Abbild und Transformation

„Subjekt/Objekt“ – so der Titel, den Christoph Herndler und Markus Scherer ihrem „Setting für Konzertraum“ gegeben haben, selbiges fand am 20. Okt. im Brucknerhaus Linz statt. Ein in­ter­mediales Projekt mit dem Ensemble EIS.

Markus Scherer entwarf das „white cube“-ähnliche Raumelement. Das Set ist kein Bühnenbild, und die Musiker­In­nen und VokalsolistInnen verkörpern kei­ne Rollen. Der einzige wirklich als Dar­steller sich Bewegende ist ein weiß­geschminkter Performer, der vor zwei Monitoren mit dem Rücken zum Publi­kum sitzt. Monitor 1 zeigt das Signal sei­ner Handycam, welche er während des Konzerts als beobachtendes Auge der Bühne einsetzt. Oftmals ist im Lauf der Veran­stal­tung die Abbildung eines dreidimensionalen Raums zu sehen, aus dessen Wänden das Ge­sichts des Performers erwachsen zu scheint. Am Monitor 2 erst weißes Licht, dann wird ein Atelierraum gezeigt, der mit Versatz­stücken derselben Bühnensituation und der Erstellung des Videos selbst spielt.
Ein Zeichner tritt zu Beginn hinten rechts auf, es folgen einzeln die Sänger- und MusikerInnen und setzen sich in Dreier- und Vierergruppen in ihren Feldern nieder und beginnen. Die agierenden Künstler werden während der gesamten Aufführung vom Zeichner als stehende Pro­jek­tion in Freizeitkleidung auf der Rückwand der Bühne in Grup­pen wie unscharfe Abziehbilder ver­ewigt – er hält die Umrisse der in den Videos erscheinenden Figuren fest. Scherer nennt dies „Dar­stellung der Zeit“. Live-Situation und medial vermittelte Aktion werden selbstreferen­ziell aufeinander bezogen und ineinander gespiegelt. Die Bühne wird von drei Kameras links und rechts neben den Zuschauern und hinter den Sitzen gefilmt.
Ist Christoph Herndler der Partitur auf der Spur? Herndler will mit seinen Partituren ein System schaffen für die Verwandlung einer Sache in eine andere. Ob Solo oder Tutti, jedem der 15 Mu­si­kerInnen ermöglicht eine offene Notationsgrafik die gesamte Form auf einen Blick zu erfassen. Textausschnitt aus der Spiel­anleitung: Herndlers Notationsgrafik beruht auf Pfeilen, die in die 4 Himmelsrichtungen zei­­gen, erfasst mittels Kriterien der Häufigkeit. Es kommen immer nur 3 Positionen der quadratisch angeordneten Pfeile vor, je nach Häufig­keit verändern sie sich. Häu­figes wird selten, mäßiges häufig und seltenes mäßig. Dreht man nun die No­ta­ti­ons­grafik auf die nächste Position, so setzt sich der Verwandlungsprozess nahtlos fort. (…)
Texterfinder Christian Steinbacher schöpfte aus drei literarischen Quellen, die Markus Scherer ausgewählt hat. Darunter Auszüge aus dem Vortrag „Der Ursprung des Kunstwerks“ von Mar­tin Heidegger, eine Begriffstabelle aus einer Studie über Objektbeziehungen von Til­mann Haber­mas und farbliche Beschreibungen verschiedener Gewebearten aus einem Patho­logie-Lehr­buch. Steinbacher hat daraus so etwas wie drei Singstimmen entstehen las­sen. Ent­weder in die Musik involviert oder wahrnehmbar artikuliert. Herndlers „abstrakte“ Notation und Steinba­chers prägnant verknapptes Textmaterial garantiert, dass keiner dem anderen hinterher­hinkt, dass Zufälle passieren bis zum letzten Strich, der sichtbar bleibt wie die Frage der Notation.
EPILOG:
Stimme 1: DIE EI-NE MIT-TE, SIE PLATZT, ES SIND DER ZEN-TREN VIE-LE
Stimme 2: ’SKIPPT AL-LE-MAL, EIN JE-DES WAR DOCH NOCH IM-MER-ZU
Stimme 3: AB-WEI-CHUNG BLOSS, ’S GILT SO AUCH FÜR MICH
Die Textaussage des Epilogs kann hier als Konklusio angewendet werden: Prozesse von gegenseitiger Durchdringung, scharf sowie un­scharf entstehend und sich transformierend; in einem ebenso sichtbar gemachten zeitli­chen Ver­lauf. Es entstand ein Eindruck von abstrakt fühlbarer Entspannung, die vielleicht vor allem in einem natürlichen „flow“ zum Ausdruck gebracht werden kann: Weder  stehen fest definierte Subjekte Objekten entgegen – noch schreiben  Macht­struk­turen ein hierarchisches oben und unten fest. Vielmehr wurde das Publi­kum eingeladen, Blick und Ohren schweifen zu lassen, die Frage des Zusammenspiels an sich zu hinterfragen.

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