The Medium is the Message?

Videokunst in der TV-Abteilung von Saturn im Passage City Center Linz im Februar: Das Kunstprojekt fragmented reassembled von Gunda Wiesner (A), Barbara Musil (A) und Bernadette Ruis (A) stellt Videokunst im urbanen Raum aus. Videokunst im urbanen Raum, das ist ein Zugang, den KünstlerInnen schon länger kennen. Spannend wird die Sache jedoch, wenn mit einer Ausstellungskonzeption bekannte Kontexte aufgelöst werden.

Experimentell zeigt sich die Ausstellung von Vi­deo­kunst in der TV-Abteilung des Saturn, weil ein Verkaufsraum, der für gewöhnlich bestimmte Funktionen erfüllt, stundenweise in einen Aus­stellungsraum umfunktioniert wird. Als mehr­­deu­tig versteht sich das Konzept, weil dem Me­dium Fernsehen/r mit der gezeigten Video­kunst selbst Rechnung getragen wird. Ein zentraler As­pekt für das Künstlerduo Wiesner & Musil ist a­ber das Fernsehen als gesellschaftliches Ereig­nis. Das Me­dium Fernsehen steuert etwa die Prä­senz und Bedeutung von gezeigten Personen und In­halten – verleiht ihnen durch die Fernsehpräsenz ein „Glaubwürdigkeitssiegel“ (Wiesner), welches bei­­spielsweise den Status einer Person erhöhen und manipulieren kann. Motive und „Messages“ der Fernsehwelt werden mit fragmented reassembled untersucht – dazu haben Wiesner, Musil und Ruis TheoretikerInnen eingeladen die zu den thematischen Schwerpunkten virtuelle Lectures im Sa­turn halten. Im Fernsehen auftretende The­o­reti­ker sind Ines Häufler (Kommunikations­wis­sen­schaft­lerin/Filmdramaturgin), Dr. Ramón Rei­chert (Theorie der neuen Medien), Dr. Mo­nika Ber­nold (Medienhistorikerin).

Eurer Projekt fragmented reassembled versteht sich unter anderem als diskursive Plattform. Wie kann man das verstehen?
Wiesner: Wir gehen einmal von einer Mischung aus. Einerseits die Show, die die Kunstgalerie ver­lässt und in den Saturn geht, in die Shopping Mall – und umgekehrt, dass das Shopping­publi­kum zur Kunst kommt. Natürlich relativ unverhofft, weil die Leute zu Beginn nichts da­von wissen. Es aber nicht so, dass das Publi­kum beo­bachtet wird. Wie hat das Publikum auf die tollen Kunst­werke reagiert? Das wäre unfair und wäre ein Um­gang, der sicher nicht angebracht ist. Im Prin­zip ist es so, dass im Saturn Printmedien wie Pla­katständer und Programmhefte aufliegen, da­mit man weiß, da läuft jetzt ein anderes Pro­gramm. Es ist aber auch nicht so, dass wir mit jeder Passantin ein Gespräch beginnen, um zu erklären, was da läuft. Es ist so, dass wir diese riesengroße Res­sour­ce an Fernsehgeräten im Raum benutzen und ein relativ breites Publikum gewinnen, da es nun mal in diesem Setting angelegt ist.
Musil: Die Diskussion ist eher in der Begegnung angelegt, dass Leute herkommen können und fragen, was da los ist. Wir werden das nicht mo­de­rie­­­ren und aktiv mit Programmpunkten tätig wer­den, abgesehen vom Videoprogramm, das es gibt. Das mit der diskursiven Plattform ist eigentlich eine sich selbst gestalten sollende, da die Leute dort schon durch die theoretischen Inhalte vor Fragen gestellt werden. Es gibt jeden Tag einen kleinen Block, wo eine Frage als Thema aufgegriffen wird – es geht dabei um Fernsehen im All­gemeinen. Wir haben drei Theore­ti­ker­Innen ein­geladen, die in kurzen Worten einen Teil­as­pekt dieses Mediums ansprechen, und das ist eine theoretische Ebene, wo sich zwischen den In­ter­es­sent­Innen auch Diskussionen ergeben können.

Welche Videos werden von Euch präsentiert, wie viele Arbeiten verschiedener Künstlerinnen stellt ihr aus?
W: Wir haben etwa 60 Arbeiten auf 4 Tage und Arbeitsgruppen aufgeteilt. Eine beschäftigt sich mit dem Themenkreis „Fernsehen ist Entertain­ment“. Fernsehformate wie Kochsendungen, Glücks­­pielshows, Lifestylemagazine, werden aufgegriffen. Es gibt Arbeiten, die diesen Themen­kreis ironisch aufgreifen, ihn imitieren oder brechen. Der zweite Tag wird ganz anders, aus gegebenem Anlass der letzten Jahre gibt es viele künst­lerische Statements zum Thema Krieg. Wel­che Rol­le spielen Kriegsberichterstattung, Repor­ter, Ka­me­ras in Kriegsszenarien?
M: Und wie wahr ist die wahre Nachricht wirklich? Da geht es um die Ebene: Was bildet das Me­dium ab, genau dort wo es behauptet, authentisch zu sein? Was ist das, was uns als Realität im Fern­sehen begegnet? Also ein ernster Tag, viel do­ku­mentarisches Material.
W: Der dritte Tag wird wieder floppig leicht!
M: Der Arbeitstitel lautet in etwa „große Gefüh­le“. Da werden beliebte Fernsehgenres aufgegriffen, wie Telenovelas oder großes Hollywoodkino.
W: Es gibt da dieses Segment im Fernsehen, das direkt in den Bauch reingeht. Werbungen, wo man heulen könnte, die „auf Gefühl machen“ – dieses Spektrum wollen wir damit aufarbeiten. Am letzten Tag aber zeigen wir Videos, die das The­ma Fernsehen reflektieren, die auf das spezielle Setting vor Ort eingehen. Also, man muss sich vorstellen: Es sind 120 Monitore im Saturn, die dort zu Wänden aufgetürmt stehen, die eine ziemlich eigenartige Architektur darstellen. Die Bilder werden nicht gesplittet, etwa, dass ein Bild ganz groß zu sehen ist, sondern es ist 120 mal das gleiche Bild. Das kriegt dann diesen Kachel- oder Mustercharakter, wie gefliest erscheint diese Wand. Wir haben uns gedacht, dass es mit dieser Multiscreen-Situation schön wäre, sehr formale Ar­­beiten zu zeigen, die mit dieser Wiederholung dann ein Gesamtbild ergeben.
M: Die entweder mit stark graphischen Ele­men­ten arbeiten, oder mit Bewegungen, die zum Teil in­haltlich diese Vervielfältigung thematisieren. Die Videos sollen durch die Multiscreen-Situation nicht nur filmischen, sondern einen installativ-skulpturalen Charakter bekommen.

Wird es eine Art Dokumentation eurer Ausstel­lung im Saturn, von fragmented reassembled ge­ben?
M: Wir haben jemanden engagiert, der ein Video als Dokumentation produziert und gleichzeitig kön­nen wir täglich dort sein und Eindrücke fotographisch festhalten. Aber wir wollen dann haupt­säch­lich die Wechselwirkung zwischen dem Ort, den Menschen, die dort sind und dem, was wir dort hinein gebracht haben, in einem Video und auch auf Fotos sichtbar machen.

Der „Geschäftsraum Saturn“ wird zum Ausstel­lungs­raum, die Laufkund­schaft zu Kunstbe­trach­terInnen?
M: Im Grunde genommen wollen wir dem Saturn seine normale Be­nutz­barkeit, seine normalen Ver­haltensregeln nicht nehmen. Ich denke mir, es kann genauso gut sein, dass jemand das Fernsehprogramm umschaltet, man kann ja die Geräte nor­mal weiter ausprobieren. Es kann sein, dass auf Fern­sehempfang umgeschaltet wird und nicht unsere Zuspielung gezeigt wird. Da kann es durchaus Zugriffe geben auf das, was passiert, und das ist nicht unerwünscht.
W: Mit der Einstellung gehen wir heran, dass es genau nicht diese abgeschlossene Form ist, in der dieses Programm läuft, es von jedem Einfluss völ­lig befreit ist. Das wird bei uns ganz anders sein.
M: Das ist es auch, was uns interessiert. Wir sind ja weder Organi­sa­tor­in­nen, noch Kuratorinnen, und ich persönlich will das auch gar nicht sein. Ich sehe mich eigentlich als Produzentin und insofern kann ich den Konflikt, den Zwie­spalt zwischen den Rollen, die man hat, schon okay finden, weil ich das noch immer als künstlerische Produktion sehen kann. Das Expe­ri­ment ist, die Arbeiten, die schon Kunstwerke sind, als übergeordnetes Ge­sam­­tes, als eigenes Kunstwerk zu sehen.
W: Ja, es wird eine Gesamtinstallation.  

fragmented reassembled – Videos im urbanen Raum werden vom 13.-16.02. in der TV-Abteilung des Saturn im Passage City Center Linz jeweils von 17.00-18.15 h gezeigt.
Weitere Informationen unter www.fragmentedreassembled.at

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02/07
FotoautorInnen: 
Wiesner/Ruis/Musil

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