Das Ungesehene unter der Sonne
Glauben Sie wirklich, der Mond ist nicht da, außer wenn jemand hinschaut? fragte einst Albert Einstein in einem Kommentar zur Quantentheorie. Bin ich für Gespenster unsichtbar? Sehen mich Gespenster? kontern Fischli und Weiss in ihrem Fragenkatalog Findet mich das Glück?.
Beide Statements beschäftigen sich mit dem Unsichtbaren beziehungsweise mit dem Sichtbaren als Instrument der Realitätsvergewisserung. Und das scheint auch eines der zentralen Motive in der Arbeit Vadim Fishkins zu sein. Denn Fishkin ist mit einem unbeirrbaren Glauben an das Unsichtbare ausgestattet, wenn er sagt: „Was wir nicht sehen heißt nicht, dass es nicht existiert;“ mehr poetisch als wissenschaftlich betrachtet. Das ist sein Spiel, aus dem er seine ZuseherInnen nicht entkommen lässt. Etwa unter dem Titel Lost & Found mit der Installation einer überlebensgroßen Fernbedienung, die im Eck der Galerie lehnt. Handflächengroße Knöpfe mit den Aufschriften Epidemie, Migration, etc. laden (?) zum Bedienen ein. Vordergründig passiert nichts und dennoch werden die BetrachterInnen in der bangen Ungewissheit gelassen, mit ihrem Knopfdruck nicht doch etwas ausgelöst zu haben.
Sichtbarmachung des Unsichtbaren – und damit meint er nicht nur utopische Landschaften oder den anderen Teil der Welt, sondern auch die Sichtbarkeit von Emotionen und Erwartungen (Gefühle und Gedanken sind wohl jene unsichtbaren Phänomene, die in der allgemeinen Einschätzung einen sehr hohen Platz auf der Wirklichkeitsskala belegen). So fungiert in der Arbeit snow-show die Erwartung als wesentlicher Teil des Werkes. Ein Podest mit Mikrofon, man nennt seinen Namen, das Licht ändert sich und eine freundliche Computerstimme spricht „that is for you …“ während zu sanften Yukulele-Klängen Schnee zu rieseln beginnt, was so plötzlich wieder abbricht, wie es begann. Mit dem Unsichtbaren meint Fishkin aber auch das Reale, das unserer Sicht verborgen ist und daher kaum anders funktioniert als utopische Orte, Sehnsuchtsmomente. Fishkin fragt what’s on other side?, eine Installation, die seine Liebe zum Ungesehenen ebenso verrät, wie seine Faszination an Wissenschaften. Die Frage, was sich auf der genauen Gegenseite der Welt befindet und ob es ein Parallelleben gibt, beschäftigt seit jeher und Fishkin versucht mit Hilfe akribisch mathematischer Berechnungen und 1-Quadratmeter-großer Skulpturen eine Antwort zu geben. Da findet man die Antipode zu Salzburg 5300 m unter dem Meeresspiegel und die am tiefsten lebende Tierart, die bekannt ist. Aber auch Namensgebung ist für Fishkin ein Weg, um das Unfassbare körperlich zu formen, z.B. die Namen utopischer Orte oder die Benennung eines eigenen Sterns, seit 2004 bekannt unter der Bezeichnung M.I.STAR.
Das Instrument, dessen Vadim Fishkin sich bedient, ist meist eine technische Transformation von einem Medium zum anderen, das Ganze mit skulpturalem Charakter und immer mit einer Faszination an Forschung und Wissenschaft. Seien es Berechnungen von Raum und Zeit, geologische oder astronomische Zugänge – der Satz „I am just impressed by science“ ist unüberlesbar. So verwundert es nicht, dass Fishkin bei einem Flug in die Schwerelosigkeit, den er anlässlich seiner Übersetzungsmaschine „Kaplegraf“ tätigte, die Sprache in Wassertropfen übersetzt und den Walzer „An der schönen blauen Donau“ tropfen kann und dies als das weitaus gewichtigere und emotionale Moment erlebte, als sein eigenes Kunstwerk.
Ein Besucher bemerkte einst über Fishkin: „you are the human touch to the Einstein theory“.
Vadim Fishkin, Künstler, gehört am 10.01.2007 im Institut für bildende Kunst der Kunstuniversität Linz in der Vortragsreihe Die Launen der Zeichen.
Fishkin lebt und arbeitet derzeit in Ljubljana und ist seit dem Wintersemester 2006 Gastprofessor am Institut für bildende Kunst, Fachbereich experimentelle visuelle Gestaltung.
Informationen zu seinen Arbeiten unter: www.dum-club.si/vaf/
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