Das Ende der Jugend

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Anmerkungen zur These „Jugend“ als Auslaufmodell für früh­reife Kinder und ewig jugendliche Erwachsene von Robert Buchschwenter.

Über das Ende der Jugend zu mutmaßen, ist ei­ne heikle Angelegenheit, zu­mal dann, wenn das der eigenen schon eine geraume Weile zu­rück liegt.
Die Rede vom Ende der Jugend kann zum einen bedeuten, dass es keine Ju­gend mehr gebe, dass sie, gleichermaßen aufgerieben zwischen Kind­heit und Erwachsenenalter, verschwunden wä­re. Vom Ende der Jugend zu re­den, kann aber auch bedeuten, dass man der Ansicht wäre, dass über das En­de des Jugendalters zu diskutieren wäre, dass also Jugend als Lebens­span­­ne zum Beispiel heute bis dahin, was man früher noch als mittleres Al­ter bezeichnete, reichen mag.

Wenden wir uns vorerst dem ersten Gedanken zu. Hier meint Ende der Ju­gend das Ver­schwin­den derselben. Es ließe sich argumentieren, dass Ju­gend als besondere Lebenspanne nicht mehr existiert, dass das, was sie einst bezeichnete, nicht mehr zu finden wäre. Jugend als Über­gangs­­­phase von der Kindheit ins Erwachsenenalter, Ju­gend als Zeit der Selbstfindung des Subjekts, als Phase des Erprobens der eigenen Mög­lich­kei­ten und des Erfahrens subjektiver Grenzen, all das wären die Bilder, die hier zu evozieren sind.
Nun ließe sich durchaus begründet festhalten, dass beispielsweise gegenwärtige Kinder direkt von der Kindheit in einen Quasi-Er­wach­sen­sta­tus taumeln, sich erwachsen gerieren und so als Mini-Erwachsene wahrgenommen werden. Frü­her nannte man das altklug, wie das heute heißt, weiß ich nicht.
Es hat was Paradoxes: Während die Alten nicht mehr in Würde zu altern wa­gen, ich komme wei­ter unten gleich darauf zu sprechen, scheinen die Jun­gen nicht früh genug alt werden zu können.
Nun klingt eine solche Argumentation recht­schaf­fen kulturpessimistisch, sie unterschlägt zu al­ler­erst die Bedingungen, unter denen Jugend und Alter gegenwärtig sich konstituieren müssen. Wenn denn Jugend im Verschwin­den begriffen ist, dann wirft sich die Frage auf, warum dies so ist. Wir wollen nicht vergessen, dass Jugend (und Kindheit) historisch recht junge Phä­no­mene sind, die wir mit den verschiedenen Phasen der For­mierung unserer westlich-atlantischen Moderne in Verbindung bringen sollten. Jugend wird vorerst sichtbar als politisch, verbandlich und vereinsmäßig orga­ni­sier­te Formation, aber natürlich auch als Verkörperung (potentieller) De­vi­anz. Den braven, sauberen, fleißigen und wackeren Parteijugendlichen stün­den dann ungebührlich sich betragende „Eckensteher“ und Radau­brü­der ent­gegen.
Halten wir gleich fest: Jugend ist hier ziemlich eindeutig männlich kodiert, weibliche Jugend­li­che kommen in diesen Diskursen (und Praxen) eher nur als Appendix vor.
Bis hierher haben wir es mit einer von außen de­finierten Jugend zu tun, egal ob sie angepasst oder abweichend gesehen wird, ihre „Jugend­lich­keit“ ist wesentlich Produkt der Fremdpers­pek­tive.
Dies ändert sich, so lässt sich die Debatte kurz zu­sammenfassen, mit dem Paradigma der „Ju­gend­kultur“, das nun durch die Eigendefinition der Ju­­gend­­lichen wirksam wird. Jugendkultur als po­ten­tiell symbolisch wider­stän­dige Formation, die ent­lang von bestimmten, relativ dauerhaften Stilen sichtbar wird, beginnt in den 1950er Jahren. Sie endet, so würde ich meinen, spätes­ten mit den 1990ern. Vom „supermarket of styles“ ist die Re­de, bestenfalls von Jugend­kultu­ren (im Plural) kön­nen wir nun sprechen, eigent­lich eher noch von einer beliebigen Pluralität der Sti­le, die ih­rer­­seits die Bindung an be­stimmte ju­gend­kul­tu­rel­le Formationen verloren zu ha­ben schei­nen.
Der Hintergrund für unseren Befund des Endes der Jugend hätte demnach sowohl mit dem Ver­lust der traditionellen Orientierungs- und Steue­rungs­mus­ter, als auch mit dem Verblassen verbindlicher, sinnstiftender jugend­kul­tureller Pra­xen zu tun.

Noch einige kurze Anmerkungen zur zweiten Sicht­weise vom Ende der Ju­gend; irgendwie wi­der­spricht sie der ersten, wie sie sie ergänzt. Hier wäre Ju­gend als weit gestreckte Lebens­pha­se zu verstehen, die sich über ihre Aus­deh­nung verschwinden macht.
Wenn Jugendlichkeit auch vom Alter eingefordert wird und jenes quasi ver­drängt (es also nur mehr jüngere oder nicht mehr ganz so ju­gend­liche junge Menschen gibt), dann verschwindet mit dem Alter auch das Besondere von Jugend, oder aber beide existieren nur mehr als groteske Parodie.

Freitag, 20. November, 19.00 h, Medien Kultur Haus:
Im Rahmen der YOUKI 11 Internationales Jugend Medien Festival diskutiert Roman Horak Robert Buchschwenters These mit der Journalistin, Autorin und Musikerin Christiane Rösinger (Lassie Sin­gers, Britta, schreibt u.a. für taz, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und Frankfurter Allgemeinen Zei­tung)
Das gesamte Programm zum Media Meeting: www.youki.at

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