Good Bye Salzamt – das letzte Mal Rock’n Roll
Es klingt eigentlich ganz einfach: Die Stadt Linz hat das Gebäude im Vorjahr gekauft, um es umfangreich zu sanieren und revitalisieren – durch Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes soll ein „offenes Haus mit einer Nutzungsmischung aus Kultur und Gastronomie“ (zitiert aus „Lebendiges Linz“) entstehen – so weit, so klar. Zum genaueren Stand der Dinge, d.h. zu Revitalisierungsumfang und Inhalt des Nutzungskonzeptes befragt, äußert sich Siegbert Janko von der Kulturdirektion, dass „zweifellos im Zentrum des Bemühens die Schaffung eines offenen Atelierhauses“ steht, das konzeptuell auf mehreren Künstlerresidencies aufbaut. Diese sollen sich wiederum „jeweils zur Hälfte aus regional wirksamen und international tätigen KünstlerInnen“ zusammensetzen. Darüber hinaus weiß man jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch wenig Genaueres, bzw. arbeitet ein interner Architekt aus dem Rathaus in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt noch an einer Baustudie, die demnächst fertig sein soll. Die Baustudie thematisiert die denkmalgeschützte Bausubstanz und legt den möglichen Umfang des Umbaus fest. Erst aus diesen Gegebenheiten könne dann zum Beispiel festgelegt werden, „wie viele Atelierräume es genau geben wird“ (um die zehn, Anm.) und wie das revitalisierte Salzamt in Zukunft darüber hinaus überhaupt aussehen könne. Jedenfalls hat mit 22. Jänner eine Gesprächsphase begonnen, die auf etwa zwei Monate anberaumt ist, und in der alle Dinge entschieden werden sollen, die baulich und organisatorisch relevant sein werden, „damit noch dieses Jahr mit dem Bauen begonnen werden kann“. Das heißt, es wird dann ein externer Architekt berufen sein und ein Nutzungskonzept seitens der „Linz Kultur in Zusammenarbeit mit den Linzer Museen und unter Einbindung der bisherigen Salzamt-AktivistInnen“ erarbeitet sein und erarbeitet werden.
Gerade diesem Nutzungskonzept sieht man seitens der SalzamtaktivistInnen, die das Haus bereits seit 2002 „befüllen“, aber mit etwas gemischten Gefühlen entgegen. „Jetzt fängt’s wirklich an, die Frage ist nur, ob wir auch noch dabei sein werden“, sagt etwa Paul Fischnaller zur Zukunft des Salzamtes befragt, und: „Uns hat noch keiner was gesagt, wie es weitergeht“. Zur Freude über den Kauf seitens der Stadt Linz mischt sich jedenfalls eine Portion Skepsis, ob denn diejenigen Leute, die das Salzamt bis jetzt betrieben haben, überhaupt noch im revitalisierten Haus Platz finden werden können, weil ein Nutzungskonzept von außenstehenden Personen gemacht, eben ganz andere Dinge vorsehen könnte, als sie bisher praktiziert worden sind. Andrea Lehmann, bildende Künstlerin und ebenfalls Salzamtmitstreiterin, befürchtet einen Verlust von Freiräumen, wenn nutzungskonzeptorisch zu sehr in bestimmte „Richtungen und Niveaus“ vordefiniert wird, umgekehrt gesagt: es gibt einen dringenden Bedarf an „neutralen Orten und neutralen Personen“, will heißen an „produktiven Orten, die nicht im Dienste einer festgelegten Programmatik stehen“, sondern „die aus einer positiv verstandenen Undefiniertheit etwas zulassen, geschehen lassen“. Denn genau einen kuratorischen Overhead und eine Vordefinition, wie zeitgemäße Kunst auszusehen habe, wollte man mit dem Salzamt bis jetzt umgehen; und wenngleich organisatorische Verbesserungen sehr erwünscht sind, wendet man sich immer noch gegen eine verspürte große Vereinheitlichung, gegen eine „monotonisierte Welt“, die auch innerhalb der Kunst zu einem Status von Mainstream geführt hat, der so manchen bildenden Künstler auf Grund seiner vermeintlichen Unzeitgemäßheit von vorneherein ins Abseits stellt. Eine Tatsache, die Andrea Lehmann so formuliert: „Es kann doch nicht sein, dass es so ist, wenn ich als lokale Künstlerin nicht mit Neuen Medien oder einer Programmatik von Postmoderne arbeite, eine Themaverfehlung im Leben begehe“. Etwas radikal formuliert vielleicht, aber andererseits eine Erfahrung, die in den letzten Jahrzehnten gerade die jungen Linzer KünstlerInnen gemacht haben, die sich mit Malerei in „herkömmlicher“ Weise beschäftigt haben, einer Malerei, die in einem „traditionellen“ Sinn Farbe und Form thematisiert. Eine ähnliche Argumentation verfolgt Paul Fischnaller, wenn er mit einer Regionalität argumentiert, die „das ablehnt, was Engstirnigkeit und Abgegrenztheit verherrlicht“, aber für eine Malerei plädiert, die „in der Region“ ihre Stärken zu entwickeln vermag und die eine bereits in der Vätergeneration begonnene Linzer Maltradition weiterzuführen imstande ist. Paul Fischnallers Anliegen war und ist dementsprechend immer ein Haus für die „Donauschule“ gewesen, womit wir eben beim Stichwort Donauschule wären. Diese ist ein Verein, den der 2006 verstorbene Josef Fischnaller bereits in den 60er Jahren ins Leben gerufen hat, um sich auf eine kunstgeschichtliche Tradition zu berufen, die bereits bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht und die sich auf die „künstlerische Hinwendung zum Menschen und seinem Lebensraum“ beruft, so die Definition der Donauschule, welche ihre Kraft eben insgesamt sehr stark aus der Vätergeneration der jetzt jungen bildenden KünstlerInnen bezieht („Die Donauschule lebt weiter“, R. Winkler in den OON, Dez. 06). Paul Fischnaller möchte nun das Erbe des Vaters weiterführen, denn: „Die Donauschule umfasst in ihrer Ausrichtung potentiell viele Linzer KünstlerInnen“. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen jedenfalls, die Tradition der Vätergeneration weiterzuführen und gleichzeitig Bedingungen zu schaffen, um aus dem Dunstkreis derselben heraustreten zu können. Ein kleines bisschen entsteht auch der Eindruck, dass hier außerdem die Kunstgeschichte ein wenig im eigenen Interesse gebeugt werden soll, dass die „Donauschule“ zum Teil – und besonders bezogen auf das jetzige Werken von hier und jetzt lebenden KünstlerInnen – eben wie eine kleine, nachträgliche Interpretation der Kunstgeschichte aussehen soll. Andererseits ist dies vielleicht auch ein notwendiger Trick, um etwas einzuleiten: Jede neue Kunst erschafft sich ihre Vorläufer selbst, in dem sie neue kunstgeschichtliche Bezüge herstellt, ein etwas hochtrabender Zusammenhang vielleicht, aber warum nicht – selbst verordnete Kleinheit ist in jedem Fall das Kerngehäuse der Provinz, die ja zumindest offiziell keiner haben will. Und dass Paul Fischnaller nicht vorhat, mit der Kunstgeschichte nur ein wenig herumzukleckern, wird klar, wenn er sagt: „Es geht darum, einen Mythos aufzubauen und auszuweiten“ aus Dingen, „die auch damals, in den 50ern, 60er, 70ern nur kurz bestanden haben – Kliemstein, Aigner, Fischnaller, Schabledergruppe, Ruprecht, Bejvl und viele viele andere, da gibt es einiges kunstgeschichtlich herauszuarbeiten und aufzuarbeiten“. Und die Aufarbeitung und Pflege der regionalen Kunstgeschichte ist zum Beispiel ein Punkt in der Programmatik, die rund um das „neue Salzamt“ von Fischnaller erstellt wurde, wobei die zukünftige Stellung der „Donauschule“ eben insgesamt ungewiss ist. Dass die „Erschaffung eines Mythos“ vielleicht etwas vermessen wirkt, aber immerhin eine Vision beinhaltet, unter deren Dach potentiell viele KünstlerInnen arbeiten können, beinhaltet auch, dass weitergemacht oder begonnen werden kann, mit dem, was Paul Fischnaller als „Weiterführen von Tradition“ und „Schärfen der Geister aneinander“ bezeichnet hat. Denn – wenig überraschend – eine homogene KünstlerInnengruppe hat es nie gegeben und gibt’s auch jetzt nicht, ganz im Gegenteil, es gibt große persönliche Spannungen zwischen den Einzelnen. Aber ein künstlerischer Standpunkt gegen die Homogenität, das war doch irgendwie der Ausgangspunkt der Sache, oder? Es bleibt jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nur zu wünschen übrig, dass die AktivistInnen mit ihrer Grundhaltung von kreativer Entschlossenheit dem Salzamt auch in seiner erneuerten Form erhalten bleiben; und besonders in der derzeit laufenden Umstrukturierungsphase der Linzer Museen gerade durch die wilde Mischung aus Traditionsbewusstsein und Offenheit eine „besondere Ressource“ darstellen, die weder organisatorisch noch definitorisch zu sehr „eingegliedert“ werden muss. Jedenfalls haben die Mollies & Freunde das letzte Mal am 26. Jänner im alten Salzamt gerockt: „Goodbye Salzamt! (Das letzte Mal ist es am schönsten)“.
Ein Interview zum Salzamt mit Bürgermeister Dobusch folgt im März.
Kleiner Hinweis zu Beginn, wie wenig progressiv eine Hausbesetzung sein kann: nach dem Beispiel von Mutter Theresa (ja, die aus Kalkutta) hatte der mittlerweile verstorbene Josef Fischnaller das leer stehende Haus an der Oberen Donaulände 15 gesehen und ein paar Münzen über die Mauern geworfen. Dann wurde mit den Besitzern, die sich zwischenzeitlich auf einen guten Verkauf wegen des Musiktheaters und allgemein wegen der so genannten Kulturmeile freuen durften, ein Deal eingegangen, der den KünstlerInnen Platz gewährte, um auf das bis dahin 15 Jahre leer stehende Haus aufmerksam zu machen. Es folgten im Salzamt (auch „Kliemsteinhaus“) viele, viele Feste, Ausstellungen und mehr oder weniger private Maßnahmen des Aufräumens und der Instandsetzung seit 2002. Jetzt ist das Haus an die Stadt Linz verkauft. Apropos „historisch bedeutsam“ und „denkmalgeschützt“: Davon hat man bis dato als BesucherIn einer der zahlreichen Ausstellungen oder anderwärtigen Veranstaltungen des Salzamtes wenig gemerkt, denn Paul Fischnaller hat mit seinen MitstreiterInnen sehr lange nur Müll und Schutt aus dem Gebäude geräumt, um dort überhaupt irgendetwas machen zu können, was einem Kunstraum nahe kommen könnte. Alles in allem entstand das Bisherige mit ganz wenigen finanziellen Mitteln unter Inkaufnahme von zahlreichen Unannehmlichkeiten. Das offenbarte immer einen sehr, sehr großen Bedarf eines offenen Ortes der Bildenden Kunst – der außerdem erfreulicherweise auch Freiräume für Außenstehende bot.
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