The Medium is the Message?
Experimentell zeigt sich die Ausstellung von Videokunst in der TV-Abteilung des Saturn, weil ein Verkaufsraum, der für gewöhnlich bestimmte Funktionen erfüllt, stundenweise in einen Ausstellungsraum umfunktioniert wird. Als mehrdeutig versteht sich das Konzept, weil dem Medium Fernsehen/r mit der gezeigten Videokunst selbst Rechnung getragen wird. Ein zentraler Aspekt für das Künstlerduo Wiesner & Musil ist aber das Fernsehen als gesellschaftliches Ereignis. Das Medium Fernsehen steuert etwa die Präsenz und Bedeutung von gezeigten Personen und Inhalten – verleiht ihnen durch die Fernsehpräsenz ein „Glaubwürdigkeitssiegel“ (Wiesner), welches beispielsweise den Status einer Person erhöhen und manipulieren kann. Motive und „Messages“ der Fernsehwelt werden mit fragmented reassembled untersucht – dazu haben Wiesner, Musil und Ruis TheoretikerInnen eingeladen die zu den thematischen Schwerpunkten virtuelle Lectures im Saturn halten. Im Fernsehen auftretende Theoretiker sind Ines Häufler (Kommunikationswissenschaftlerin/Filmdramaturgin), Dr. Ramón Reichert (Theorie der neuen Medien), Dr. Monika Bernold (Medienhistorikerin).
Eurer Projekt fragmented reassembled versteht sich unter anderem als diskursive Plattform. Wie kann man das verstehen?
Wiesner: Wir gehen einmal von einer Mischung aus. Einerseits die Show, die die Kunstgalerie verlässt und in den Saturn geht, in die Shopping Mall – und umgekehrt, dass das Shoppingpublikum zur Kunst kommt. Natürlich relativ unverhofft, weil die Leute zu Beginn nichts davon wissen. Es aber nicht so, dass das Publikum beobachtet wird. Wie hat das Publikum auf die tollen Kunstwerke reagiert? Das wäre unfair und wäre ein Umgang, der sicher nicht angebracht ist. Im Prinzip ist es so, dass im Saturn Printmedien wie Plakatständer und Programmhefte aufliegen, damit man weiß, da läuft jetzt ein anderes Programm. Es ist aber auch nicht so, dass wir mit jeder Passantin ein Gespräch beginnen, um zu erklären, was da läuft. Es ist so, dass wir diese riesengroße Ressource an Fernsehgeräten im Raum benutzen und ein relativ breites Publikum gewinnen, da es nun mal in diesem Setting angelegt ist.
Musil: Die Diskussion ist eher in der Begegnung angelegt, dass Leute herkommen können und fragen, was da los ist. Wir werden das nicht moderieren und aktiv mit Programmpunkten tätig werden, abgesehen vom Videoprogramm, das es gibt. Das mit der diskursiven Plattform ist eigentlich eine sich selbst gestalten sollende, da die Leute dort schon durch die theoretischen Inhalte vor Fragen gestellt werden. Es gibt jeden Tag einen kleinen Block, wo eine Frage als Thema aufgegriffen wird – es geht dabei um Fernsehen im Allgemeinen. Wir haben drei TheoretikerInnen eingeladen, die in kurzen Worten einen Teilaspekt dieses Mediums ansprechen, und das ist eine theoretische Ebene, wo sich zwischen den InteressentInnen auch Diskussionen ergeben können.
Welche Videos werden von Euch präsentiert, wie viele Arbeiten verschiedener Künstlerinnen stellt ihr aus?
W: Wir haben etwa 60 Arbeiten auf 4 Tage und Arbeitsgruppen aufgeteilt. Eine beschäftigt sich mit dem Themenkreis „Fernsehen ist Entertainment“. Fernsehformate wie Kochsendungen, Glückspielshows, Lifestylemagazine, werden aufgegriffen. Es gibt Arbeiten, die diesen Themenkreis ironisch aufgreifen, ihn imitieren oder brechen. Der zweite Tag wird ganz anders, aus gegebenem Anlass der letzten Jahre gibt es viele künstlerische Statements zum Thema Krieg. Welche Rolle spielen Kriegsberichterstattung, Reporter, Kameras in Kriegsszenarien?
M: Und wie wahr ist die wahre Nachricht wirklich? Da geht es um die Ebene: Was bildet das Medium ab, genau dort wo es behauptet, authentisch zu sein? Was ist das, was uns als Realität im Fernsehen begegnet? Also ein ernster Tag, viel dokumentarisches Material.
W: Der dritte Tag wird wieder floppig leicht!
M: Der Arbeitstitel lautet in etwa „große Gefühle“. Da werden beliebte Fernsehgenres aufgegriffen, wie Telenovelas oder großes Hollywoodkino.
W: Es gibt da dieses Segment im Fernsehen, das direkt in den Bauch reingeht. Werbungen, wo man heulen könnte, die „auf Gefühl machen“ – dieses Spektrum wollen wir damit aufarbeiten. Am letzten Tag aber zeigen wir Videos, die das Thema Fernsehen reflektieren, die auf das spezielle Setting vor Ort eingehen. Also, man muss sich vorstellen: Es sind 120 Monitore im Saturn, die dort zu Wänden aufgetürmt stehen, die eine ziemlich eigenartige Architektur darstellen. Die Bilder werden nicht gesplittet, etwa, dass ein Bild ganz groß zu sehen ist, sondern es ist 120 mal das gleiche Bild. Das kriegt dann diesen Kachel- oder Mustercharakter, wie gefliest erscheint diese Wand. Wir haben uns gedacht, dass es mit dieser Multiscreen-Situation schön wäre, sehr formale Arbeiten zu zeigen, die mit dieser Wiederholung dann ein Gesamtbild ergeben.
M: Die entweder mit stark graphischen Elementen arbeiten, oder mit Bewegungen, die zum Teil inhaltlich diese Vervielfältigung thematisieren. Die Videos sollen durch die Multiscreen-Situation nicht nur filmischen, sondern einen installativ-skulpturalen Charakter bekommen.
Wird es eine Art Dokumentation eurer Ausstellung im Saturn, von fragmented reassembled geben?
M: Wir haben jemanden engagiert, der ein Video als Dokumentation produziert und gleichzeitig können wir täglich dort sein und Eindrücke fotographisch festhalten. Aber wir wollen dann hauptsächlich die Wechselwirkung zwischen dem Ort, den Menschen, die dort sind und dem, was wir dort hinein gebracht haben, in einem Video und auch auf Fotos sichtbar machen.
Der „Geschäftsraum Saturn“ wird zum Ausstellungsraum, die Laufkundschaft zu KunstbetrachterInnen?
M: Im Grunde genommen wollen wir dem Saturn seine normale Benutzbarkeit, seine normalen Verhaltensregeln nicht nehmen. Ich denke mir, es kann genauso gut sein, dass jemand das Fernsehprogramm umschaltet, man kann ja die Geräte normal weiter ausprobieren. Es kann sein, dass auf Fernsehempfang umgeschaltet wird und nicht unsere Zuspielung gezeigt wird. Da kann es durchaus Zugriffe geben auf das, was passiert, und das ist nicht unerwünscht.
W: Mit der Einstellung gehen wir heran, dass es genau nicht diese abgeschlossene Form ist, in der dieses Programm läuft, es von jedem Einfluss völlig befreit ist. Das wird bei uns ganz anders sein.
M: Das ist es auch, was uns interessiert. Wir sind ja weder Organisatorinnen, noch Kuratorinnen, und ich persönlich will das auch gar nicht sein. Ich sehe mich eigentlich als Produzentin und insofern kann ich den Konflikt, den Zwiespalt zwischen den Rollen, die man hat, schon okay finden, weil ich das noch immer als künstlerische Produktion sehen kann. Das Experiment ist, die Arbeiten, die schon Kunstwerke sind, als übergeordnetes Gesamtes, als eigenes Kunstwerk zu sehen.
W: Ja, es wird eine Gesamtinstallation.
fragmented reassembled – Videos im urbanen Raum werden vom 13.-16.02. in der TV-Abteilung des Saturn im Passage City Center Linz jeweils von 17.00-18.15 h gezeigt.
Weitere Informationen unter www.fragmentedreassembled.at
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