JUNGLE WORLD Benefiz in der Stadtwerkstatt
Die Zeitungsproduktion ist ein Hund. So manches Printmedium schlängelt sich Zeit seiner Existenz am Abgrund des Bankrotts vorbei. Besonders schlecht erwischt haben es linke ZeitungsmacherInnen: Aus ideologischen Gründen wird freiwillig auf verkaufsfördernde Inhalte wie Nackerte, Horoskope und Seitensprünge prominenter Mitmenschen verzichtet, zusätzlich werden die Redaktionstüren äußerst selten von finanzkräftigen AnzeigenkundInnen eingetreten – was dazu führt, dass die Produktion des jeweiligen Blatts größtenteils aus dem Verkauf finanziert werden muss, die Absatzmöglichkeiten aufgrund der wenig mainstreamtauglichen Inhalte aber begrenzt sind. Nichtsdestotrotz werden immer wieder Versuche gestartet, die linke Meinungsvielfalt publizistisch aufzubereiten und Platz für Diskurs zu schaffen. Doch auch die linke Meinungsvielfalt ist ein Hund. Gerade an dieser droht die Berliner Wochenzeitung JUNGLE WORLD zurzeit zu Grunde zu gehen.
Um diese, auf den ersten Blick paradoxe Situation einer kulturinteressierten Linzer LeserInnenschaft verständlich machen zu können, muss ich leider einen Exkurs in die weite Welt der unzähligen Strömungen der (deutschen) Linken machen. 1997 sollte der Chefredakteur der marxistischen deutschen Tageszeitung JUNGE WELT Klaus Behnke von der Geschäftsführung als zu weit links stehend entlassen werden. Ein Großteil der Redaktion stellte sich allerdings hinter ihren „Chef“, produzierte eine Streikzeitung, die JUNGLE WORLD, und spaltete sich schlussendlich von der JUNGE WELT ab. Dies brachte ihnen im deutschen Verfassungsschutzbericht das Prädikat linksextremistisch ein (während der JUNGE WELT nur „eine traditionskommunistische Ausrichtung“1 zugeschrieben wird). Die Selbsteinschätzung lautete allerdings „Undogmatische Linke“, die Zeitung sollte als Plattform für durchaus kontroversielle Diskussion dienen.
Innerhalb des, sich selbst als links bzw. linksradikal empfindenden Spektrums machte sich die JUNGLE WORLD durch ihre Positionierungen nicht nur FreundInnen: Gerne werfen Beiträge in der JUNGLE WORLD z.B. antiimperialistischen Bewegungen Unreflektiertheit und Nationalismus vor, was diese, als „Gralshüter“ linken Meinens, natürlich wenig begeistert. Doch auch die Gegenseite, die Fraktion der Antideutschen reagierte auf wiederkehrende Kritik an ihrer politischen Praxis mit der beleidigten Leberwurst-Taktik sprich Abo-Abbestellungen. Die Offenheit des Diskurses in der JUNGLE WORLD zu Themen wie der Bekämpfung islamistischen Terrors oder dem Krieg gegen den Irak verärgerte zusätzlich mehr LeserInnen, als sie begeistern konnte und reduzierten die Auflage weiter. So schlitterte die Zeitung immer näher an den, oben bereits erwähnten, finanziellen Abgrund. Um das Ende des Blatts zu verhindern, entstand die Kampagne „Es geht um alles! – 500 neue Abos für die JUNGLE WORLD“ – in deren Rahmen RedakteurInnen auf Reisen gingen, um die Gesichter hinter der Zeitschrift zu zeigen.
Die Förderung kontroversieller Diskussionskultur ist mit Sicherheit ein Anliegen der Stadtwerkstatt. So lud Kurt Holzinger, Chefredakteur der VERSORGERIN, die JUNGLE WORLD-Redaktion am 8. Februar nach Linz ein; zweiter Stopp in Österreich war der Rabenhof in Wien. Die Präsentation „JUNGLE WORLD in Wort und Bild“ versuchte anhand ausgewählter Zeitschriftencovers aus den 10 Jahren ihres Bestehens die Geschichte der und Geschichten um die Wochenzeitung zu erzählen. Als Publikumsmagnet an beiden Abenden diente die Popband SHY, die einen Teil ihrer Anhängerschaft sicherlich zum ersten Mal mit linksradikaler Publizistik konfrontierte. In der Stadtwerkstatt brachte schließlich noch Didi Neidhart die Tanzbeine des Publikums zum Schwingen. Die JUNGLE WORLD ist in Linz beim Zeitschriftenhändler Morawa erhältlich und kann im Cafe Strom gelesen werden. Selbstverständlich werden auch Abos von Berlin nach Linz ausgeliefert. Wer sich die Augen ruinieren will kann die JUNGLE WORLD auch im Internet lesen.
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