Es blüht auch in der Antarktis

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Die begeisterte Rapperin und Poetry Slammerin Mieze Medusa veröffentlichte gemeinsam mit Tenderboy und DJ Smi im Sommer 2006 ihr erstes Album „Antarktis“ auf !records. Ein sehr kühles, reduziertes Album mit anspruchsvollen Lyrics rund um Politik und Alltag. Außerdem ist es der erste österreichische Longplayer mit einem female MC als Frontfrau. Die sprachverliebte Mieze macht auf ihren Poetry Slam Reisen auch hin-und-wieder Halt in Linz. Ein Gespräch mit Mieze Medusa.

Du bist schon seit einiger Zeit in Sachen Hip Hop gemeinsam mit Tenderboy in Wien, aber auch in Linz aktiv. Woher kommt die Linz-Connection?
Es fing ursprünglich damit an, dass ich aus Gall­neukirchen bin. Diese Con­nection ist abgebrochen, während ich in Innsbruck studiert habe. Ich bin dann nach Wien gezogen, um Leute kennen zu lernen, die Musik machen – die mit mir Musik machen wollen. Die Irradiation von temp~
records und Backlab hat mir den Tenderboy empfohlen. Er hat mir einen Beat gegeben und der Beat war Liebe auf den ersten Blick, seitdem ar­beiten wir zusammen. Ich bin inzwischen auch Backlab-Mitglied geworden, was ja in Linz ein Be­griff sein sollte, wie ich hoffe ...

Für viele gehts bei Hip Hop um diese Pimp-Fla­vour-Geschichten. Das ist bei dir ja nicht der Fall. Was ist deine Message?
Ich arbeite in meinen Texten assoziativ. Song­wri­ting oder Storytelling kann man sich ja antrainie­ren oder lernen. Ganz ursprünglich hatte das sehr viel mit Lyrik zu tun. Ich arbeite mit Verfrem­dungs­­mechanismen sogar mehr als mit Reimen. Aufgrund von einer Lautfolge fällt mir das nächste Wort ein. Das heißt jetzt nicht, dass das rein abs­trakte Texte sind, obwohl das auch vorkommt. Ganz oft fällt mir eine Strophe zu einem Thema ein und die zwei­te Strophe ist dann schon wieder ein anderes Thema. Aber von den Meta­phern her passen sie dann schon zusammen, würde ich sa­gen. Ich arbeite ganz viel mit Überfrachtung und Assoziationen und habe nicht die Erwar­tung, dass es jemand versteht. Schon gar nicht beim ersten Mal Hören. Man hat völlige Freiheit in der Rezeption, man kann sich die Teile rauspicken, die einem gefallen. Auf die werde ich dann angesprochen und das freut mich dann, weil das ganz oft die Textteile sind, die mir am Herzen liegen.

Und was liegt dir am Herzen?
Ich bin auf jeden Fall politisch. Es geht ganz oft bei mir um die Existenz als Künstlerin oder überhaupt „Generation Praktikum“. Sehr oft geht’s ums Geld, aber nicht auf die Pimp-Variante sondern eher darum, dass ich keins hab. Und oft gehts auch um Kaffee, weil ich Kaffee sehr gern trinke. Es gibt auch eine gewisse Art von Meta­phern, die ich gerne mag. Ich verwende z.B. sehr oft Don Quijote Metaphern.

Du wirst in einigen Presseberichten als „mahnende Feministin“ bezeichnet. Siehst du dich selbst auch so?
Ja, das schon. Sagen wir mal so: So wie ich die Texte aufbaue, sind sie nie Zeigefinger und klare Aussage. Feministische Inhalte kommen mit großer Re­gel­mäßigkeit immer wieder vor. Ich mag dogmatische Ansätze nicht. Ich bin keiner Grup­pe angehörig. Ich kann mich ganz schwer in politische Grup­pen einfügen. Aber ich glaube auch, dass man als arbeitende, arbeiten-wollende oder künstlerisch aktive Frau nur Grund zu feministischen Grund­haltungen haben kann. Es gibt einfach keine gleichen Löhne für gleiche Ar­beit, es gibt keine gleichen Chancen, obwohl es viel besser geworden ist. Und auch Dank an alle, die da vorgearbeitet haben. Ich versuch halt, zumindest keinen Rückfall zuzulassen.

Ihr habt Mitte letzten Jahres euer Album „Antark­tis“ released. Kannst du ganz kurz das Album sound­mäßig skizzieren?
Antarktis ist ein Wort, das mir sehr gut gefällt, ein­­fach schon mal vom Laut her. Aber auch wo­für es steht, also die Beats sind zum Teil sehr kühl. Es sind auch die Wörter kühl. Es ist definitiv kein sehr warmes Album. Wobei meine Me­ta­pher ist: In der Antarktis ist es kalt, aber es blüht auch. Es ist schon in sich stimmig geworden, aber es ist kein trauriges Album. Wir haben auch witzige Texte.

Weg von der Musik, hin zu den Lyrics. Poetry Slam. Ihr seid sehr aktiv in Wien, aber auch in Linz. Erzähl mal, worum geht’s bei einem Poetry Slam?
Ein Poetry Slam ist eine offene Bühne. Ein Dich­ter­wettstreit. Es kann jeder oder jede hinkommen und eigenen Text in 5 Minuten perfor­men. Es geht einfach ums performte Wort, ohne Acces­soires, ohne Gesang. Es geht da­rum, dass ich mir vorm Mikro kurz überlegt habe, wie mei­ne Wör­ter am besten beim Publikum ankommen. Das ist eigentlich das, was Performance sein soll – meiner Meinung nach. Es kann Rap sein, es kann Prosa sein, es kann Lyrik sein, es kann jede Text­sorte sein.
Was mir gefallen hat beim Poetry Slam vor Weih­nachten in Linz, war, dass auch Rapper da wa­ren. Das ist mir in Wien nie gelungen. Aber in Linz scheint es zu funktionieren. Die haben auch ihre Lyrics so hingekriegt, dass sie Poetry Slam-tauglich sind. Denn dieses totale On-Attack-Rap­pen, das man von Hip Hop Bühnen kennt, empfiehlt sich beim Poetry Slam nicht. Ein­fach deshalb, weil man niemandem die Ohren eintreten muss, das Publi­kum hat die Ohren eigentlich schon of­fen. Dieses totale On-Attack verstört dann eher. Bei dem Poetry Slam waren 3 Rapper, glaub ich, und alle drei ha­ben gecheckt, worum es geht. Das hat mich total gefreut. Und … man kann auch was gewinnen dabei: Der Sieger, die Siegende be­kommt die vorher eingesammelten Spen­den. So hab ich angefangen. Ich hab kein Geld ge­habt, hab Strafe zahlen müssen, weil ich beim Schwarz­fahren erwischt worden bin – und hab dann den ersten Poetry Slam gewonnen. Da hab ich mir ge­dacht, das hat Zukunft.
Ich mach gemeinsam mit Diana Köhle den Poetry Slam „Textstrom“ in Wien. Didi Sommer macht „Post­skriptum“ im Rothen Krebs in Linz. Mar­kus Köhle ist für Innsbruck zuständig. Die Ter­mi­ne sind auch so gelegt, dass sie aufeinander folgen: letzter Mittwoch im Monat in Wien, letzter Don­­ners­tag im Monat in Linz und letzter Freitag im Mo­nat in Innsbruck. Das soll die Reiselust fördern.

Wie geht’s weiter? Wie sind die musikalischen Plä­ne für die Zukunft?
Wir haben gerade mit Violetta Parisini, einer be­gna­deten Sängerin, einen Song aufgenommen, den wir beim Protest-Songcontest einreichen wollen. Der Song ist auch der erste Schritt zum nächsten Album. Der erste aufgenommene Song also, mit dem ich sehr glücklich bin, weil ich schon mal mit Violetta was gemacht habe, das war noch sehr früh und ich bei diesem Song mit meinen Rap-Skills nicht mehr zufrieden bin. Deshalb bin ich froh, noch mal was mit Violetta gemacht zu haben. Und es soll auf jeden Fall ein zweites Al­bum geben. Aber es ist so, dass wir alle auch an­de­re Sachen zu tun haben und auch arbeiten müs­sen, es wird also schon noch dauern. Ant­ark­tis ist ja noch brandneu. Es ist cool, eine Platte gemacht zu haben und dann über eine zweite nachdenken zu dürfen. Das ist schon mehr, als wir jemals ge­dacht hätten, dass wir machen würden.

Die ungekürzte Version des Gespächs ist als Audiofile unter cba.fro.at downloadbar. (Suchbegriff: Mieze Medusa)

www.backlab.at/mmt
www.slam.at

Dates: 22.02., 19.00 h Poetry Slam im Uhr Rothen Krebs
23./24.03. Backlab Festspiele, STWST: U.a. Mieze Medusa, Tenderboy und DJ Smi und Poetry Slam

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02/07
FotoautorInnen: 
Nicole Bogendorfer

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