Good Bye Salzamt – das letzte Mal Rock’n Roll

Das Salzamt sperrt zu und nix genaues weiß man noch nicht – so könnte man derzeit den Stand der Dinge rund um das Salzamt zusammenfassen. Es ist das Haus an der Oberen Donau­lände 15, in dem eine Handvoll bildender Künstler seit 2002 höchst eigeninitiativ Schutt weggeräumt haben, um es als Atelier, für Ausstellungen und Veranstaltungen nutzen zu können. Das zunehmend historisch bedeutsam gewordene Haus hat die Stadt Linz nunmehr im Vorjahr erworben, um es heuer um­fang­reich zu sanieren, und um es dann zu einem „offenen Haus“ für Kunst und Kultur zu machen.

Es klingt eigentlich ganz einfach: Die Stadt Linz hat das Gebäude im Vorjahr gekauft, um es um­fang­reich zu sanieren und revitalisieren – durch Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes soll ein „of­fe­nes Haus mit einer Nutzungsmischung aus Kul­tur und Gastronomie“ (zitiert aus „Lebendiges Linz“) entstehen – so weit, so klar. Zum ge­nau­e­ren Stand der Dinge, d.h. zu Revitalisie­rungs­um­fang und Inhalt des Nutzungskonzeptes befragt, äußert sich Siegbert Janko von der Kul­tur­direk­tion, dass „zweifellos im Zentrum des Be­mühens die Schaffung eines offenen Atelier­hau­ses“ steht, das konzeptuell auf mehreren Künst­ler­resi­den­cies aufbaut. Diese sollen sich wiederum „jeweils zur Hälfte aus regional wirksamen und international tätigen KünstlerInnen“ zusam­men­setzen. Da­rüber hinaus weiß man jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch wenig Genaueres, bzw. ar­bei­tet ein interner Architekt aus dem Rathaus in Zusammenarbeit mit dem Denkmal­amt noch an einer Baustudie, die demnächst fertig sein soll. Die Baustudie thematisiert die denkmalgeschützte Bausubstanz und legt den mögli­chen Umfang des Umbaus fest. Erst aus diesen Ge­gebenheiten könne dann zum Beispiel festgelegt werden, „wie viele Atelierräume es genau ge­ben wird“ (um die zehn, Anm.) und wie das revitalisierte Salzamt in Zukunft darüber hinaus über­haupt aussehen kön­ne. Jedenfalls hat mit 22. Jänner eine Ge­sprächs­phase begonnen, die auf etwa zwei Monate anberaumt ist, und in der alle Dinge entschieden werden sollen, die baulich und organisatorisch relevant sein werden, „damit noch dieses Jahr mit dem Bauen begonnen werden kann“. Das heißt, es wird dann ein externer Architekt berufen sein und ein Nutzungskonzept seitens der „Linz Kultur in Zusammenarbeit mit den Linzer Museen und unter Einbindung der bisherigen Salzamt-Akti­vist­Innen“ erarbeitet sein und erarbeitet werden.

Gerade diesem Nutzungskonzept sieht man seitens der SalzamtaktivistInnen, die das Haus be­reits seit 2002 „befüllen“, aber mit etwas ge­mischten Gefühlen entgegen. „Jetzt fängt’s wirklich an, die Frage ist nur, ob wir auch noch dabei sein werden“, sagt etwa Paul Fischnaller zur Zu­kunft des Salzamtes befragt, und: „Uns hat noch keiner was gesagt, wie es weitergeht“. Zur Freude über den Kauf seitens der Stadt Linz mischt sich jedenfalls eine Portion Skepsis, ob denn diejenigen Leute, die das Salzamt bis jetzt betrieben haben, überhaupt noch im revitalisierten Haus Platz finden werden können, weil ein Nut­zungs­kon­zept von außenstehenden Personen gemacht, eben ganz andere Dinge vorsehen könnte, als sie bisher praktiziert worden sind. Andrea Lehmann, bildende Künstlerin und ebenfalls Salzamt­mit­strei­terin, befürchtet einen Verlust von Frei­räu­men, wenn nutzungskonzeptorisch zu sehr in be­stimmte „Richtungen und Niveaus“ vordefiniert wird, umgekehrt gesagt: es gibt einen dringenden Bedarf an „neutralen Orten und neutralen Perso­nen“, will heißen an „produktiven Orten, die nicht im Dienste einer festgelegten Program­ma­tik stehen“, sondern „die aus einer positiv verstandenen Undefiniertheit etwas zulassen, ge­sche­hen lassen“. Denn genau einen kuratorischen Over­head und eine Vordefinition, wie zeitgemäße Kunst auszusehen habe, wollte man mit dem Salz­amt bis jetzt umgehen; und wenngleich organisatorische Verbesserungen sehr erwünscht sind, wen­det man sich immer noch gegen eine verspür­te große Vereinheitlichung, gegen eine „mo­no­to­ni­sierte Welt“, die auch innerhalb der Kunst zu einem Status von Mainstream geführt hat, der so manchen bildenden Künstler auf Grund seiner vermeintlichen Unzeitgemäßheit von vornehe­rein ins Abseits stellt. Eine Tatsache, die Andrea Lehmann so formuliert: „Es kann doch nicht sein, dass es so ist, wenn ich als lokale Künstlerin nicht mit Neuen Medien oder einer Program­ma­tik von Postmoderne arbeite, eine Themaver­feh­lung im Leben begehe“. Etwas radikal formuliert vielleicht, aber andererseits eine Erfahrung, die in den letzten Jahrzehnten gerade die jungen Lin­zer KünstlerInnen gemacht haben, die sich mit Malerei in „herkömmlicher“ Weise beschäftigt ha­­ben, einer Malerei, die in einem „traditionellen“ Sinn Farbe und Form thematisiert. Eine ähnliche Argumentation verfolgt Paul Fischnaller, wenn er mit einer Regionalität argumentiert, die „das ablehnt, was Engstirnigkeit und Abge­grenzt­heit verherrlicht“, aber für eine Malerei plädiert, die „in der Region“ ihre Stärken zu entwickeln ver­mag und die eine bereits in der Väter­gene­ra­tion begonnene Linzer Maltradition weiterzuführen imstande ist. Paul Fischnallers Anliegen war und ist dementsprechend immer ein Haus für die „Donauschule“ gewesen, womit wir eben beim Stichwort Donauschule wären. Diese ist ein Ver­ein, den der 2006 verstorbene Josef Fischnaller be­reits in den 60er Jahren ins Leben gerufen hat, um sich auf eine kunstgeschichtliche Tradition zu berufen, die bereits bis ins 15. Jahrhundert zu­rück­geht und die sich auf die „künstlerische Hin­wendung zum Menschen und seinem Lebens­raum“ beruft, so die Definition der Donauschule, welche ihre Kraft eben insgesamt sehr stark aus der Vätergeneration der jetzt jungen bildenden KünstlerInnen bezieht („Die Donauschule lebt wei­­ter“, R. Winkler in den OON, Dez. 06). Paul Fischnaller möchte nun das Erbe des Vaters wei­ter­führen, denn: „Die Donauschule umfasst in ih­rer Ausrichtung potentiell viele Linzer Künstler­Innen“. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen je­den­falls, die Tradition der Vätergeneration wei­ter­­zuführen und gleichzeitig Bedingungen zu schaf­­fen, um aus dem Dunst­kreis derselben heraustreten zu können. Ein kleines bisschen entsteht auch der Eindruck, dass hier außerdem die Kunst­geschichte ein wenig im eige­nen Inte­res­se gebeugt werden soll, dass die „Donau­schu­le“ zum Teil – und besonders bezogen auf das jetzige Werken von hier und jetzt lebenden Künst­ler­Innen – eben wie eine kleine, nachträgliche Inter­pretation der Kunst­geschichte aussehen soll. An­dererseits ist dies vielleicht auch ein notwendiger Trick, um etwas einzuleiten: Jede neue Kunst er­schafft sich ihre Vor­läu­fer selbst, in dem sie neue kunstgeschichtliche Bezüge herstellt, ein etwas hoch­trabender Zusammenhang vielleicht, aber wa­rum nicht – selbst verordnete Kleinheit ist in jedem Fall das Kern­gehäuse der Provinz, die ja zumindest offiziell keiner haben will. Und dass Paul Fischnaller nicht vorhat, mit der Kunstge­schichte nur ein wenig herumzukleckern, wird klar, wenn er sagt: „Es geht darum, einen Mythos aufzubauen und auszuweiten“ aus Dingen, „die auch damals, in den 50ern, 60er, 70ern nur kurz bestanden haben – Kliemstein, Aigner, Fischnal­ler, Schabledergruppe, Ruprecht, Bejvl und viele viele andere, da gibt es einiges kunstgeschichtlich herauszuarbeiten und aufzuarbeiten“. Und die Auf­ar­beitung und Pflege der regionalen Kunst­geschichte ist zum Beispiel ein Punkt in der Pro­grammatik, die rund um das „neue Salzamt“ von Fisch­nal­ler erstellt wurde, wobei die zu­künf­tige Stellung der „Donauschule“ eben insgesamt un­ge­wiss ist. Dass die „Erschaffung eines Mythos“ viel­leicht et­was vermessen wirkt, aber immerhin eine Vision beinhaltet, unter deren Dach potentiell viele KünstlerInnen arbeiten können, beinhaltet auch, dass weitergemacht oder begonnen werden kann, mit dem, was Paul Fischnaller als „Weiterführen von Tradition“ und „Schärfen der Geister aneinander“ be­zeichnet hat. Denn – we­nig überraschend – eine homogene Künstler­In­nen­grup­­pe hat es nie gegeben und gibt’s auch jetzt nicht, ganz im Gegen­teil, es gibt große persönliche Span­nungen zwischen den Einzelnen. Aber ein künstleri­scher Standpunkt gegen die Ho­mo­ge­ni­tät, das war doch irgendwie der Aus­gangspunkt der Sache, oder? Es bleibt jedenfalls zum jetzigen Zeit­punkt nur zu wünschen übrig, dass die Ak­ti­­vistInnen mit ihrer Grund­hal­tung von kreativer Entschlossenheit dem Salzamt auch in seiner er­neuerten Form erhalten bleiben; und besonders in der derzeit laufenden Umstruk­turierungs­pha­se der Linzer Museen gerade durch die wilde Mi­schung aus Traditions­be­wusst­sein und Offenheit eine „be­sondere Ressource“ darstellen, die weder organisatorisch noch definitorisch zu sehr „eingegliedert“ wer­den muss. Je­denfalls haben die Mollies & Freunde das letzte Mal am 26. Jänner im alten Salzamt gerockt: „Goodbye Salzamt! (Das letzte Mal ist es am schönsten)“.

Ein Interview zum Salzamt mit Bürgermeister Dobusch folgt im März.

Kleiner Hinweis zu Beginn, wie wenig progressiv eine Haus­besetzung sein kann: nach dem Beispiel von Mut­ter Theresa (ja, die aus Kalkutta) hatte der mittlerweile verstorbene Josef Fischnaller das leer stehende Haus an der Oberen Donaulände 15 gesehen und ein paar Mün­zen über die Mauern geworfen. Dann wurde mit den Besitzern, die sich zwischenzeitlich auf einen guten Verkauf wegen des Musiktheaters und allgemein we­gen der so genannten Kulturmeile freuen durften, ein Deal eingegangen, der den Künst­ler­Innen Platz gewährte, um auf das bis dahin 15 Jahre leer stehende Haus aufmerksam zu machen. Es folgten im Salzamt (auch „Kliem­steinhaus“) viele, viele Feste, Aus­stel­lun­gen und mehr oder weniger private Maßnahmen des Aufräu­mens und der Instand­set­zung seit 2002. Jetzt ist das Haus an die Stadt Linz verkauft. Apropos „historisch be­deut­sam“ und „denkmalgeschützt“: Davon hat man bis dato als BesucherIn einer der zahl­rei­chen Ausstel­lun­gen oder anderwärtigen Veranstaltungen des Salz­amtes wenig ge­merkt, denn Paul Fischnaller hat mit seinen MitstreiterInnen sehr lange nur Müll und Schutt aus dem Gebäude geräumt, um dort überhaupt irgendetwas machen zu können, was einem Kunstraum nahe kommen könnte. Alles in allem entstand das Bisherige mit ganz wenigen finanziellen Mitteln unter Inkaufnah­me von zahlreichen Unannehm­lich­keiten. Das offenbarte immer einen sehr, sehr großen Bedarf eines offenen Ortes der Bil­den­den Kunst – der außerdem erfreulicherweise auch Freiräume für Außenstehende bot.

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02/07
FotoautorInnen: 
tb/Reinhard Winkler

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