Aus der Ferne – Von Stichen und/oder Nähten – gimme stitches!

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„Blood on you“ singen sie weiter, die Foo Fighters, was in dem Fall auch nicht eben unpassend, aber ohne Recht zu bil­­lig ist. „Stitch“ im Englischen hat die Eigenschaft, dass, so man möchte, es gleichzeitig mit „Stich“ UND „Naht“ über­setzt werden könnte, man also nie so ganz sicher sein kann, was einem Jemand verspricht, der einem „stitches“ androht (oder von einem will, wenn er dergleichen fordert). Im Deut­schen hingegen ist die Unter­schei­dung recht klar: Ein Stich ist ein Stich, eine Naht eine Naht, ein Stich verbraucht meist weniger Zeit als eine Naht, für einen Stich brauchen die meis­ten Menschen eine, Nadel, ein Messer oder ähnlich Spitz­schneidiges (nur bei wenigen Glücklichen klappt es auch mit den Augen), für eine Naht dann schon Nadel und Faden. Das Zusammennähen ist also zeit- und produktaufwändiger als das Stechen, wenngleich beim Stechen ungleich mehr Ener­gie freigesetzt wird, beim Stecher, nicht unbedingt beim Ge­stochenen. 37 Stichwahlen gab es in Oberösterreich nach der vergangenen Wahl und sie, verehrte LeserInnen wurden gerade ZeugInnen der wohl unelegantesten Kur­ve dieser Ko­lumne. Also schlittere ich gleich weiter nach Win­disch­­gars­ten, wo ausgerechnet am Stichwahl­wochen­en­de ein Klein­kunst­fes­ti­val stattfand. Das hätte dramatisch en­den können, hätten nicht die Bürger­meis­terstichwahls­kandi­daten in weiser Voraussicht Veranstalter und Ka­ba­­ret­tis­ten rechtzeitig davor gewarnt, Anspielungen auf diese bedeutende Wahl in ihr Programm aufzunehmen. Und so konnte die Bürger­meis­ter­stich­wahl in Windischgarsten dann doch in den Kabarett­pro­grammen Einzug halten, zumindest in den ersten Vier­tel­stündchen, man bringt ja auch noch ein ei­genes Programm mit und wer rechnet schon mit einer derart bereitwilligen Fett­näpfchen-Hingabe lokaler Politgrößen. Während sich wohl kaum jemand daran erinnert, wer jetzt in Windischgarsten die Stichwahl gewonnen hat, nun aber einige Menschen mehr die wahre Bedeutung des Be­griffs „unfreiwillige Komik“ kennen, gab es an eben jenem Sonntag noch eine Stichwahl in einem anderen oberösterreichischen Ort mit dem An­fangs­­buchstaben W. W wie Wels! Ich muss gestehen, ich konnte mit dieser Stadt nie so richtig etwas anfangen, nicht nur das ausgeklügelte Ein­bahn­system, das einem das Gefühl gibt, man käme aus dieser Stadt nie mehr raus, macht mir heute noch zu schaffen. In meiner Kindheit war es „Wels, die Einkaufs­stadt“, vor wenigen Wochen war es jenes Wels, das „wählt, wen Wels will“ (© Manfred Haimbuchner – das ist der mit dem Toupet). Dass die Rechten aber auch immer diese hoch­kom­ple­xen Claims erfinden und verwenden müssen, an de­nen sich unsereins die Zunge gebrochen hat, noch bevor er oder sie verstanden hat, worum es geht (Weil sie wusste, was er wollte, und so weiter). Vielleicht liegt es daran, dass auch und ge­rade Rechte dem Alkohol zusprechen, da ist die Zunge schnell mal locker, möglicherweise liegt es aber auch daran, dass sich die Rechten nichts merken können, was nicht zu­mindest irgendwie mit einer Art Eselsbrücke für ein paar Tage aufbewahrt und wiedergegeben werden kann, ich weiß es nicht und will es gar nicht so genau wissen, Wieser ist jedenfalls trotz passendem Anfangsbuchstaben und einem Image als gemütlicher Teilzeit­po­li­ti­ker nicht Bürgermeister ge­worden, sehr knapp zwar und mit Wahl­er­geb­nis­sen in Wel­ser Stadt­tei­len, die einem ernsthaft zu denken geben müssten – dennoch hat sich wenigstens in diesem Fall ein roter Bür­ger­meis­ter durchgesetzt und nicht einen rechten Politi­ker in eine Macht­po­si­ti­on ge­hievt. Soll ja in anderen Städ­ten vorgekommen sein. In L wie Linz et­wa hat D wie Dobusch den anderen D zum Sicherheitsstadtrat gemacht. Weil das Ressort sonst keiner wollte. Oder vielleicht weil es kein Hei­mat- und Trach­ten­ressort oder eines, das sich darum kümmert, dass der Ur­fahr­­markt das ganze Jahr hindurch stattfindet, gab. Man hätte für das eine W ein solches gründen können, dann hätte W wie Watzl die Sicher­heit übernehmen können, schließlich hat er sich so sehr darum bemüht und uns ge­zeigt, wie fesch er mit einer angedeuteten Waffe in der Hand aussieht. Wo­bei mir die mit der Waffe durchgesetzte, mehr oder weniger al­so angedroh­te (!) Sicherheit mehr als sus­pekt bleibt. Zurück in Wels je­denfalls darf man froh sein, gerade noch einmal davon ge­kommen zu sein, die Erzäh­lun­gen ansässiger Kulturschaf­fen­der deuteten das blanke Grau­en an, das sich über der Stadt verteilt hätte, hätte Wieser die Wahl gewonnen. Nichts von Kunst zu wollen und zu verstehen ist ja eine Sache, auch nur anzudenken, sie mit der Müllabfuhr abtransportieren zu lassen, eine andere.
Nun denn, man kann sich seine WählerInnen zum Glück halt ge­nauso we­nig aussuchen, wie ich mir mei­ne LeserInnen und wie andernpersons mei­ne KritikerInnen. In diesem Sinn: Ein Hoch auf Demokratie, Stichwahlen und Meinungsfreiheit. Gimme stitches!

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