs­­direktor, Linz), ELIA solarCity – Foyer, Pe­ga­sus­weg 1-3, solarCity, Linz
Fr, 28. 11. 2008, 19.00 h, Michael Koch (Architekt und Stadt­pla­ner, Hamburg), Kleinmünchnerhof, Dauphine­stra­ße 19, Auwie­sen, Linz
Mi, 03. 12. 2008, 19.00 h, Boris Sieverts (Künstler, Köln), Wan­de­rung durch den Süden von Linz, Treffpunkt End­­haltestelle (Linie 2), solarCity, Linz
Mi, 14. 01. 2009, 19.00 h, Joachim Hainzl (So­zial­pä­da­goge und Sozialhistoriker, Graz), Schulzentrum so­lar­City, He­lios­­allee 140-142, solarCity, Linz
Mi, 11. 02. 2009, 19.00 h, Michael Zinganel (Archi­tek­tur­theo­re­tiker, Künstler und Kurator, Wien/Graz), Tor­nado Bowling­center, Karl-Steiger-Straße 3, Auwiesen, Linz
Mi, 11. 03. 2009, 19.00 h, Katharina Blaas-Prat­scher (Leiterin Kunst im Öffentlichen Raum, Nieder­öster­reich), Volkshaus Au­wiesen, Wüstenrotplatz, Auwiesen, Linz

„Vor Ort im Vorort“: Das FdR im Vorfeld
Das Festival der Regionen widmet sich 2009 mit dem The­ma „Normalzustand“ den tatsächlichen oder eingebildeten Nor­malzuständen städtischen Lebens. Es bleibt auch im Sü­den von Linz, im städtischen Umfeld Auwiesen und solar- City, bei seiner Ausrichtung von aktueller ortsspezifischer Kunst und Kultur. Nach der verstärkt installativen Aus­rich­tung der letzten Ausgaben setzt das Festival 2009 in den Wohnanlagen von Auwiesen und der solarCity schwerpunktmäßig auf Partizipation, Performance und Präsenz der Ak­teu­re vor Ort. Im Mittelpunkt steht dabei auch eine Verla­ge­rung eines Teils der Linzer Kunst- und Kulturszene in den äußersten Linzer Süden und deren intensive Verschränkung sowohl mit lokalen wie auch internationalen Partnern.

spotsZ widmet sich in der Serie „Vor Ort im Vorort“ bis Mai 2009 den Themen des Festivals der Regionen und möchte anhand von stattfindenden Projekten, bzw. den laufenden Vorbereitungen besonders die Begriffe Partizipation und Per­formance im Kontext des (sub)urbanen und künstlerischen Normalzustandes beleuchten, als Serie eine kleine Phäno­me­nologie der Sichtbarmachung, des Zusammenlebens und Teilnahme zeichnen. Temporäre Außenstellen, experimentel­le Stadterfahrung, dörfliche Urbanität, Umdeutung und Um­nutzung des öffentlichen Raums, Kunst, Alltag und Zu­sam­men­leben: In Teil 2 der Serie soll es um „Miteinander Ge­stal­ten“ und im weitesten Sinn um die Gestaltung von Leer­räumen gehen – aus zwei vielleicht entgegengesetzten Per­spek­tiven. Ausgangsstation ist ein Festivalprojekt, das schon lange vor dem Festival bestanden hat, gleichsam ins Pro­gramm nur integriert werden musste, „Der Garten der Sin­ne“ von Peter Radisavljevic. Der Garten als Ort von „natürlichem“ Wachstum und Kommunikation soll der planerischen Gesprächskultur einer Reihe, die als „Der öffentliche Raum der Stadt“, eine Gesprächs- und Diskussionsreihe zum Stadt­rand praktiziert, gegenübergestellt werden.

Mehr Informationen zum FdR: www.fdr.at.
 

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11/08
FotoautorInnen: 
Wolfgang Schmutz

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